"Hurra, der Hörwick kommt"

Von Interview: Jochen Tittmar
Markus Hörwick (l.) assistiert Bayern-Trainer Louis van Gaal bei einer Pressekonferenz
© Getty

Die "Schattenmänner" der Bundesligisten - von Montag bis Freitag lässt SPOX fünf Männer zu Wort kommen, die etwas weniger im öffentlichen Fokus der Bundesligavereine stehen. Heute: Markus Hörwick, Pressesprecher beim FC Bayern München.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Pressesprecher hat heutzutage jeder Bundesligist. Hörwick war der erste von ihnen. Seit 28 Jahren arbeitet er für den FC Bayern. Hörwick über Augenthalers Kanarienvogel, Rotwein in Sir Alex Fergusons Kabine und die Aggressivität des Internets.

SPOX: Wie viele Stunden telefonieren Sie am Tag?

Markus Hörwick: Ich habe es mittlerweile so organisiert, dass ich für das Tagesgeschäft am Handy nicht mehr erreichbar bin. Früher waren es pro Monat 120 Stunden am Handy, das war weder vernünftig noch gesund. Nun benutze ich das Handy nur noch als rotes Telefon, als Alarm, wenn es irgendwo brennt und ich anderweitig nicht erreichbar bin. Das Tagesgeschäft geht über das Büro.

SPOX: Haben Sie feste Bürozeiten?

Hörwick: Nein, die Arbeit muss getan werden, wenn sie ansteht, nicht wenn es die Uhrzeit zulassen würde. Ich bin im Prinzip permanent über das Büro erreichbar. Das Büro kann auch auf das Handy weiterleiten, wenn es etwas Wichtiges gibt. Ich muss aber nicht jede Anfrage, ob das Training um 15 oder 16 Uhr beginnt, persönlich beantworten. Handy und Email, so sehr sie uns das Leben erleichtert haben, sind mittlerweile zur Geißel unseres Arbeitslebens geworden.

SPOX: Wie sind Sie eigentlich zu dem Job beim FC Bayern gekommen?

Hörwick: Ich habe früher bei den Bayern in der Jugend gespielt. Ich war dann fünf Jahre Sportredakteur bei "Bild", später bin ich für zwei Jahre zu "adidas" gegangen. In dieser Zeit wurde Uli Hoeneß Manager und hat mich zu Bayern zurückgeholt. Ich habe damals, 1981, die heutige Stadionzeitung "Bayern-Magazin" gegründet. Wir hatten die erste Pressestelle im deutschen Profifußball. Es gab damals nur Wolfgang Niersbach beim DFB und mich.

SPOX: Wie sieht ein normaler Tag im Leben des Markus Hörwick aus?

Hörwick: Ich stehe um 7 Uhr auf, da gibt es die erste Zeitungslektüre. Die letzte hatte ich am Abend zuvor via Internet schon gemacht. Ab halb 9 bin ich im Büro. Dann gibt es die ersten Besprechungen: Was kann heute an Themen auf uns zu kommen? Da stimmen wir uns auch mit Vorstand und Trainer ab. Ich habe zudem eine Abteilung mit sieben Leuten, die geführt werden muss. Die nationalen und internationalen Kontakte müssen gepflegt werden. Und um 11 Uhr ist meist Training.

SPOX: Haben Sie dann Mittagspause?

Hörwick: Nein. Vorher bin ich beim Trainer und der Mannschaft, um Termine und Absprachen zu treffen. Da gibt es ein kurzes Jour fixe. Gegen 13 Uhr findet die tägliche Pressekonferenz statt. Am Nachmittag werden die fertigen Interviews an die Spieler zum Gegenlesen weitergegeben.

SPOX: Wollen das die Spieler oder ist das quasi eine Anweisung von oben?

Hörwick: Wir wollen den Spielern Hilfestellung geben. Wir weisen sie darauf hin, wenn sie einmal eine unbedachte Äußerung gemacht haben. Wir wollen das ganz bewusst. Die Spieler sind für das Gesagte verantwortlich und sollen das dann in verschriftlicher Form selbst anschauen und beurteilen können. Auf dem Platz sind sie Profis, aber Medienprofis sind sie mit 18, 20 oder 24 Jahren noch nicht. Wir wollen ihnen helfen, sich eigenständig und sicher auf dem öffentlichen Parkett zu bewegen.

