Was Lahm nicht sagte...

Von Oliver Kucharski
Philipp Lahm will sein Manifest demnächst auch live an der Bavaria vor Publikum vortragen
© Getty

Lahm beruft sich auf Artikel 5 GG, Matthäus übt sich im Grundrechnen, Franz tadelt Robben und Kuranyi steht auf Dzeko: die Alternative Liste des 12. Spieltags.

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Zwei lumpige Interviews haben es geschafft, einen ganzen Bundesliga-Spieltag beinahe komplett zu überschatten: Erst druckte die SZ das Lahm'sche Manifest, dann konterte die FAS und ließ Lothar Matthäus unplugged auf die Menschheit los. Um doch noch etwas Aufmerksamkeit zu erhaschen, musste sich die Liga also gehörig ins Zeug legen...

1. Philosophie, Grundkurs: "Alles Scheiße", so lautet die simple-Kern-These des Philipp-Lahm-Interviews vom Samstag, und dieses Interview wird Philipp Lahm laut Uli Hoeneß noch bedauern, denn Philipp Lahm hat mit diesem Interview in wirklich un!ver!zeih!lich!er! Weise gegen die vereinsinternen Regeln, den Ehrenkodex und überhaupt alle guten Sitten verstoßen, und daher wurde Philipp Lahm nun umgehend zur höchsten Geldstrafe verdonnert, die es je gegeben hat - und so amüsant und unterhaltsam das auch alles sein mag: Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht. Chapeau, Philipp Lahm!

2. Philosophie, Leistungskurs: Viel richtiger wäre es ja, zum Beispiel Franz Beckenbauer mit einer saftigen Strafe zu belegen. Denn der fühlte sich genötigt, kurz mal klarzustellen, dass der FCB sehr wohl eine Philosophie habe, und die geht so: "Erfolgreich Fußball spielen, wenn möglich die Spiele gewinnen und letztendlich Meister zu werden. Das ist eine Philosophie, die die großen Vereine haben. Und deswegen hat sie der FC Bayern auch." SOLCHE Aussagen sind vereinsschädigend! Denn, lieber Franz Beckenbauer: Was Sie hier beschreiben ist das, was passiert, wenn man bereits eine Philosophie hat. Es ist aber nicht die Philosophie selbst. Es ist vielmehr das Ergebnis einer Philosophie. Verstehen Sie?

3. Kleines Einmaleins: Noch runder war das Interview mit Lothar Matthäus: Deutschland müsse sich schämen, sagte der Leitwolf, und tatsächlich: Deutschland schämt sich, sehr sogar, denn wieder einmal musste Deutschland die ungefilterte Sicht der Dinge des Lothar Matthäus lesen, und da kann Deutschland gar nicht anders, als sich fremd zu schämen, doch leider traut sich Deutschland nicht, das seinem Idol endlich auch mal klipp und klar ins Gesicht zu sagen, drum legen wir die unbequeme Wahrheit jetzt einfach Philipp Lahm in den Mund, denn der hat kein Problem mit unbequemen Wahrheiten, der spricht die einfach aus, und die unbequeme Wahrheit in Sachen Lothar Matthäus ist: "Matthäus ist doof. Da fehlt es nicht an Philosophie. Da fehlt es an allem. Am kleinen Einmaleins. Das ist das Problem." Danke, Philipp Lahm!

4. Lob: Philipp Lahm ist also uneingeschränkt zu preisen für seine Aussagen und überhaupt fürs bloße Philipp-Lahm-Sein, und der einzige, der das noch erkannt hat, ist Felix Magath. Der antwortete nämlich auf die Frage, wie er auf das Interview reagiert hätte: "Mich hat's gefreut. Von mir hätte er ein Lob bekommen." Von uns auch, Felix Magath, von uns auch...

5. Unten vs. Oben, I: Auch mal kurz beschwert hat sich Maik Franz. Denn T.A.f.k.a.d.A. kotzt das alles an in Frankfurt: "Das muss jetzt mal aufhören. Wir gewinnen immer gegen die Kleinen, verlieren aber jedes Mal gegen die Mannschaften von oben." Doch das, Maik Franz, hättest Du Dir überlegen sollen, bevor Du bei der Eintracht unterschrieben hast. Philipp Lahm erklärt Dir das mal kurz: "Auch Du, Maik Franz, bist sicherlich der Hellsten keiner. So wisse: Die Philosophie der Eintracht war und ist Platz elf. Gewöhn' Dich dran oder geh' daran zugrunde."

