Die verrückte Diva

Von Thomas Gaber
Juan Arango (M.) will mit Venezuela zur WM 2010 nach Südafrika
© Imago

Der Wechsel von Juan Arango von RCD Mallorca zu Borussia Mönchengladbach ist perfekt. Am Montag unterschrieb der 29-jährige Venezolaner einen Dreijahresvertrag und absolvierte sein erstes Training mit den neuen Kollegen. Wer ist dieser Mann, dessen Leben vor ein paar Jahren am seidenen Faden hing, und wie konnte Gladbach dieser Coup gelingen? SPOX fragte in Spanien nach.

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Im Hause Arango hat normalerweise die Tochter das Sagen. "Sie ist ein Sonnenschein. Ich lese ihr jeden Wunsch von den Augen ab", beteuert Juan Arango, der neue Vier-Millionen-Mann von Borussia Mönchengladbach.

Als es darum ging, Arangos Wahlheimat Mallorca möglicherweise zu verlassen, hatte Töchterchen Jau-ryns plötzlich nichts mehr zu sagen.

"Sie war natürlich traurig, als ich ihr klargemacht habe, dass wir nach Deutschland gehen. Schließlich muss sie ihre ganzen Freundinnen zurücklassen. Aber sie wird sich schon anfreunden mit der neuen Umgebung", sagte Arango der venezolanischen Zeitung "El Universal". Arangos Frau Laurys sucht noch nach einer geeigneten Schule für den Stolz der Familie, Juan nach einem Haus.

"Erst wenn wir alle Dinge organisiert haben, kommen meine Tochter und mein kleiner Sohn nach Deutschland", sagte der offensive Mittelfeldspieler, der in Gladbach viel erreichen will: "Ich möchte die Fans mit der Art und Weise, wie ich spiele, verzaubern und ihnen viele Siege schenken. Ich möchte mich aber auch persönlich entwickeln. Deshalb habe ich den Schritt nach Deutschland gewagt."

Angebot von Celtic Glasgow

Fünf Jahre spielte der Kapitän der Nationalmannschaft Venezuelas für Mallorca, wurde Spielführer und erzielte in 183 Pflichtspielen 46 Tore. Sein Ansehen in der Primera Division war hoch und mit 29 ist er im besten Fußballeralter. Warum wechselt dieser Mann, der auch ein Angebot von Celtic Glasgow hatte, ausgerechnet nach Deutschland zu einem Verein, der in der letzten Saison fast aus der Bundesliga abestiegen wäre?

Ricardo Moar, Sportdirektor von Deportivo La Coruna, verrät im Gespräch mit SPOX: "Er kam sich verarscht vor in Mallorca. Der Verein hat ihm über Jahre viel versprochen und nichts gehalten. Sie haben ihm gesagt, dass er mehr Geld bekommt. Ein neuer Präsident kam und tat so, als wüsste er davon nichts. Beim nächsten Mal haben sie ihm gesagt, dass die Mannschaft verstärkt wird. Es ist nichts passiert. Im Gegenteil: Mallorca hat Spieler abgegeben, weil man Geld brauchte. Irgendwann hatte Arango die Schnauze voll - zurecht."

Moar bestätigt, dass auch viele spanische Vereine hinter Arango her waren. "Auch ich habe mit Mallorca verhandelt. Aber sie wollten immer zu viel Geld. Die drei, vier Millionen Euro, die Gladbach jetzt für ihn gezahlt hat, sind für 80 Prozent der spanischen Vereine nicht zu bezahlen", so der ehemalige Sportdirektor von Hannover 96.

Arango fühlt sich geehrt

Allerdings habe das Interesse an Arango in Spanien abgenommen, weil er, so Moar, "in ein Loch gefallen ist und sich nur langsam wieder nach oben gekämpft hat."

Arango fühlte sich vom Interesse der Borussia geehrt und von der Hartnäckigkeit, mit der der Verein die Verhandlungen mit Mallorca führte.

"Von der Borussia haben sich alle sehr um mich bemüht. Der Verein hat Tradition und tolle Strukturen. Gladbach ist top organisiert und international eine Marke. Max Eberl hat mir bei den Vertragsgesprächen klar gesagt, dass er eine neue Ära einleiten will. Ich will meinen Teil dazu beitragen und weiß, dass das nur über harte Arbeit und Fleiß geht", so Arango.

Moar: Arango ist launisch

Genau darin liegt laut Moar Arangos Problem: "Er hat große Qualitäten. Aber er ist eine launische Diva. Wenn er einen schlechten Tag hat, geht gar nichts. Man muss der Borussia zu diesem Transfer gratulieren, aber sie müssen ihn glücklich machen. Nicht nur durch das Gehalt. Wenn er sich nicht wohlfühlt, verliert er schnell die Lust."

Arango kann im linken oder zentralen offensiven Mittelfeld spielen, hat eine gute Technik und eine, so Moar, "überragende Übersicht".

Gladbachs Trainer Michael Frontzeck hat ihm eine Schlüsselrolle zugedacht: "Wir haben nach einem starken Linksfuß gesucht. Juan passt genau ins Konzept. Wir haben zwei Kreativspieler verloren und in Raul Bobadilla und Arango einen jungen und einen gestandenen Mann geholt. Juan war fünf Jahre Stammspieler in Spanien. Da dürfen wir auch ein bisschen stolz sein, so einen Spieler zu Borussia geholt zu haben."

Berühmt für verrückte Tore

Arango, der in Gladbach seine Lieblingsnummer 18 bekommen hat, soll die Abgänge von Marko Marin (zu Werder Bremen) und Alexander Baumjohann (zu Bayern München) kompensieren und für mehr Torgefahr aus dem Mittelfeld sorgen. Von den Mallorca-Fans wurde er für seine unkonventionellen Tore vergöttert.

"Er ist zwar nicht der schnellste, aber er kann scharfe Flanken schlagen und vor allem: Er schießt Tore aus den unmöglichsten Winkeln und Entfernungen. Da wirst du verrückt. Der hält von überall drauf", schwärmt Moar.

Die Herzen der Gladbacher Fans hat Arango gleich an seinem ersten Arbeitstag erobert. Mehr als 1.000 Fans bejubelten seinen Einstand. "Ich bin ein bisschen müde. Der Tag war anstrengend nach der langen Reise aus Venezuela. Aber die Leute hier sind fantastisch. Beim Training von Mallorca waren immer nur zehn Leute und die haben pausenlos gemeckert", sagt Arango.

Karriere hing am seidenen Faden

Der Star aus Venezuela will die letzten Jahre seiner Karriere einfach genießen.

Am 20. März 2005 hing seine Laufbahn und sogar sein Leben am seidenen Faden. Nach einem brutalen Ellbogencheck von Sevillas Javi Navarro war Arango bewusstlos zusammengebrochen und drohte zu ersticken. Er blutete aus Nase und Mund, die Atmung setzte aus, sein Körper zitterte vor Krämpfen.

Die erfolgreichen Erste-Hilfe-Maßnahmen der Ärzte retteten ihm das Leben. Arango kann sich an den Vorfall nicht mehr erinnern. Er ist einfach nur dankbar, dass er weiter Fußball spielen darf. "Das ist das einzige, was ich richtig gut kann", sagte er.

Die Gladbacher Fans können sich davon vielleicht schon am kommenden Donnerstag überzeugen, wenn Mönchengladbach ein Freundschaftsspiel in Wegberg absolviert. Frontzeck will ihn spielen lassen, zumindest für ein paar Minuten.

Juan Arango: seine Karriere im Steckbrief