SPOX: Wie viele Interviewanfragen trudeln bei Ihnen täglich ein?

Hörwick: Wenn wenig los ist, sind es 40 pro Tag. In einer Champions-League-Woche sind es 120 Anfragen pro Tag. Das ist ein Vielfaches mehr als bei anderen Bundesligaklubs.

SPOX: Da kommen doch dann auch sicherlich mal eher skurrile Anfragen, oder?

Hörwick: Ja klar. Das Skurrilste war, als ich abends vom bolivianischen Fernsehen angerufen wurde. Die waren live auf Sendung. Es gab eine Quizfrage: Wie heißt der Kanarienvogel von Klaus Augenthaler? Fragen Sie mich bitte nicht, wie es dazu kam. Ich konnte es jedenfalls nicht beantworten (lacht).

SPOX: Wie viele der 120 Anfragen können wahrgenommen werden?

Hörwick: Ungefähr zehn bis 20 Prozent.

SPOX: Wonach richtet sich eine Zu- oder Absage?

Hörwick: Redaktionen, die aus dem Sport kommen und täglich mit uns zusammenarbeiten, haben Priorität. Ich kann ja nicht einem bolivianischen Nachrichtensender ein Interview mit Franck Ribery vermitteln und den Münchener Kollegen dann sagen, dass er keine Zeit hätte. Die Termine müssen wir uns manchmal auch von den Spielern erkämpfen.

SPOX: Wie ist das zu verstehen?

Hörwick: Die Spieler warten ja nicht in der Kabine und schreien "Hurra, der Hörwick kommt". Wenn ich einen zu einem Termin überzeuge, manchmal auch überrede, weiß der ja, dass ihn das Zeit in seiner Freizeit kostet. Wir kämpfen da schon im Sinne Ihrer Kollegen.

SPOX: Stimmt es, dass Sie in Ihren Anfangsjahren in die Redaktionen der Zeitungen gegangen sind und gebeten haben, dass Reporter an die Säbener Straße geschickt werden?

Hörwick: Nein, das stimmt nicht. Sehen Sie, ich mache diesen Job schon seit 28 Jahren. Damals war die Medienlandschaft eine ganz andere. Es gab keine privaten Fernseh- und Radiosender. Über den FC Bayern berichteten damals ungefähr fünf Redaktionen. Mindestens vier davon haben ihren Job vom Schreibtisch aus gemacht. Die sind um 11 Uhr in die Redaktion gegangen, haben bis 14 Uhr mit Spielern und Verantwortlichen telefoniert und um 16 Uhr war alles erledigt. Daraus entstand unsere Grundüberlegung: Es kann doch nicht sein, dass jemand ein lebendiges Bild vom FC Bayern zeichnet, ohne vor Ort zu sein.

SPOX: Und daraufhin haben Sie die Reporter eingeladen?

Hörwick: Wir wollten, dass sie beim Training zuschauen und sehen, wie ein Rummenigge, ein Breitner, ein Matthäus trainieren. Sie sollten sehen, wie es hier zugeht und den Stallgeruch mitbekommen. Das war damals ein wichtiges Mosaiksteinchen dafür, dass der FC Bayern heutzutage ein Garant für Quote und Auflage ist. Bei uns ist immer was los.

SPOX: Viele Interviews sind heutzutage gekennzeichnet von Phrasendrescherei. Können sich Spieler überhaupt noch spektakuläre Antworten leisten?

Hörwick: Wer das Bedürfnis hat, kann das jederzeit tun. Ich möchte den Spieler nur darauf hinweisen. Ich sage ihm dann, dass er die oder die Passage noch einmal genauer anschauen und entscheiden soll, ob die seiner Meinung nach so in Ordnung ist. Dann hat er die Möglichkeit, es zu ändern oder nicht.

SPOX: Dennoch hat man den Eindruck, dass vieles von den Pressesprechern glattgebügelt wird, um eine eventuelle Brisanz aus einem Interview zu nehmen.

Hörwick: Wie gesagt, Fußballer sind keine Medienprofis. Aber Sie und alle Ihre Kollegen sind welche, sie wissen wie man manchmal auch etwas provoziert und beispielsweise einen Hoeneß zum Explodieren bringt. Das ist legitim. Aber man darf nicht vergessen, dass man es mit jungen Leuten zu tun hat. Auch mit Spielern, die die deutsche Sprache nicht sprechen.

Hier geht es weiter mit Seite 2 des Interviews