Hoffenheims Suche nach der Definition

Von Andreas Lehner
Vor 13 Monaten unterlag 1899 Hoffenheim beim FC Bayern München mit 1:2
© Getty

Vor rund einem Jahr lieferten Bayern und Hoffenheim das beste Spiel der vergangen Saison. Für 1899 war es der Wendepunkt in der Entwicklung. Was ist seitdem passiert?

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In München sind sie froh, dass Luca Toni nicht mehr da ist und jetzt beim AS Rom spielt. Wenn der FC Bayern am Freitagabend die Rückrunde gegen 1899 Hoffenheim (20.15 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) eröffnet, wird der Italiener aber doch irgendwie wieder zum Thema.

Zu frisch sind die Erinnerungen an das letzte Aufeinandertreffen in München, dem vielleicht besten Spiel der letzten Saison. Vor rund 13 Monaten gewannen die Bayern das Spiel etwas glücklich mit 2:1, weil Toni in der letzten Minute einen Hoffenheimer Fehler nutzte und den Ball über die Linie wurstelte.

Wendepunkt in der Hoffenheimer Entwicklung

Zuvor lieferten sich beide Teams ein Duell mit höchster Intensität und überragendem Tempo. Es schien als hätte der FC Bayern sportlich einen neuen Rivalen gefunden, so selbstsicher und spielstark traten die Hoffenheimer auf.

Die Partie war aber nicht nur eins der besten Spiele der Hoffenheimer, sondern auch ein Wendepunkt in der Saison. Von den nächsten 14 Spielen gewannen sie nur noch eins. Von Meisterschaft war schnell keine Rede mehr, auch nicht von der Champions League. Am Ende verpasste Hoffenheim sogar die Europa League deutlich.

"Waren ein sehr fragiles Gebilde"

Mittlerweile hat sich Hoffenheim im Mittelmaß festgesetzt. Von einer ernsthaften Bedrohung für den FC Bayern spricht niemand mehr. Die steile Entwicklungskurve des Vereins, der von der 3. Liga zur Herbstmeisterschaft in der Bundesliga marschierte, hat einen Knick erhalten und bewegt sich im besten Fall horizontal.

Der Erfolg der vorvergangenen Hinrunde hatte bei den Spielern ein gewisses Selbstgefälligkeitsgefühl ausgelöst. Die Grenzen der Leistungsbereitschaft wurden in den meisten Spielen nicht mehr erreicht.

Manager Jan Schindelmeister spricht von normalen Einflüssen des Profigeschäftes, die zum Abschwung geführt hätten. Das erste Jahr sei von "Übertreibungen und Überzeichnungen" geprägt gewesen, sagt der Manager. "Wir waren ein sehr fragiles und sehr junges Gebilde."

"Gefühlte Champions League"

Jetzt ist Hoffenheim auf der Suche nach sich selbst und seiner neuen Definition. Der Verein muss für sich erkennen, wo er steht und welches das normale Hoffenheim ist. Das der überragenden Vorrunde 2008? Das der missratenen Rückrunde 2009? Das der durchschnittlichen Vorrunde 2009? Oder irgendwo dazwischen?

Mit dem neuen Trainingszentrum in Zuzenhausen hat sich 1899 Hoffenheim in die "gefühlte Champions League" (Geschäftsführer Jochen A. Rotthaus) katapultiert, gegen Konkurrenten mit Champions-League-Format sah man aber in der Vorrunde nur wenig Land. Nur drei Punkte holte das Team von Ralf Rangnick gegen Teams aus der oberen Tabellenhälfte. Zu wenig, um das mittelfristige Ziel internationaler Wettbewerb schon in dieser Saison zu erreichen.

Große Investitionen, wenig Rendite

Dabei konnte die sportliche Führung vor der Saison den Kader wie gewünscht in der Breite verstärken. Ralf Rangnick legte sich sogar mit Dietmar Hopp an, um ein paar Millionen mehr für Neuzugänge rauszuschlagen und das Team zu stabilisieren. Rangnick setzte sich durch und holte Maicosuel (4,5 Millionen Euro), Zuculini (4,6 Millionen Euro) und Joe Simunic (7 Millionen Euro). Nur der Kroate hat im Moment einen Stammplatz. Die beiden anderen sind talentiert, bringen ihr Können aber noch zu selten auf den Platz.

Schindelmeiser sieht den Klub aber nach wie vor auf einem sehr guten Weg: "Die gesamte Infrastruktur, die wir aufgebaut haben, ist so, dass wir sehr gute Voraussetzungen haben, um junge Spieler zu entwickeln. Sie früh an eine Spielidee zu gewöhnen: arbeiten gegen den Ball, aggressive Vorwärtsverteidigung, hohe Laufbereitschaft. Das ist einfacher einem jungen Spieler beizubringen, als einem, der schon eine gestandene Persönlichkeit ist."

Kontrastprogramm beim FC Bayern

Diese Herausforderung hat Louis van Gaal beim FC Bayern zu bewältigen. Der Niederländer kam mit seiner Philosophie nach München und musste erstmal Überzeugungsarbeit bei den Spielern leisten.

Seine Idee basiert auf Ballbesitz und Spielkontrolle. Mit der Mannschaft, die sich unter Klinsmann einen offenen Schlagabtausch mit Hoffenheim lieferte hat der neue FC Bayern nur noch wenig zu tun.

Am Freitag werden nur vier Spieler dieses Teams auflaufen. Weil die Bayern-Bosse im Sommer viel Geld in die Hand nahmen und Mario Gomez (30 Millionen Euro) und Arjen Robben (24 Millionen Euro) verpflichteten und van Gaal mit Holger Badstuber und Thomas Müller zwei Nachwuchsspieler einbaute.

Die souveränen Siege zum Abschluss der Hinrunde haben den Bayern ihr altes Selbstverständnis und ihr Selbstvertrauen wieder zurückgegeben. Da interessiert es auch kaum, dass die Bilanz gegen die Top-Mannschaften der Liga nicht sonderlich berauschend ist. Nur zwei Siege gegen Teams aus der oberen Tabellenhälfte stehen zu Buche.

Gegen Hoffenheim soll der dritte folgen. Dann könnten die Bayern nach 608 Tagen zumindest für eine Nacht wieder auf Rang eins springen.

Bayern - Hoffenheim: So wollen sie spielen