Arjen Robben: "Ich will kein Star sein"

Von Haruka Gruber
Arjen Robben: Erst 25 Jahre alt, aber bereits dekoriert mit vier Landesmeisterschaften
© Getty

Er wirkt so unscheinbar - und doch spaltet Arjen Robben die Massen. Für die einen ist er einer der besten Fußballer der Welt, für die anderen ein verletzungsanfälliger Simulant und Lästermaul. Wer ist Bayerns neuer Star?

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Es war einer der seltenen Momente, in denen ein Fußballer einen Blick in sein Seelenleben gestattet und seine Ängste mit der Öffentlichkeit teilt. "Ich habe im Internet einen Artikel darüber gelesen, dass ich als einer von 55 Spielern für die Wahl zu Europas Fußballer des Jahres nominiert wurde. Neben meinem Namen wurde jedoch eine Karikatur eingefügt, in der ich in einem orangenen Trikot auf den Rasen falle", erzählte Arjen Robben.

"Unter der Zeichnung stand, dass ich für den Oscar nominiert wurde. Nicht für den Goldenen Ball, sondern für die Goldene Schwalbe. Karikaturen sollen dich normalerweise zum Lachen bringen, aber als ich es gesehen habe, hat es mir unglaublich wehgetan. Kein Fußballer auf der Welt will so einen Ruf wie ich."

Das Geständnis ist drei Jahre alt und illustriert doch nur das Grundproblem, das sich noch heute einem roten Faden gleich durch Robbens Laufbahn zieht. Der Niederländer ist derart begnadet, dass der FC Bayern für ihn angeblich 25 Millionen Euro Ablöse investiert hat - aber so offenkundig Robbens Fähigkeiten sind, so unstrittig ist für viele Beobachter seine Vorliebe für Theatralik.

Arjen Robben - ein Mann der Superlative

Robben galt lange als Schwalbenkönig. Schlimmer noch: Als verletzungsanfälliger, eigenbrötlerischer Schwalbenkönig mit Hang zum Wehklagen und zur Zänkerei. Und doch strahlt Robben eine solch starke Anziehungskraft aus, dass er trotz seiner 25 Jahre mit Real Madrid, dem FC Chelsea und dem FC Bayern bei drei Vereinen mit Weltruf unter Vertrag stand.

"Robben ist der weltbeste Flügelspieler", sagte Ruud Gullit bereits vor vier Jahren. Martin Jol geht einen Schritt weiter: "In den vergangenen 20 oder 30 Jahren gab es vielleicht zwei oder drei Spieler, die besser waren als Robben." Und sein Ex-Coach bei Chelsea, Jose Mourinho, sagte einst: "Robben ist unglaublich und fantastisch, wenn er fit ist."

Eine Kostprobe gab der Niederländer in Deutschland erst letzte Woche ab, als er im Testspiel bei Borussia Dortmund aus 18 Metern volley in den Winkel traf. Der Schuss hatte "gefühlte 1000 km/h" (offizielle BVB-Homepage).

Hans Robben - ein Mann der Prinzipien

Geboren und aufgewachsen im 11.000-Einwohner-Städtchen Bedum, war Robben unter den besten Talenten der Niederlande eher ein Spätentwickler. Von Ajax, Eindhoven und Feyenoord anfangs wenig beachtet, spielte Robben bis zu seinem 18. Lebensjahr in Bedum sowie beim nur wenige Kilometer entfernten FC Groningen und feilte parallel an seinem Schachspiel. Als Teenager gewann er mehrere Schachturniere.

2002, nach teils herausragenden Leistungen für Groningen, wurden Vereine wie Manchester United und Ajax auf ihn aufmerksam - Robben entschied sich jedoch für Eindhoven.

Seinem Vater und Manager Hans Robben, der auch die Verhandlungen mit dem FC Bayern geführt hat, missfiel beispielsweise an Ajax, dass der Klub Papiere vorgelegt habe, in denen Arjen Robbens Name falsch geschrieben war. Sein Sohn geht nicht zu einem Verein, der ihn nicht mal buchstabieren kann, so Robben senior.

Benimmunterricht von Hiddink

Robben wurde für 4,3 Millionen Euro verpflichtet und etablierte sich auf Anhieb in der PSV-Stammelf. Zusammen mit Mark van Bommel gewann er in der ersten Saison den niederländischen Titel, wenige Wochen darauf kam er erstmals in der Nationalmannschaft zum Einsatz.

Doch schon zum frühen Zeitpunkt seiner Karriere deutete sich an, dass Robben kein leicht zu führender Spieler ist. Sein damaliger Eindhoven-Trainer Guus Hiddink beschrieb ihn zwar als "einen guten, abenteuerlustigen Charakter"  - doch wiederholt musste der Coach sein größtes Talent in sein Büro zitieren, um mit Robben über dessen abfälliges Verhalten gegenüber Schiedsrichtern und Gegnerspielern zu sprechen.

