Zur Stärkung der bayerischen Identität

Von Andreas Lehner
Andreas Ottl (r.) kam 1996 als Elfjähriger zum FC Bayern München
© Getty

Gegen Juventus Turin stand Andreas Ottl überraschend in der Startelf und verdrängte Anatolij Tymoschtschuk auf die Bank. Bald ist Mark van Bommel wieder da, der Ukrainer dann außen vor und Ottl die Nummer zwei. Die Personalie unterstreicht einmal mehr Louis van Gaals Weg beim FC Bayern München.

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Anatolij Tymoschtschuk hätte wohl nicht gedacht, dass sich dieser Satz so schnell zum Bumerang entwickeln könnte. "Ich bin nicht der Stellvertreter von Mark van Bommel. Beim FC Bayern ist man auf jeder Position austauschbar", sagte der Ukrainer nach seinem ersten Spiel auf der Sechserposition gegen Werder Bremen.

Van Bommel hatte sich am ersten Spieltag in Hoffenheim einen Zehenbruch zugezogen, Tymoschtschuks Zeit schien gekommen. Auch wenn Trainer Louis van Gaal seinen Landsmann van Bommel zum Kapitän gemacht hatte und der bei van Gaal immer spielt, galt der 11-Millionen-Neuzugang von Zenit St. Petersburg vielen Experten als bessere Besetzung für die zentrale Position vor der Abwehr.

Tymoschtschuk in Hamburg degradiert

Am Dienstag hat van Bommel das Mannschaftstraining wieder aufgenommen, seine Rückkehr ist in den nächsten Wochen zu erwarten. Seinen Platz wird er dann aber nicht von Tymoschtschuk zurückerhalten, sondern von Andreas Ottl.

Das Bayern-Eigengewächs stand gegen Juventus Turin und den 1. FC Köln in der Startelf und überließ Tymoschtschuk nur die Rolle des Zuschauers. Der Ukrainer hatte sieben Spiele bekommen, um van Gaal von seinen Qualitäten zu überzeugen. Er scheiterte. Seine Auswechslung in Hamburg schien ein normaler Vorgang zu sein, in Wahrheit war es eine Degradierung.

Das Spiel eines Unternehmens-Finanzberaters

Van Gaal schätzt an Ottl dessen Zuverlässigkeit. Die Stärken des 24-Jährigen sind sein Stellungsspiel und seine hohe Passsicherheit. Dinge, die van Gaal über alles stellt. Bis zum Umfallen lässt er in seinen Einheiten flache, harte, präzise Pässe üben. Unaufhörlich betont er, dass er vor allem den Kopf und nicht die Beine trainiert. Soll heißen: das Gespür für den Raum ist wichtiger, als die intensive Laufarbeit eines - wie man in Bayern sagen würde - Wadlbeißers.

Die Art und Weise von Ottls Spiel wirkt oft bieder. Es passt daher ganz gut, dass Ottl auf die Frage nach seinem Berufswunsch außer Fußballer Unternehmens-Finanzberater angibt.

Das Risiko ist nicht sein innerster Antrieb. Er schätzt den Quer- und Rückpass mehr als den Pass in die Tiefe. Und genau damit hat er seinen Trainer für sich gewonnen. Van Gaal hasst unkontrollierte Bälle in die Spitze und die daraus resultierenden Ballverluste. Er will Kontrolle, Ballbesitz und Geduld.

Außerdem hat er im 4-3-3 vier oder fünf offensive Spieler auf dem Feld, die für die Aktionen Richtung Tor verantwortlich sind. Der Sechser soll absichern und das Spiel verlagern. Dass die Bayern seit 274 Minuten ohne Tor sind, ist nicht seine Schuld.

Van Gaal stellt nicht nach Namen auf

Ottl ist ein weiteres Beispiel, dass van Gaal nicht nach Namen und Summen aufstellt und gerne auf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zurückgreift.

"Der Trainer hat mir schon nach dem Pokalspiel gegen Oberhausen und auch in Haifa gesagt, ich hätte gut gespielt und gut trainiert. Und meinte, dass ich an der Tür klopfe", erklärt Ottl. Er hat geduldig auf seine Chance gewartet und sich mit soliden Leistungen im Training empfohlen. Eine Möglichkeit, die van Gaal allen Spieler anbietet.

Im Einklang mit der Philosophie des Klubs

Dass der Wechsel von Tymoschtschuk auf Ottl in der Öffentlichkeit und im Umfeld für viel Aufsehen sorgte, wirkt auf van Gaal befremdlich.

"Was ihn wundert, ist die Diskussion um Ottl anstelle von Tymoschtschuk. Er honoriert, dass es sich um ein Eigengewächs handelt, das gut spielt und wenige Ballverluste hat", sagte Edmund Stoiber, der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats des FC Bayern, der "Bild" nachdem er sich beim Wiesnbesuch der Mannschaft am Sonntag lange mit dem General unterhalten hatte.

Van Gaal versucht die Identität des Klubs mit selbst ausgebildeten Spielern zu stärken. Das hat er bei all seinen Stationen bisher so gemacht und läuft auch im Einklang mit der Philosophie des Klubs.

Im Widerspruch zur Philosophie des Klubs

Allerdings steht die aktuelle Personalpolitik mit Millionen-Einkäufen wie Mario Gomez und Tymoschtschuk auf der Bank im Widerspruch zu der Philosophie des Klubs, wo es nach einem Credo von Uli Hoeneß heißt, dass Geld eben doch Tore schießt und die besseren Spieler und nicht Systeme ein Spiel entscheiden.

Allerdings betonte van Gaal schon zu Beginn der Saison, dass diese Einkäufe nicht auf seine Initiative hin getätigt worden seien.

Die Folge ist eine kuriose Situation auf der Sechserposition. Nachdem Ex-Trainer Jürgen Klinsmann nicht mehr mit van Bommel plante, wollte er Tymoschtschuk. Aus dem geplanten Nachfolger ist ein Bankdrücker geworden, der nach van Bommels Rückkehr nicht mal mehr sein Stellvertreter ist.

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