Bayern: Bloß keine Panik

Von Thomas Gaber
Kein Durchkommen: Bayern rannte vergeblich gegen die Kölner Mauer an
© Getty

Nach dem starken Auftritt gegen Juventus Turin hinterließ der FC Bayern München beim 0:0 gegen den 1. FC Köln einen schwachen Eindruck. Punkte und Konstanz fehlen, die Parallelen zur letzten Saison sind verblüffend. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied.

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Auf den zwei Videowänden in der Münchner Arena tut sich selten etwas. Bewegtbilder gibt es eigentlich nur vor Spielen von Bayern und Löwen, wenn glorreiche Erfolge rausgekramt werden oder die Spieler sich vor Weihnachten bei den Fans mit hinterlegtem Jingle-Bells-Sound für die tolle Unterstützung bedanken.

In der Halbzeitpause des Spiels der Bayern gegen den 1. FC Köln entdeckte eine Kamera aber zwei "Fans", die wenig Interesse am Geschehen auf dem Rasen zeigten. Die zwei jungen Männer hatten offensichtlich zu tief in die Maßkrüge auf dem Oktoberfest geschaut und schliefen den Schlaf der Gerechten. Der eine lag mit dem Kopf im Schoß des anderen.

Stadionsprecher Stefan Lehmann forderte die übrigen 68.998 Zuschauer auf, die beiden doch bitte in Ruhe zu lassen, damit sie ihren Rausch ausschlafen könnten.

Bayerns 0:0 gegen Köln in der SPOX-Analyse

Schweinsteiger: "Es ist zum Kotzen"

Viel verpasst haben sie jedenfalls nicht. Genau genommen: gar nichts. Das Spiel des FC Bayern gegen extrem defensive Kölner war in der zweiten Halbzeit noch unansehnlicher und ideenloser als in den ersten 45 Minuten. Torchancen gab es nur zufällig, vernünftige Kombinationen oder verwertbare Flanken hatten Seltenheitswert.

"Wir haben keine guten Pässe gespielt, die Flanken waren nicht gut und die Laufwege haben nicht gestimmt. Wenn der Ball dann mal reinkam, war niemand da", sagte Mario Gomez. Der deprimierte Bastian Schweinsteiger fand alles nur noch "zum Kotzen" und Andreas Ottl verstand sogar die Pfiffe der Fans. "Nach so einem Spiel dürfen sie ihren Unmut äußern", so Ottl.

Drei Tage nach der der starken Leistung gegen Juventus Turin haben es die Bayern versäumt, in einem Heimspiel gegen einen nur bedingt bundesligatauglichen Gegner drei Punkte einzufahren, "die uns vielleicht am Ende fehlen werden", wie Ottl feststellte.

Grenzenloses Vertrauen in van Gaal

Drei Spiele in Folge hat die Mannschaft von Trainer Louis van Gaal kein Tor geschossen - ein statistischer Wert, der in der Geschichte des Vereins bislang höchst selten vorkam. Acht Punkte beträgt der Rückstand auf die Tabellenspitze bereits und dennoch bleibt es in München beschaulich ruhig. "Es kann nicht alles richtig sein, wenn man nur drei von acht Spielen gewinnt. Aber wir arbeiten hart und sind davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Die Saison ist noch lang, aber wir sollten unsere Spiele auch mal wieder gewinnen", sagte Miroslav Klose.

Das Vertrauen in van Gaal sei grenzenlos, betonte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge in den letzten Wochen immer wieder. Bisweilen eckt der Coach mit seinem autoritären Führungsstil aber ein wenig an. Er gibt zu, dass es nicht jedermanns Sache sei, wenn er unangenehme Dinge ins Gesicht gesagt bekommt. Doch sein Ansehen ist hoch, seine Fachkompetenz über jeden Zweifel erhaben und auch die Fans beweisen Geduld.

Das war vor einem Jahr noch ganz anders. Am 4. Oktober 2008 verspielten die Bayern gegen den VfL Bochum in den letzten fünf Minuten einen 3:1-Vorsprung, als es darum ging, nach einem holprigen Start mit einem guten Gefühl in die anstehende Länderspielpause zu gehen. Jürgen Klinsmann wurde von Fans und Medien scharf attackiert. Der FC Bayern glich einem Pulverfass. Neun von 21 möglichen Punkten holte Klinsmann bis zum 7. Spieltag.

Van Gaal macht sich angreifbar

Van Gaals Bilanz ist mit zwölf von 24 möglichen Zählern nicht viel besser. Doch der Niederländer hat noch ausreichend Kredit. Bei den Anhängern, den Spielern und den Entscheidungsträgern. Man glaubt van Gaal, wenn er sagt, dass sich die Mannschaft in einem Entwicklungsprozess befinde, der noch sehr lange dauern könnte.

Er hat der Mannschaft ein Gesicht gegeben, so wie es Sportdirektor Christian Nerlinger vor der Saison gefordert hatte. Die Bayern treten dominanter auf als in der letzten Saison, das Angriffsspiel ist durchdachter und die Abwehr steht trotz des Ausfalls von Martin Demichelis deutlich sicherer. Junge Spieler wie Holger Badstuber oder Thomas Müller dürfen regelmäßig ran und zahlen das Vertrauen mit Leistung zurück.

Doch auch van Gaal ist letztlich von Ergebnissen abhängig. Und er macht sich angreifbar, wenn er Luca Toni beharrlich zu den Amateuren schickt und Mario Gomez, den teuersten Mann der Vereinsgeschichte, trotz der besten Tor-Quote aller Bayern-Stürmer nicht mehr aufstellt. Seine Wunschspieler Edson Braafheid und Danijel Pranjic sind bislang keine Verstärkungen.

Gomez: System spielt keine Rolle

Gegen Köln haderte van Gaal mit fehlendem Glück. "Wir sind nicht zufrieden. Die Spieler haben hart gearbeitet, aber es ist sehr schwierig, gegen nur verteidigende Kölner zu spielen. Das sind zehn Spieler wie eine Mauer. Da braucht man auch ein bisschen Glück. Wir haben das Glück nicht erzwungen, aber das muss man immer machen", so van Gaal, der zugeben musste, "auf der Bank diesmal keine Lösung gefunden zu haben."

Van Gaal stellte in der Halbzeit von 4-3-3 auf 4-4-2 mit Gomez als zweiter Spitze um. Doch die Bayern wurden eher noch harmloser. "Es ist völlig egal, in welchem System wir spielen. Wir haben auch mit zwei zentralen Stürmern keine Chancen herausgespielt", sagte Gomez. Gefährlich wurde es für die Kölner nur bei Standardsituationen. Bastian Schweinsteiger traf zwei Mal nach ruhenden Bällen die Latte.

Bevor es für die meisten Spieler auf Länderspielreise geht, steht am Sonntag der obligatorische Oktoberfest-Besuch an. Und auf der Wiesn ist schlechte Laune verboten. Auch dann, wen man seit 274 Minuten kein Tor geschossen hat.

Bayern - Köln: Daten zum Spiel