So geht Fernsehen heute

Von Für SPOX in Dubai: Thomas Gaber
Bayern-Coach Louis van Gaal blieb im arabischen Fernsehen auffällig gelassen
© Getty

Am vierten Tag in Dubai wird SPOX-Redakteur Thomas Gaber Zeuge eines legendären Slapstick-Theaters im arabischen Sport-Fernsehen. Bastian Schweinsteiger entkam nur knapp einem "Anschlag".

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Per Mertesacker hatte sich extra den Scheitel zurechtgebügelt und auch Torsten Frings fuhr sich zwei, drei Mal mit beiden Händen durch die Mähne, damit ja auch alles richtig liegt.

Louis van Gaal sah aus wie aus dem Ei gepellt und Thomas Schaaf, Klaus Allofs und Christian Nerlinger hatten die sportlich flockige Hemd/Sacko ohne Schlips-Variante gewählt. Man will schließlich einen guten Eindruck hinterlassen, wenn Dubai Sports in die Sendeanstalt lädt.

Der Sport-TV-Sender des Emirats bezahlt der DFL viel Geld, um die Spiele der 1. und 2. Bundesliga, also auch Paderborn gegen Koblenz, in die Wüste zu übertragen. Als Dank schickte die DFL die wichtigsten Vertreter vom FC Bayern und Werder Bremen am Donnerstag ins Aufnahmestudio von Dubai Sports.

Neben Frings, Mertesacker, Allofs und Schaaf setzte Werder Claudio Pizarro ins Scheinwerferlicht. Die Bayern machten ihre Aufwartung mit Trainer, Sportdirektor und den drei Kapitänen Mark van Bommel, Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger. Es sollte eine easy Plauderrunde mit zwei Moderatoren werden. Ein bisschen Fußball, ein bisschen Dubai - schlichtweg ein bisschen Werbung für alle Anwesenden.

Nach gut 90 Minuten stand fest: hier wurde Fernseh-Geschichte geschrieben. Aber alles der Reihe nach...

Es begann mit einem Beinahe-Horrorcrash von Schweinsteiger. Dubai Sports hatte dem Bayern-Spieler dem Anschein nach einen angesägten Stuhl bereitgestellt. Schweini hatte kaum Platz genommen, da brach der Hocker auch schon in sich zusammen.

Geistesgegenwärtig rettete sich Schweinsteiger mit einem Ausfallschritt nach links und wilden Ruderarm-Bewegungen vor einem möglicherweise folgenschweren Sturz, rücklings die Empore runter. Der zuständige Bühnenbauer darf sich morgen seine Kündigung abholen.

Die beiden Moderatoren, der eine wie auf Speed, der andere offenbar mit Koks-Diplom ausgestattet, überboten sich gegenseitig mit schlechten Witzen und nahmen die Vorbereitung auf die Sendung nicht besonders ernst.

Van Bommel wurde eine wenig erfolgreiche Zeit in Barcelona nachgesagt (der Niederländer gewann CL und Meisterschaft und machte knapp 70 Prozent aller Spiele). Pizarro wurde gefragt, wie er zum Fußballspielen gekommen sei, da sein Vater ja mit Fußball nichts am Hut gehabt habe. "Äh, mein Vater hat Fußball geliebt und selbst lange gespielt. Zwar nur dritte Liga, aber immerhin", lautete Pizarros Antwort.

Der Moderator, in sehnsüchtiger Erwartung der nächsten Line in der Drehpause, grinste eifrig weiter, während der Kameramann hinter ihm plötzlich völlig unmotiviert anfing, wie ein lettisches Weißschwein zu grunzen. Sein Kollege bewies enormen Sachverstand, als er Allofs fragte, ob es nicht ein Problem der Qualität von Werder sei, dass man so viele gute Spieler im Kader habe. Viele gute Spieler = Qualitätsproblem. Alles klar, die Gleichung geht auf!

Lahm wurde über van Gaals Kopf hinweg recht dreist ein Wechsel zu Manchester City nahegelegt. Logisch, da hat ein Scheich das Sagen. Und für Schweinsteiger würden sich ja mit Chelsea, Milan und Inter viele Vereine aus England interessieren. In jedem anderen Fernseh-Studio, ohne PR-Verpflichtung, hätte van Gaal spätestens jetzt einem der Moderatoren den Kopf abgebissen.

Bayern-Pressechef Markus Hörwick schlug die Hände über dem Kopf zusammen und ergriff die Flucht in den Nebenraum. Dort stand ein kaltes Büffet, das mit zunehmender Sendedauer immer mehr Besucher anzog. Auch ich konnte nicht anders, als mir ein paar von diesen überragenden arabischen Chicken-Chili-Ingwer-Teigtaschen in die Backen zu kleben. Schnell noch zwei von den Dingern assi-mäßig in der Tasche verstaut und weiter geht's.

"Herr Gaber, Sie machen's richtig. Das hier ist der bessere Ort. Ich bin gespannt, was ich mir von den Spielern anhören muss", sagte Hörwick. Die ertrugen die 90-minütige Pannen-Show erstaunlich gelassen und beantworteten geduldig jede noch so sinnlose Frage.

So geht Fernsehen also heute. Zur Vollendung hätte eigentlich nur die quietschende Live-Musik-Tussi aus der Bar meines Hotels gefehlt, wie sie die Nationalhymne der Vereinigten Arabischen Emirate trällert.

Tagebuch Tag 3, Neues von den Feuersteins