6. Glückwünsche: Und wo wir gerade bei Unsympathen sind: Jens Lehmann wird am Dienstag 40 (Glückwünsche gern schon heute unten in den Kommentaren, das soll ja Unglück bringen), und zu diesem Anlass hat er am Wochenende also eine kleine PK einberufen. Einstiegssatz: "Es sind noch vier Tage bis zu meinem Geburtstag. Da kann viel passieren: Es sind zwei Flüge, mindestens vier Mal Autobahn - und heutzutage weiß man ja nie. Ich hoffe, dass ich meinen Geburtstag erlebe." Und wo wir das so lesen: Wartet mit Euren Glückwünschen für den sonderbaren alten Mann vielleicht doch lieber bis morgen...

7. Ausrasten, I: Gratulieren wollen wir dafür Gladbachs Marco Reus. Denn der wollte sich ja eigentlich schon auswechseln lassen, biss dann aber auf die Zähne, machte ein Riesen-Spiel, - und legte sich dann auch noch ganz frech mit Jens Lehmann an. Und überlebte!! Maik Franz: "Also ich wär' da ausgerastet und hätte dem Reus ordentlich eine gezimmert. Keine Ahnung, was den Jens da geritten hat. Er wird wohl doch langsam alt. Apropos: Er hat doch morgen Geburtstag, oder?? Herzlichen Glückwunsch, Jens!"

8. Preisverleihung, I: Für einen Glückwunsch reicht es bei Kevin Kuranyi zwar nicht, wohl aber für einen kleinen Gruß, denn der Assist beim Tor von Daniel van Buyten war gar nicht so leicht, wie er zunächst aussah. Für den Kuranyi der Woche reicht das dennoch nicht, der geht ja ganz klar an Luca Toni für sein halbzeitliches Verschwinden aus dem Stadion. Und hätte Luca Toni noch die S-Bahn und nicht den eigenen Wagen genommen, wir hätten sogar noch den Lehmann der Woche in Gold mit drauf gepackt. Aber auch so: ein schöner Erfolg!

9. Preisverleihung, II: Eine Wahl, die Kuranyi jedoch nicht ganz nachvollziehen kann. "Keine Frage, Lucas Aktion war stark, im Grunde aber nur ein lascher Abklatsch von mir. Ich habe an diesem Wochenende eher Edin Dzeko vorn gesehen. Wie der den Ball da in der Schlussphase allein vor dem Tor noch verstolpert hat: Ffapeau!!" Und ja, okay, überzeugt: Der Kuranyi der Herzen geht hiermit an: Edin Dzeko. Glückwunsch.

10. Ausrasten, II: Schämen sollte sich dagegen Arjen Robben. Nicht für den Bodycheck gegen Lukas Schmitz, sowas kann man mal machen, das ist okay und aus Sicht des Holländers auch völlig verständlich, denn schließlich kann jedes kleine Foul an Arjen Robben das letzte sein, und dann heißt es wieder acht Wochen Reha, und sowas kann auf Dauer schon an die Nieren gehen, drum, wie gesagt: nichts gegen den Bodycheck - sich aber direkt im Anschluss erneut leidend an den Knöchel zu fassen, theatralisch zu Boden zu sinken und so zu hoffen, vor lauter Gejammer damit vielleicht doch der fälligen Roten Karte zu entgehen: das ziemt sich für ein Idol wie Arjen Robben beim besten Willen nicht. "Arjen Robben ist ein guter Spieler. Aber das mit dem Ausrasten, das sollte er lieber Jens Lehmann oder mir überlassen." Genau so ist es, Maik Franz!

11. Unten vs. Oben, II: Wobei das alles die puren Luxusprobleme sind. Viel schlimmer als in München oder Frankfurt ist die Lage ja in Bochum und Berlin. Denn ähnlich wie die Frankfurter gewinnen auch die Bochumer und Berliner nie gegen die Mannschaften von oben, und daher stehen sie ganz unten, und zwar so weit unten, dass es aus Bochumer und Berliner Sicht überhaupt gar kein unten mehr gibt, gegen das man noch gewinnen könnte. Für Bochum und Berlin ist jeder Gegner: oben. Und daher wird das immer so weiter gehen mit dem Verlieren. Das ist ein einziger fieser Teufelskreis. Den womöglich einzig ein Idol wie Lothar Matthäus durchbrechen könnte. "Ich traue mir das zu, ja. Ich würde auch beide Klubs gleichzeitig trainieren. Das wäre sehr reizvoll. Aber ich werde mich niemals öffentlich ins Gespräch bringen. Das ist nicht meine Art. Aber sollte Interesse bestehen: Ich bin gesprächsbereit. Einfach anrufen. Tag und Nacht. Ich bin da." Also los, Bundesliga, jetzt trau Dich halt endlich!

Der 12. Spieltag im Überblick