Kampf gegen das Image

Von Andreas Lehner
Bastian Schweinsteiger will das Spiel der Bayern auf dem Platz in die Hand nehmen
© Getty

Für Louis van Gaal ist Bastian Schweinsteiger unantastbar. Der sieht sich von der Öffentlichkeit zu wenig gewürdigt, will aber kein Zehner sein. Der Trainer steht vor einem System-Problem.

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"Nein", sagt Bastian Schweinsteiger und fährt sich mit der rechten Hand durchs Gesicht, "davon habe ich noch nicht gehört." Davon, das ist das große Lob seines Trainers Louis van Gaal, das der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge am Freitag per "Bild" übermittelte. "Schweinsteiger ist für mich ein kompletter Fußballer, ein unantastbarer Führungsspieler", zitierte Rummenigge den Trainer.

Schweinsteiger lümmelt schräg in seinem Stuhl im Presseraum des FC Bayern und grinst. "Das ist schön zu hören, aber davon kann ich mir nichts kaufen. Und das beeinflusst meine Leistung auch nicht", sagt der 25-Jährige.

Schweinsteiger will mehr Verantwortung

Beim FC Bayern gehen sie gerne hart ins Gericht mit ihrem Eigengewächs. Uli Hoeneß wirft ihm von Zeit zu Zeit mangelnde Einstellung, fehlende Entwicklung und Mitläufereigenschaften vor. Die Kritik des Managers weiß Schweinsteiger mittlerweile einzuschätzen und für sich zu nutzen.

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Auch er selbst verlangt von sich den nächsten Schritt. "Mir war vor der Saison klar, dass ich mehr Verantwortung übernehmen muss. Aber es gibt einen Unterschied zwischen dem, was die Leute denken und dem, was der Trainer von mir haben will", sagt Schweinsteiger.

Die Leute wollen Spektakel

Van Gaal hat ihn zum dritten Kapitän ernannt, hinter Mark van Bommel und Philipp Lahm. Der Niederländer mag Schweinsteigers kontrollierte Spielweise, schätzt seine Arbeit fürs Team.

Die Leute mögen Schweinsteigers Pässe in die Tiefe, seine Distanzschüsse und seine Tore. Nur sehen sie für ihren Geschmack zu wenig davon.

"Es ist nicht leicht, jeden zufrieden zu stellen", sagt Schweinsteiger. "Die Leute sehen oft nur das Spektakel, wer hinten den Ball gewinnt, ist heutzutage nicht mehr interessant."

"Zehnerposition ist zu offensiv für mich"

Schweinsteiger sieht sich in der Öffentlichkeit nicht richtig gewürdigt. Der Anspruch der Fans und die Wirklichkeit auf dem Platz bewegen sich nicht auf einer Ebene. Die Leute sehen in ihm einen spektakulären Offensivspieler, einen wie Franck Ribery.

Das kann und will er aber nicht sein. Deswegen ist die Position hinter den Spitzen auch nichts für ihn. "Ich versuche, das Spiel mit klugen Pässen zu leiten. Die Zehnerposition, so wie wir sie in unserem System jetzt haben, ist aber zu offensiv für mich", meint Schweinsteiger.

Ihm liegt viel an der Defensive, er hasst es, wenn der Gegner zu viele Chancen bekommt. Sein Spiel teilt er in 60 Prozent Offensive und 40 Prozent Defensive auf. "Deshalb ist es dort, wo ich jetzt spiele, genau richtig."

Die Raute wackelt

Van Gaal steht damit vor einem Problem. Sein 4-4-2 mit Raute wackelt. Ribery will nicht auf der Zehn spielen und der Trainer ihn nicht zwingen. Schweinsteiger fühlt sich zwar auf der Halbposition in der Raute richtig wohl, kann aber auch nicht den Zehner geben. Van Gaal will das auch nicht, ein Positionstausch ist somit ausgeschlossen.

Den anderen Kandidaten Jose Sosa, Alexander Baumjohann und Thomas Müller fehlt die Qualität, um diese Position den bayerischen Ansprüchen entsprechend auszufüllen.

Vor der Saison sagte van Gaal, er habe nicht das Personal für sein bevorzugtes 4-3-3. Nun wird offenkundig, dass ihm auch die Spieler für das Rautensystem fehlen - besonders ein Spielmacher. Die Fans fordern Rafael van der Vaart und wollen beim Spiel in Mainz für eine Verpflichtung demonstrieren, die Klubführung weigert sich.

Tymoschtschuk will kein Stellvertreter sein

Holen die Bayern keinen Spielmacher mehr, muss van Gaal wohl sein System umstellen. Erste Alternative ist das 4-4-2 mit zwei Sechsern. Ribery wäre glücklich, Schweinsteiger nur bedingt und Hamit Altintop würde wohl aus der Mannschaft fliegen.

Profiteur dieses Systems wäre auch Anatolij Tymoschtschuk, der das Zentrum mit Mark van Bommel besetzen würde. Der Ukrainer spielt im Moment für den verletzten Kapitän auf der Position vor der Abwehr und will diesen Platz nicht freiwillig wieder räumen.

"Es ist schade, dass Mark verletzt ist. Aber ich sehe mich für niemanden als Stellvertreter. Man ist auf jeder Position austauschbar", sagt Tymoschtschuk, der sich aber am liebsten als alleiniger Sechser sieht.

Ein Sieg in Mainz ist Pflicht

Ob er in Mainz diese Rolle noch mal ausfüllen darf, ist offen. Van Gaal schloss einen Systemwechsel nicht aus. Tymoschtschuk sagte nach der nicht öffentlichen Trainingseinheit am Freitag: "In Mainz wird man sehen, welches System gespielt wird."

Egal mit welcher Ausrichtung - für die Münchner ist die Partie am Bruchweg schon sehr wichtig. "Wir müssen das Spiel gewinnen, um den Abstand nicht zu groß werden zu lassen. Sonst müssen wir wieder hinterherlaufen und das kostet Kraft", sagt Schweinsteiger.

Zwei Punkte aus zwei Spielen seien natürlich zu wenig, aber man hätte bei konsequenter Chancenverwertung auch beide Partien gewinnen können.

Die Konkurrenz leitet aus dem Stotterstart einen auch in dieser Saison verletzbaren FC Bayern ab. Felix Magath, Armin Veh und Ralf Rangnick sehen die Münchner nicht mehr so dominant, sondern auf Augenhöhe. "Warten wir mal ab, was am 10. Spieltag ist. Haben wir dann auch noch zwei Punkte, können wir darüber reden", sagt Schweinsteiger.

Van Gaal grübelt: Ribery doch kein Zehner?