Tim Hoogland: Als Klopp zum Stalker wurde

Von Interview: Haruka Gruber
Tim Hoogland (M.) hat bisher 22 Bundesliga- und 63 Zweitliga-Spiele bestritten
© Getty

Er ist Kapitän, Mittelfeld-Star und Thomas Tuchels Versuchskaninchen: Tim Hoogland personifiziert Überraschungsaufsteiger FSV Mainz 05. Er spielt derart überzeugend, dass er als Kandiadat für Bundestrainer Joachim Löw gelten muss. Immerhin ist die rechte Seite des DFB-Teams eine Schwachstelle, vor allem defensiv. Der 24-Jährige vor dem Wiedersehen mit Ex-Trainer Jürgen Klopp in Dortmund (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) über Tuchels "Streich" und Anruf-Terror auf den Malediven.

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SPOX: Letzte Woche haben Sie mit Thomas Tuchel eine Mainzer Schule besucht, bei der Ihr Trainer den Schülern von seinen Streichen erzählt haben soll. Was hat Tuchel alles so verbrochen?

Tim Hoogland: Von richtigen Schülerstreichen war leider nicht die Rede (lacht). Er hat eher darüber gesprochen, welche Erfahrungen er generell in der Schule gemacht hat und wie wichtig die Ausbildung ist.

SPOX: Immerhin hat Tuchel Ihnen einen Streich gespielt - oder Ihnen musste es so vorgekommen sein - als er Ihnen vor der Saison offenbarte, zukünftig im offensiven rechten Mittelfeld eingesetzt zu werden. Dabei kamen Sie früher auch als Verteidiger zum Einsatz.

Hoogland: Ich habe etwas überrascht reagiert, obwohl ich in der Jugend sogar Stürmer war. Aber Thomas Tuchel hat von Beginn an keinen Zweifel daran gelassen, dass er es ernst meint. Nichtsdestotrotz war es für mich genauso ungewohnt wie für Florian Heller, der plötzlich als Rechtsverteidiger aufläuft. Aber der Zeitpunkt für den Positionswechsel hat gepasst, weil nach Jörn Andersens Entlassung bei jedem die Bereitschaft vorhanden war, neue, mutige Dinge auszuprobieren.

SPOX: Aber mussten Sie nicht dennoch zu Ihrem Glück überredet werden? Tuchel hat scherzhaft gesagt: "Tim soll nicht jammern, er kann das."

Hoogland: Der Trainer hat mit uns geredet und uns die positiven Dinge erläutert, die vor allem bei mir besser zur Geltung kommen könnten. Wie eben mein Offensivverhalten. Erst hatte ich noch Anlaufschwierigkeiten und kannte die Laufwege nicht. Mittlerweile sieht aber jeder, was für ein glückliches Händchen der Trainer hatte.

SPOX: Für Tuchel sind Sie nicht nur das bevorzugte Taktik-Versuchskaninchen, sondern auch seine rechte Hand. Kam es überraschend, mit 24 Jahren zum Kapitän berufen zu werden?

Hoogland: Wegen meines Alters war ich in der Tat etwas erstaunt. Andererseits wusste ich um die Wertschätzung, nachdem ich die zwei Jahre zuvor Stammspieler war und mich in die Rolle des Führungsspielers reingearbeitet habe. Es war der nächste Schritt in meiner Entwicklung - und die Kapitänsbinde verleiht mir seit Saisonbeginn einen zusätzlichen Push.

SPOX: Thomas Tuchel wird gefeiert. Als Motivator, Taktik-Experte und gewiefter Stratege. Die Kehrseite ist jedoch, dass die Lobeshymnen ein schlechtes Licht auf Vorgänger Andersen werfen. Ist der Unterschied zwischen beiden Trainern so gravierend?

Hoogland: Es ist richtig, dass vorher vielleicht die frische Brise gefehlt hat. Als Thomas Tuchel erstmals in die Kabine kam und sich vorgestellt hat, war klar, dass es zwischen Trainer und Mannschaft sportlich und zwischenmenschlich passt. Davon abgesehen möchte ich nicht mehr über Jörn Andersen reden, das wäre schlechter Stil.

