Die rote Gefahr für den BVB

Von Daniel Börlein
Die Heimspielstätte des FC Liverpool steht an der Anfield Road
© Imago

Drei ehemalige Nachwuchsspieler von Borussia Dortmund wechselten in den vergangenen drei Jahren zum FC Liverpool - beileibe kein Zufall. Die Gründe liegen in einer englischen Regelung, der Jugendarbeit des BVB und einer Dortmunder Nachlässigkeit. Nun ziehen die Borussen die Konsequenz.

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Einen Busfahrplan hat Stephen Sama derzeit immer mit dabei. Wann die Linien 17, 26 und 217 abfahren, wird der 16-Jährige allerdings schnell verinnerlicht haben. Alle drei nämlich bringen Sama zur Liverpooler Anfield Road.

Dorthin also, wo der ortsansässige Football Club seine Spiele austrägt und dorthin, wo Sama künftig regelmäßig anzutreffen sein wird. Denn: Der Deutsch-Kameruner ist seit diesem Sommer ein Mitglied der Reds-Familie.

Drei Spieler in den letzten drei Jahren

Ende Juli unterzeichnete Sama einen Dreijahresvertrag in Liverpool und wechselte aus Borussia Dortmunds Jugendabteilung an den Mersey-River. Der Innenverteidiger ist damit bereits der dritte ehemalige BVB-Nachwuchsspieler, den die Reds auf die Insel locken. In den letzten drei Jahren!

2005 hatte sich der 18-malige englische Meister erstmals in ein Dortmunder Talent verguckt. Der damals erst 15-jährige Marvin Pourie hatte das Interesse der Liverpool-Scouts geweckt, erste lose Kontakte wurden geknüpft. Ein Jahr später wechselte der Angreifer dann an die Anfield Road, nachdem sich die Borussia bereits Monate zuvor von Pourie getrennt hatte.

Buchtmann aus Kader geworfen

Ein gutes Jahr später schlugen die Reds ein zweites Mal in Dortmund zu. Der Auserwählte dieses Mal: Der 16-jährige Christopher Buchtmann. Schnell war sich der Mittelfeldspieler mit den Engländern einig und unterschrieb für drei Jahre.

Beim BVB zog man postwendend die Konsequenzen und warf Buchtmann aus dem Kader. Die Begründung des damaligen U-17-Trainers Peter Wazinski: "Wir bilden keine Akteure für andere Vereine aus."

Starke Jugendarbeit beim BVB

Pourie und Buchtmann - mit Sama folgt nun das dritte Dortmunder Talent in drei Jahren den Lockrufen aus Liverpool. Alles Zufall? "Sicher nicht", sagt Sama im Gespräch mit SPOX. "Es zeigt, dass in Dortmund in der Vergangenheit gute Jugendarbeit geleistet wurde."

Die Ergebnisse bestätigen Samas Aussage. Aktuell liegt Dortmunds U 19 in der Bundesliga West souverän an der Spitze, im letzten Jahr holte man den deutschen Vize-Meistertitel, ebenso wie drei der letzten vier U-17-Teams des BVB.

Tendenz: Scouting im Ausland

Kein Wunder also, dass Liverpool bei Dortmunds Nachwuchs ganz genau hinschaut. Zumal es auf der Insel eine Regelung gibt, wonach Profi-Klubs innerhalb Englands nur in einem Umkreis von 50 Kilometern scouten dürfen.

So konzentrieren sich viele Klubs mittlerweile auf den ausländischen Markt, haben ein engmaschiges Scouting-Netzwerk aufgebaut und treten aggressiv an die Nachwuchsspieler und deren Eltern heran, sobald ein Talent den Ansprüchen zu genügen scheint.

Fall Sama: Kein Angebot vom BVB

Im Fall von Sama war das allerdings gar nicht nötig. "Leider hatte ich bis Anfang Juli kein Vertragsangebot vom BVB vorliegen", erzählt Sama. Und das, obwohl der Abwehrhüne in der vergangenen Saison 24 von 26 Spielen absolvierte.

"Es wäre auch reizvoll gewesen, in Dortmund in der U 19 zu spielen", sagt Sama. Nur weil von der Borussia niemand auf ihn zukam, habe er sich mit der Offerte der Reds beschäftigt.

"Als dann das Interesse der Engländer bekannt wurde, setzte man mich massiv unter Druck. BVB-Jugendleiter Peter Wazinskis hat versucht, mich gegen meine Berater auszuspielen, um mich zum Bleiben zu bewegen", so Sama, der sich allerdings längst für die Reds entschieden hatte.

In Liverpool hat sich der 16-Jährige - entgegen Wazinski Prognosen - nun schnell akklimatisiert und kam bislang bei allen drei Saisonspielen zum Einsatz.

BVB und Bayern ziehen Konsequenzen

In Dortmund zieht man jetzt die Konsequenz aus dem neuerlichen Abgang eines Nachwuchsspielers in Richtung Liverpool. Bei der Einführung der Nachwuchsleistungszentren im Jahr 2000 vereinbarten die deutschen Klubs, sich gegenseitig keine Talente abzuwerben.

Zusammen mit dem FC Bayern teilte der BVB der DFL nun schriftlich mit, dass man diese Vereinbarung in Zukunft nicht mehr vorbehaltlos mittragen werde.

"Uns geht es darum, bei der DFL die Sinne zu schärfen und nach neuen Lösungen zu suchen. Denn sinnvoll ist diese Absprache nicht, wenn unsere Talente nicht innerhalb der Liga wechseln, sondern ins Ausland", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.

Gut möglich, dass sich der BVB künftig in den Leistungszentren von Bochum, Duisburg oder Gladbach umschaut. Genauso gut ist aber auch möglich, dass Dortmunds Talente dann nicht nach Liverpool gehen, sondern zum FC Bayern. Um die rote Gefahr kommt der BVB also wohl so oder so nicht herum.

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