Anfangs wurde Robbens Attitüde als jugendlicher Leichtsinn abgetan - und solange die Leistungen stimmten, blieb er "der Darling des Volkes" (Berliner Zeitung). Bei der EM 2004 verwandelte Robben den entscheidenden Strafstoß im Elfmeterschießen gegen Schweden und führte Oranje ins Halbfinale, nach dem Turnier ging er als die Entdeckung des Turniers für 18 Millionen Euro zum FC Chelsea.

Mourinho: "Get him f***ing off!"

Anfangs ein durchschlagender Erfolg unter Mourinho, entfremdeten sich der Star-Flügelspieler und der Star-Trainer zusehends. Einerseits wegen Robbens angeblich ausgeprägter Fallsucht, die von der englischen Öffentlichkeit als Charakterschwäche und von Mourinho als übertriebene Schauspielerei ausgelegt wurde. Andererseits wegen den zahlreichen Verletzungen, nach Meinung von Mourinho und auch Kapitän John Terry Ausdruck von Robbens Überempfindlichkeit.

Im Januar 2007 eskalierte der Konflikt, als Robben im Spiel beim FC Liverpool nach 20 Minuten ausgewechselt werden wollte. Der Trainer schrie erzürnt auf den Platz: "Get him f***ing off!" Nach der 0:2-Niederlage erläuterte ein resignierter Mourinho: "Keine Ahnung, wie lange Robben ausfällt. Aber bei ihm dauert es normalerweise sehr lange."

Muskelfaserriss beim Aufwärmen

Sechs Monate darauf wurde Robben für 36 Millionen Euro zu Real Madrid transferiert, wo ihn Coach Bernd Schuster als seinen "wichtigsten Neuzugang" bezeichnete. Doch der Kreislauf aus guten Leistungen, etlichen Pausen und vereinzelten Auseinandersetzungen mit dem Trainer setzte sich auch in Spanien fort.

Sinnbildlich der 7. November 2008, als sich Robben beim Aufwärmen vor dem Champions-League-Spiel gegen Juventus einen Muskelfaserriss in der rechten Wade zuzog und für mehrere Wochen ausfiel. Zuvor war er immerhin fünf Monate fit - eine Rarität für Robben, der in sechs Jahren Madrid und London nur 62 Prozent der möglichen Ligapartien bestritt. Alleine in den letzten beiden Saisons laborierte er an neun Verletzungen.

"Deswegen konnte ich mich in Madrid nicht so entwickeln, wie ich erhofft habe", gibt Robben zu - was ihm jedoch nicht daran hinderte, nachträglich den mittlerweile entlassenen Schuster für dessen taktische Ausrichtung zu kritisieren. So wie er in den Jahren zuvor schon die Arbeit von Mourinho oder Oranje-Coach Dick Advocaat anprangerte, weil diese Robben hin und wieder auf die Bank setzten oder ihn falsch aufgestellt hätten.

Robben: "Meine Stärke ist meine Geschwindigkeit und meine Fähigkeiten im Eins-gegen-Eins. Ich bin eine Waffe. Wenn der Trainer mich aber nicht richtig einsetzt, ist die Waffe wirkungslos".

"Ich will kein Star sein"

Immerhin: In Spanien legte er weitgehend den Ruf als Schwalbenkönig ab - nur um ein neues Negativimage aufzubauen. Als eigensinniger Dribbler, dem das eigene Wohl wichtiger ist als Teamwork.

"Was soll ich denn machen? Ich spiele nun mal so, das kann ich nicht ändern. Es nervt, dass nach einem guten Spiel von mir immer der Zusatz 'aber' kommt", machte sich Robben Luft.

Etwas Einsicht blitzte in der letzten Zeit jedoch durch: "Ich folge meiner Intuition und meinem Instinkt. Aber ich werde an mir arbeiten, um der Mannschaft bestmöglich zu helfen. Es ist nicht so, dass ich ein Star sein will."

Robbens Ziel für die kommende Saison

Was für einen Spieler hat der FC Bayern verpflichtet? Arjen Robben - schnell, dribbelstark und gesegnet mit einem der härtesten Schüsse der Welt? Oder Arjen Robben - phlegmatisch, körperlich labil und behaftet mit dem Ruf eines schwierig zu führenden Egozockers?

"Damit man den echten Arjen Robben sieht, muss ich 100-prozentig fit sein. Dann habe ich meinen Rhythmus und bin am besten. Mein Ziel ist es, eine komplette Saison verletzungsfrei zu überstehen", sagt Robben.

Einer seiner ungeliebten Spitznamen ist "Man of Glass" - der Mann aus Glas, weil er so zerbrechlich wirkt ob der zahlreichen Blessuren. Die Bayern bräuchten in der jetzigen Situation aber einen "Man of Steel". Einen Mann aus Stahl.

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