Wird er Magaths Kronprinz?

Von Interview: Haruka Gruber
Der König und sein Kronprinz? Michael Boris arbeitete seit August als Praktikant unter Felix Magath
© Getty

Der etwas andere Dauerpraktikant: Neben seiner Tätigkeit als Trainer des Fünftligisten Germania Windeck hat Michael Boris beim FC Schalke 04 eine mehrmonatige Hospitanz absolviert. Der Kontakt zu S04-Chefcoach Felix Magath kam zustande, als beide Mannschaften in der ersten Pokal-Runde aufeinandertrafen.

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Mehr noch: Viele Anzeichen deuten daraufhin, dass Magath den 34-jährigen Boris sogar als neuen Trainer der zweiten Mannschaft installieren wird. Schalke II spielt unter Oliver Ruhnert eine enttäuschende Runde und rangiert in der Regionalliga West nur auf Platz 14. Keine optimalen Voraussetzungen, um den Talenten den nötigen Feinschliff zu verpassen.

Im Interview erklärt Michael Boris, warum er Uli Potofski zu Dank verpflichtet ist und warum ein Eishockey-Film viel über ihn und Felix Magath aussagt.

SPOX: Anfang August haben Sie beim FC Schalke 04 ein auf ursprünglich zwei Wochen ausgelegtes Praktikum angefangen - welches schlussendlich bis Mitte Dezember ausgedehnt wurde. Warum?

Michael Boris: In den zwei Wochen konnte ich wegen der Tätigkeit als Trainer von Germania Windeck nur an drei Trainingseinheiten teilnehmen, daher habe ich Felix Magath gefragt, ob ich auch nach der vereinbarten Zeit hospitieren darf. Für die Germania war es auch in Ordnung, solange ich eine Voraussetzung erfülle: gewinnen. Gott sei Dank haben wir als Tabellenführer der NRW-Liga ein paar Spiele für uns entschieden (lacht).

SPOX: Wie kam das Praktikum überhaupt zustande?

Boris: Da muss ich von vorne anfangen. Im Vorfeld der Pokal-Begegnung gegen Schalke war ich zu einer von Uli Potofski moderierten Sendung beim Lokal-Sender "NRW.TV" eingeladen. Abseits der Kamera hat mich Potofski beim Plaudern gefragt, was ich mir vom Schalke-Spiel erhoffe, und ich habe geantwortet: 'Super wäre es, wenn ich mal in einer Profi-Mannschaft hospitieren könnte.'

SPOX: Und?

Boris: Nun ja, einige Tage später, kurz vor dem Pokal-Spiel, hat mich Potofski noch einmal angerufen und mir gesagt, dass ich meinen Wunsch unbedingt im Fernsehen wiederholen soll. Während der Live-Übertragung von SKY stand ich also zusammen mit Felix Magath für ein Doppel-Interview vor der Kamera - und Moderator Patrick Wasserziehr hat mir tatsächlich die gleiche Frage wie Potofski gestellt. Ich habe daraufhin allen Mut zusammengenommen und Felix Magath erzählt, dass ich nichts lieber als ein Praktikum auf Schalke machen würde. Zum Glück hat er ja gesagt.

SPOX: Mit einem 0:4 gegen Schalke ist Windeck in der ersten Pokal-Runde ausgeschieden. War das Auftreten Ihrer Mannschaft dennoch so beeindruckend, dass Felix Magath von Ihnen überzeugt ist?

Boris: Dazu müssten Sie eigentlich Felix Magath direkt fragen. Aber es war so, dass alle Gegentore nach individuellen Fehlern gefallen sind. Wir hatten eine Ordnung, waren konditionell auf den Punkt fit und haben uns nicht abschießen lassen. Man sagt ja, dass man Pi mal Daumen für jede Liga, die der Gegner höherklassiger spielt, zwei Tore eingeschenkt bekommt. Daher war das 0:4 ein gutes Ergebnis, denn eigentlich hätten wir 0:8 verlieren müssen.

SPOX: Sie sprechen über den fitten Zustand Ihrer Mannschaft. Es heißt, Sie seien ein ähnlicher Schleifer wie Magath.

Boris: Mir wurde gleich gesagt, dass ich mich kaum umstellen muss, wenn ich auf Schalke bin. Ich bin jemand, der die Jungs gerne laufen lässt. Viele meinen zwar, dass man mehr mit dem Ball trainieren müsste - aber die Grundlage für jeden Erfolg ist und bleibt die Ausdauer.

SPOX: Klingt etwas trocken.

