"Hoffenheim ist einzigartig"

Von Interview: Haruka Gruber
Josip Simunic in Zahlen: 231 Bundesliga-Spiele, 3 Tore, 8 Vorlagen
© Getty

Sein nicht gegebenes Kopfball-Tor beim 1:1 gegen die Bayern war der Aufreger des Spieltags. "Wir hatten das Pech, dass es der Linienrichter nicht gesehen hat. Aber im Laufe der Saison wird sich das hoffentlich ausgleichen", sagt Josip Simunic. Ansonsten verlief sein Bundesliga-Debüt für 1899 Hoffenheim jedoch vielversprechend. Als neuer Abwehr-Chef verlieh er der 1899-Defensive Stabilität. Der kroatische Nationalspieler (31) über das Bayern-Spiel, Hoffenheims Ambitionen und die "Gier nach Geld".
 
 

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SPOX: Hoffenheim spielte auf Augenhöhe mit dem großen Titelfavoriten FC Bayern. Heißt das im Umkehrschluss, dass Hoffenheim selbst ein Meisterkandidat ist?

Josip Simunic: Wir sind schon weit, selbst eine Niederlage zum Auftakt hätte uns nicht aus der Bahn geworfen. Für eine Prognose ist es nach dem ersten Spieltag dennoch zu früh. Erst nach acht oder neun Spieltagen zeichnet sich eine erste Tendenz ab. Aber klar ist: Wir haben viele junge Spieler, die noch gar nicht wissen, wie gut sie sind.

SPOX: Es hieß, Sie hätten im Sommer mit einem Wechsel zum FC Bayern oder einem anderen großen Verein geliebäugelt, um in der Champions League zu spielen. Warum haben Sie in Hoffenheim unterschrieben?

Simunic: Ich hatte in meiner Karriere schon einige Angebote europäischer Spitzenklubs, doch das Richtige war nie dabei. Ich muss von einem Wechsel zu 100 Prozent überzeugt sein - und diese Sicherheit gab mir Ralf Rangnick.

SPOX: Wie?

Simunic: Wir haben uns einige Male getroffen und sehr gute Gespräche geführt. Ralf Rangnick hat mir die Philosophie des Vereins erklärt und aufgezeigt, dass die Leistungen der vergangenen Saison kein Zufall waren. Der Klub wird weiter wachsen - und ich möchte meinen Teil dazu beitragen.

SPOX: Sie selbst sagten, dass Sie nach Hoffenheim gegangen sind, um sich als Fußballer "weiterzuentwickeln". Ein Zitat, das man eher von einem Jugendspieler und nicht von einem 31-Jährigen erwartet.

Simunic: Genauso, wie Hoffenheims Entwicklung nicht abgeschlossen ist, habe auch ich Potenzial, das noch nicht abgerufen wurde. Die Mannschaft besitzt eine solch hohe Qualität, dass auch ein 31-Jähriger davon enorm profitieren kann..

SPOX: Laut Rangnick hätten Sie unter anderem erlernen müssen, "wie wir die Viererkette spielen". Was meint er damit? Oder provokant formuliert: Ist es nicht immer gleich, in einer Viererkette zu spielen?

Simunic: Überhaupt nicht. Die Ausrichtung der Viererketten von Hoffenheim und Berlin sind sehr unterschiedlich. Hoffenheim spielt schneller. Das heißt, dass die Abwehrspieler zügiger nach vorne schieben müssen, um den Abstand zum Mittelfeld nicht zu groß werden zu lassen. In Berlin war die Ausrichtung eine andere.

SPOX: Sind sich Rangnick und Berlins Trainer Lucien Favre ansonsten ähnlich? Beide gelten als Prototypen des modernen Trainers.

Simunic: Die Arbeitsweisen der beiden Trainer lassen sich nur schwer miteinander vergleichen. Jeder Trainer hat eben sein eigenes Konzept und seine Auffassung von Fußball. Ich möchte nicht mehr über meinen Ex-Trainer und meinen Ex-Verein sprechen.

SPOX: Sie lebten fast ein Jahrzehnt in der größten Stadt Deutschlands und zogen nun in den kleinsten Bundesliga-Standort der Geschichte. Haben Sie den Kulturschock überstanden?

Simunic: In meinem Heimatland Australien bin ich auch in einer Kleinstadt aufgewachsen. Das ist also nichts Neues für mich. Es gefällt mir sehr gut auf dem Land. Man hat seine Ruhe und kann sich auf Fußball konzentrieren.

SPOX: Sie klagen jüngst, dass "in unserer Gesellschaft Anstand und Moral auf der Strecke bleiben und die Gier nach Geld vom Wesentlichen ablenkt". Haben Sie deshalb bewusst den Weg in die Provinz gesucht?

Simunic: Das hat nichts mit der Stadt zu tun, in der ich lebe. Vielmehr ist es meine grundsätzliche persönliche Meinung, die sich im Laufe meiner Karriere aufgrund verschiedenster Erlebnisse gebildet hat. Es gibt sehr viele Profis, die nur des Geldes wegen den Verein wechseln, nicht weil sie international spielen wollen. Dies ist oftmals nur ein Vorwand, um einen Vereinswechsel gegenüber der Öffentlichkeit zu rechtfertigen.

SPOX: Einige gegnerische Fans kritisieren Hoffenheim jedoch dafür, dass der Klub genau das verkörpert, was Sie anprangern. Wie passt das zu Ihren Worten?

Simunic: Die Kritik finde ich nicht in Ordnung. Man muss das Konzept sehen, das hinter 1899 Hoffenheim steht. Im Vordergrund steht nicht der kurzfristige Erfolg, sondern eine langfristige, nachhaltige Entwicklung der Spieler. Das ist etwas Einzigartiges in Deutschland.

Josip Simunic: Von Australien über Berlin in den Kraichgau