Der warme Mantel fängt an zu kratzen

Von Thomas Gaber
Nur zwei Punkte aus drei Spielen: der Saisonstart der Bayern ging in die Hose
© Getty

Uli Hoeneß schweigt, Karl-Heinz Rummenigge schimpft und Louis van Gaal hinterfragt seine eigenen Methoden - beim FC Bayern herrscht nach der Pleite in Mainz schlechte Stimmung. Nun steht dem Rekordmeister eine wichtige Woche bevor, mit vielen Terminen und der Frage: Holt Bayern noch jemanden?

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Der Bayern-Vorstand wollte nur noch weg. Raus aus dem Tollhaus am Bruchweg, weg vom Ort der Schmach. 45 Minuten lang hatte Aufsteiger Mainz 05 den FC Bayern München hergespielt und den knappen Vorsprung in Hälfte zwei mit Geschick, etwas Glück und einem überragenden Torhüter über die Zeit gebracht. Zu viel für die Herren Rummenigge, Hoeneß und Hopfner.

Der Weg führte die Bosse schnurstracks in die Spieler-Kabine. Vieles deutete auf eine Standpauke von oberster Stelle hin. Doch die Chefs schwiegen und lauschten lieber der Analyse des Trainers.

"Der Vorstand hat nicht ein Wort zu den Spielern gesagt. Ich habe mit den Spielern gesprochen und die angemessenen Worte gefunden", sagte Louis van Gaal.

"Erschreckend, indiskutabel, unsäglich"

Eine Art Kontrollbesuch. Rummenigge und Hoeneß wollten wissen, wie der Coach mit der ersten handfesten Krisensituation umgeht. 20 Minuten verbrachte der Vorstand in der Kabine. Manager Hoeneß wollte auch danach nicht reden.

Kein Wort zu den Journalisten. Rummenigge dagegen sprach Klartext: "Zwei Punkte aus drei Spielen - das ist keine befriedigende Situation. Wir sind sehr niedergeschlagen und müssen jetzt schnellstens die Kurve kriegen."

Wenn der Manager schweigt und der Vorstandsvorsitzende wütet, ist Gefahr im Verzug beim FC Bayern. Die Lage ist bedrohlich - und das nach gerade mal drei Spieltagen. Die Kritik nach dem Debakel in Mainz fiel heftig aus. Günter Netzer bezeichnete die Leistung der Bayern in seiner "BamS"-Kolumne als "erschreckend, indiskutabel und unsäglich".

Fehler in der Vorbereitung?

"Wir müssen uns der Kritik stellen. Sie ist nach einem solchen Auftritt gerechtfertigt", sagte Rummenigge. Den Trainer sprach der Boss von Kritik frei. Van Gaal darf in Ruhe weiterarbeiten - eine Trainerdiskussion wäre auch völlig unsinnig. Doch van Gaal wirkt ratlos. Nicht erst seit der Pleite in Mainz.

Der Coach grübelt seit Wochen über das geeignete Spielsystem, rätselt über den Fitnesszustand seiner Stars Franck Ribery und Luca Toni und schloss am Samstag selbst Fehler in der Saison-Vorbereitung nicht aus.

Seine Beziehung zum FC Bayern verglich der Coach in seinen ersten Wochen in München stets mit einem "warmen Mantel", der ihm bestens stehen würde. Doch der Mantel fängt an zu kratzen.

Besorgniserregende Statements

Die Mannschaft setzt auf dem Platz bislang wenig von dem um, was der Trainer fordert. Ein geeigneter Zehner für die Position in der Raute hinter den Spitzen ist noch nicht gefunden, weshalb van Gaal in Mainz auf ein 4-2-3-1 umstellte.

Van Gaal liebt das bayerische Lebensgefühl "mia san mia". Das stimme genau seiner Denk- und Arbeitsweise überein. Seine Spieler haben es noch nicht verinnerlicht. Wenn Philipp Lahm und Mario Gomez im dritten Saisonspiel von einer "falschen Einstellung" sprechen, ist das ein ehrliches, aber besorgniserregendes Statement.

So schlecht wie in diesem Jahr starteten die Bayern zuletzt 1966 in eine Bundesligasaison. Der nächste Gegner heißt VfL Wolfsburg. Van Gaal will in der kommenden Woche "noch härter arbeiten" und erwartet das auch von seinen Spielern.

Schwierige Woche

Der Trainer fordert Zeit ein, seine Pläne umsetzen zu können. Er kritisierte die zerstückelte Vorbereitung mit zu vielen Testspielen, bemängelte die fehlenden Trainingseinheiten und beklagte sich über die vielen Verletzten.

Die wichtige Woche vor dem Wolfsburg-Spiel sieht einen PR-Termin am Montag und ein Testspiel bei Union Berlin am Mittwoch vor. Erneut keine optimale Vorbereitung.

Hinzu kommt der bunte Schlussein- oder -verkauf auf dem Transfermarkt. Van Gaal will keinen mehr wegschicken, obwohl er mehrmals den aufgeblähten Kader monierte. "Wir haben viele junge Spieler, das ist schon okay so. Alle werden eine Chance bekommen", so der Coach.

Braafheid und Co.: Chance nicht genutzt

Nach drei Spieltagen ist es zu früh, die Qualität des Kaders anzuzweifeln. Fest steht aber, dass einige ihre Chance bislang nicht genutzt haben. Danijel Pranjic unterliefen nach einem guten Debüt in Hoffenheim unerklärlich viele Konzentrationsfehler. Edson Braafheid kommt allein schon mit dem Tempo nicht zurecht.

Anatolij Tymoschtschuk ist (noch) kein van-Bommel-Ersatz und Michael Rensing griff im Pokal in Neckarelz und in Mainz daneben. Zwei Tore gehen auf das Konto des Keepers, dem van Gaal erst kurz vor Saisonstart das Vertrauen ausgesprochen hatte.

Das Vertrauen der Bayern-Bosse in ihre Nummer eins ist nicht grenzenlos, sonst hätten sie sich im Juli nicht bereit erklärt, 20 Millionen Euro für Schalke-Torwart Manuel Neuer auszugeben. Geld, das immer noch vorhanden ist.

Rensing "nicht vorzeigbar"

Netzer hält Rensing international für "nicht vorzeigbar". Ein heftiger Vorwurf, aber angesichts Rensings Fehlgriffe nicht gänzlich von der Hand zu weisen.

Offiziell ist nichts geplant. Doch es ist nicht auszuschließen, dass die Bayern in der Torhüterfrage doch noch mal aktiv werden. Zudem haben die Bayern immer noch latent Interesse an Chelseas Rechtsverteidiger Jose Bosingwa.

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