Boris: Aber Felix Magath hat doch seit Jahren mit großem Erfolg bewiesen, dass es sich rentiert, auch während der Saison einen Fokus auf das Ausdauer-Training zu legen. Es ist doch so: Fußballer haben alle ein gewisses Niveau, daher geht es um Nuancen, insbesondere im körperlichen Bereich. Ich sag immer: Wenn eine Mannschaft fit ist, kann sie auf dem Platz leben.

SPOX: Ein Satz, der glatt von Magath stammen könnte. Stimmt es, dass Sie trotz Ihrer 34 Jahre ebenso Wert darauf legen, Distanz zur Mannschaft zu wahren?

Boris: Es gibt einen wundervollen Eishockey-Film mit dem Titel 'Miracle'. Dort geht es darum, wie die US-Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen die hoch favorisierten Russen besiegen. Der von Kurt Russell dargestellte amerikanische Trainer Herb Brooks sagt sinngemäß in einer der eindrucksvollsten Szenen zu seinen Spielern: 'Wenn ihr einen Freund sucht, müsst ihr zu einem der Betreuer gehen. Bei mir seid ihr falsch.' Genauso sehe ich das auch.  In Windeck habe ich Wert darauf gelegt, dass man mich siezt. Ich finde, dass es sich so gehört. Ich habe nur zwei Spielern, die mich schon seit der Zeit in Emden als Co-Trainer kennen, die Wahl zwischen dem Sie und dem Du gelassen.

SPOX: Was haben Sie von Magath gelernt?

Boris: Es ging vor allem um Bestätigung. Dass ich mit einem Fitnessgedanken nicht so falsch liege. Dass man alles dem Erfolg unterordnen muss. Aber dazugelernt habe ich natürlich auch. Was das Auftreten als Autorität betrifft. Oder wie wichtig es ist, extrem auf jede Kleinigkeit zu achten. Zum Beispiel, dass der entscheidende Pass sauber mit der Innenseite gespielt wird. So etwas geht häufig unter, aber Felix Magath achtet darauf.

SPOX: Sie haben in Windeck zum Ende dieses Jahres gekündigt, kennen das Trainerteam von Schalke, verfolgen die gleiche Philosophie wie Magath. Nicht verwunderlich, dass Sie als neuer Trainer der bisher wenig erfolgreichen zweiten Mannschaft von Schalke gehandelt werden. Was ist an dem Gerücht dran? Auch Essen gilt als mögliches Ziel.

Boris: Fakt ist, dass ich auf Schalke ein Praktikum machen durfte, welches bis letzte Woche angehalten hat. Fakt ist, dass ich ab dem Januar eine Mannschaft aus der Regionalliga West betreue...

SPOX: Schalke II spielt wie Essen in der Regionalliga West.

Boris: Mein zukünftiger Verein wird zeitnah eine Mitteilung herausgeben. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

SPOX: Sie machen keinen Hehl daraus, dass Sie als Trainer durchstarten wollen. Ist Ihr Ehrgeiz womöglich eine Art Kompensation für Ihre durchwachsene Karriere als Torwart?

Boris: Das wäre eine Erklärung. Ich habe immerhin in der damals drittklassigen Regionalliga gespielt, aber wegen einer chronischen Schleimbeutel-Entzündung am linken Ellenbogen war Fußball auf höherem Niveau nicht mehr möglich. Dennoch waren das Ehrgeizige und das Verbissene schon immer in mir drin. Früher habe ich es auf der Torlinie ausgelebt, jetzt eben an der Seitenlinie.

SPOX: Finden Sie sich mit Ihrer Fußball-Leidenschaft auch in Magath wieder?

Boris: Beim Praktikum unter ihm habe ich Eindrücke gesammelt, die mich in meiner Art bestärken. Ich brenne jeden Tag. Wenn man sich aus welchem Grund auch immer ein F-Jugendspiel anschauen muss, mache ich das. Wenn andere Trainer neue Methoden entwickeln, schaue ich mir das an und versuche, das Beste herauszuziehen. Ich lebe Fußball und lebe es den Spielern damit vor.

SPOX: Wie ist das Verhältnis zu Magath?

Boris: Vielleicht kam durch das bisherige Interview ein falscher Eindruck auf. Im Grunde kommuniziere ich sehr wenig mit Herrn Magath. Er fragt wie der gesamte Trainerstab immer nach, wie Windeck am Wochenende gespielt hat. Es ist aber nicht so, als ob ich mit ihm dauernd plaudere. Wenn ich von ihm gefragt wurde, habe ich geantwortet. Ansonsten war ich darauf bedacht, meinen Mund zu halten.

Michael Boris im Steckbrief