Der Meister wird jetzt auch noch cool

Von SPOX
Zvjedzan Misimovic (l.) erzielte das erste Tor der Bundesliga-Saison 2009/10
© Getty

Mit beeindruckenden Leistungen hielt sich der VfL Wolfsburg in der letzten Saison den FC Bayern München vom Leib und wurde zum ersten Mal deutscher Meister. In der neuen Saison macht der VfL genau so weiter. Das 2:0 gegen Stuttgart war beeindruckend gut, das 3:1 in Köln mit beängstigend cool. Wolfsburg gewinnt seine Spiele mittlerweile auch auf nüchterne Art. Und das Selbstvertrauen ist grenzenlos.

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In der Kölner Glückseligkeit ging die kleine Szene beinahe unter. Fabrice Ehret hatte gerade einen unerhörten Fehler von Wolfsburg Alexander Madlung zur Führung für die Gastgeber genutzt, da schritt Torhüter Diego Benaglio auf den schockierten Madlung zu.

In der ersten Halbzeit waren die beiden schon einmal aneinander geraten, als Madlungs Schlafmützigkeit dem FC eine dicke Chance ermöglicht hatte. Benaglio zürnte erbost, Madlung schluckte.

Aber nun: Kein Geschrei, kein Vorwurf, und schon gar kein Streit. Benaglio nahm den Kollegen in den Arm und raunte ihm in aller Ruhe ein paar Worte zu. Während die FC-Fans die Kölner Führung feierten, als hätten die Geißböcke gerade die deutsche Meisterschaft geholt.

Saison voller Neuerungen

Der VfL Wolfsburg schwebt in eine Saison voller aufregender Neuerungen. Er schwebt. Dabei hatten viele Experten dem deutschen Meister einen holprigen Start und die schwerste Spielzeit der Vereinsgeschichte prophezeit.

Mit Armin Veh ist ein neuer Trainer da, als Meister ist der VfL jetzt immer und überall der Gejagte. Gefahrenpotenzial ist genügend vorhanden. Dazu kommt ab September die Dreifachbelastung mit der Teilnahme an der völlig unbekannten Champions League.

Nicht jeder Titelträger konnte damit in der Vergangenheit umgehen, gefallene Engel gab es immer wieder. Zuletzt der VfB Stuttgart, Vehs Ex-Klub. Nur jetzt ist Wolfsburg Tabellenführer.

Rückstand in Köln - na und?!

180 Bundesligaminuten sind natürlich nicht repräsentativ, aber eine erste Duftmarke konnten die Wölfe dennoch schon setzen.

Während etwa die Bayern vor der Saison schon von einem Stotterstart der eigenen Mannschaft warnten, sich ungewohnt demütig gaben und, noch viel schlimmer: auch einen eben solchen hinlegen, spult der VfL sein Pensum ab. Nüchtern, sachlich und unaufgeregt.

Mit beeindruckend kühler Routine drückte Wolfsburg in den ersten beiden Partien sein Spiel durch. Die Mannschaft wurde zu keinem Zeitpunkt hektisch. Nicht im Heimspiel gegen einen lange Zeit sehr starken VfB Stuttgart und schon gar nicht beim Rückstand in Köln.

"Der Ausgleichstreffer war für uns natürlich wichtig. Dann wussten wir, dass wir noch mal zulegen können. Letztlich haben wir noch zwei Treffer gemacht und verdient gewonnen", bestätigte Torschütze Edin Dzeko die neue Selbstsicherheit. Und Marcel Schäfer sagt: "Egal welcher Spielstand - wir bleiben immer ruhig."

Misimovic lobt Martins

Wolfsburg ist sich seiner Stärke bewusst. Die Meister-Mannschaft ist zusammengeblieben und punktuell verstärkt worden. Das Team wirkt sehr homogen, auch im Vergleich mit den anderen Spitzenmannschaften der Liga. "Wir sind eingespielt. Das ist unser großes Plus. Zudem haben wir uns gezielt verstärkt", sagte Zvjedzan Misimovic.

Dazu gehört Obafemi Martins. Der Nigerianer traf in Köln nach seiner Einwechslung zum 3:1. "Mit ihm sind wir noch schwerer auszurechnen. Genau so einen schnellen und wendigen Typen haben wir gebraucht", so Misimovic.

Martins, von Newcastle nach Niedersachsen gekommen, schätzt an der Bundesliga, dass dort mehr Fußball gespielt wird als in England. Der VfL zählte bereits in der letzten Saison zu den spielstärksten Mannschaften und erzielte 80 Tore.

Veh setzt auf Weiterentwicklung

Der neue Trainer Armin Veh, ein Verfechter des attraktiven Offensivfußballs, setzt auch in diesem Bereich auf eine Weiterentwicklung und trifft damit den Nerv seiner Spieler. "Bei Magath haben wir uns zurückgezogen und mit langen Bällen auf Konter gespielt. Jetzt kombinieren wir mehr. Klar liegt uns das", sagt Misimovic.

Zudem ist die Mannschaft ihren Gegnern physisch überlegen. Stuttgart und Köln waren nach 70 Minuten platt, der VfL konnte noch zulegen. Magath hat die Spieler auf ein körperlich höheres Niveau gebracht. Davon profitiert jetzt auch Veh.

Der Coach hat die schwierigste aller Aufgaben übernommen. National kann Wolfsburg mit seinem Status als Meister nur verlieren. Zudem war Magath die Überfigur in Wolfsburg. Aber Veh strahlt trotz des langen Schattens seines Vorgängers schon eine erstaunliche Souveränität und Autorität aus.

Er hat aus seiner Zeit in Stuttgart offenbar gelernt. Das Team zeigte bisher keine Starallüren oder Arroganz. Ein Makel, den die VfB-Meistermannschaft damals eine Zeit lang mit sich herumschleifte.

Veh: Sind nicht weit weg von den Bayern

SKY-Experte Ottmar Hitzfeld hält Wolfsburg für stark genug, den Titel erfolgreich zu verteidigen: "Sie haben ihre Qualität schon in der vergangenen Saison eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Sie haben Offensiv-Potenzial, sind in der Defensive stabiler geworden und haben gute Nerven."

Selbst Veh, eher ein Vertreter der leisen Töne, lässt sich aus der Reserve locken: "Die Bayern bleiben natürlich der Top-Favorit auf den Meistertitel. Aber sie sind nicht mehr so weit weg, wie sie es früher waren."

VfL Wolfsburg: Kader, Ergebnisse, Termine