SPOX: Dennoch eine Nachfrage: Unter Andersen gewann Mainz die Spiele mehr durch die individuelle Überlegenheit in der 2. Liga. Kurz vor dem Bundesliga-Saisonstart übernahm Tuchel, und plötzlich spielte die Mannschaft einen komplett anderen Fußball. Wie war das möglich?

Hoogland: Der Fußball unter Tuchel ähnelt dem unter Jürgen Klopp. Nur so war die Umstellung reibungslos möglich. Es entspricht dem Charakter der Spieler und des Vereins, den Gegner stark unter Druck zu setzen. So wie schon im ersten Bundesliga-Jahr 2004.

SPOX: Sie wurden von Klopp nach Mainz gelotst. Haben Sie eine besondere Beziehung?

Hoogland: Wenn ich ihn sehe, freue ich mich sehr. Sonst haben wir jedoch keinen Kontakt.

SPOX: Aber die Geschichte stimmt, wonach er Sie 2007 bis zu fünfmal am Tag auf den Malediven angerufen hat, um Sie vom Wechsel vom FC Schalke zu überzeugen?

Hoogland: So war es wirklich. Er hat sich sehr viel Mühe gegeben und ich war sehr beeindruckt von seiner Hartnäckigkeit. Ich bin ungemein froh, dass alles so gekommen ist.

SPOX: Vor einigen Wochen sagte Klopp: "Tim muss man im Auge behalten. Der Junge wird mal ein ganz Großer." Klopp ist Trainer in Dortmund und Sie im Sommer ablösefrei zu haben. Da könnte man auf Gedanken kommen...

Hoogland: Mein Berater schaut natürlich, welche Angebote und Anrufe reinkommen, aber er belastet mich nicht mit solchen Dingen. Ich soll mich auf den Fußball konzentrieren. Es ist vereinbart, dass Mainz der erste Ansprechpartner ist und dass wir in der Winterpause weiterverhandeln. Dass sich die Öffentlichkeit Gedanken um meine Zukunft macht, kann ich verstehen, aber mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

SPOX: Wie wäre es mit Schalke? Rafinha steht womöglich zum Verkauf - und Ex-Manager Andreas Müller sagte bereits bei Ihrem Weggang, dass es "absolut möglich" ist, dass Sie zu Ihrem ersten Profiklub zurückkehren.

Hoogland: Wer in der Region aufgewachsen ist und als kleiner Junge immer im Stadion auf Schalke war, wird die Verbindung zum Verein nie verlieren. Gerade jetzt habe ich aber wenig Kontakt zu Schalke, wenn überhaupt zu wenigen Spielern wie Halil Altintop. Ansonsten lebt die Familie noch dort, aber das war es schon.

SPOX: Insgesamt laufen beim FSV nach dieser Saison 15 Verträge aus. Ist es ein Fluch oder ein Segen?

Hoogland: Ich sehe es positiv. Jeder will sich anbieten, ist besonders motiviert. Natürlich wird es bitter für die Spieler, die gehen müssen, andererseits habe ich auch gehört, dass der Verein bei mehreren auslaufenden Verträgen noch eine Option besitzt.

SPOX: Nichtsdestotrotz erwarten viele einen Absturz des FSV.

Hoogland: Warum eigentlich? Durch die Rückkehr der Verletzten erhöht sich der Konkurrenzkampf, was nur förderlich sein kann. Der Kader hat ein sehr hohes Potenzial und fast jeder Spieler kann eins zu eins ersetzt werden. Und sogar mit all den Ausfällen haben wir schon zum Saisonstart gezeigt, dass wir gegen jeden konkurrenzfähig sind.

SPOX: Was FSV-Präsident Harald Strutz offenbar derart freut, dass er bereits höhere Ziele formuliert. Man solle nicht nach unten schauen und mittelfristig sei sogar die Europa League machbar.

Hoogland: Falsche Bescheidenheit ist unangebracht. Dennoch sollten wir froh sein, wenn wir im ersten Jahr nach dem Aufstieg den Klassenerhalt schaffen, wovon ich jetzt schon stark ausgehe. Alles andere muss man von Saison zu Saison sehen. Wir sind in einer guten Position, aber wir sollten die Kirche im Dorf lassen.

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