Die Schattenseite der Euphorie

Von Haruka Gruber
Schalkes neuer Trainer Felix Magath: "Wir wollen ins internationale Geschäft"
© Getty

Testspiel-Pleiten, Verletzungsprobleme und kein Geld für Transfers: Schalkes neuer Trainer Felix Magath hat einen schweren Start. Dennoch spricht er vom Europapokal und weckt große Hoffnungen. Eine riskante Strategie.

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Keine Panik. Bloß keine Panik. Bitte. Bitte. Bitte.

Der FC Schalke 04 bestreitet eine schwache Vorbereitung, verlor die letzten drei Testspiele in Serie und ist finanziell derart klamm, dass Verstärkungen nur schwer realisierbar sind - doch Felix Magath spricht unverdrossen vom Europapokal.

Zuletzt am Sonntag bei der offiziellen Saisoneröffnung, als der neue Trainer/Manager/Vorstandsmitglied vor über 100.000 Besuchern auf Schalke sagte: "Wir wollen wieder nach oben. Wir wollen ins internationale Geschäft."

In den letzten Jahren beim FC Bayern und in Wolfsburg entwickelte Magath ein feines Gespür für Stimmungen. Wenn er direkt mit den Schalker Fans kommuniziert, strotzt er vor Selbstvertrauen. Die Mannschaft sei fit und bereit für die kommende Saison. "Ich werde versuchen, mit kühlem Kopf zu arbeiten, damit wir hier in den nächsten Jahren auch einmal die Meisterschale hochhalten können", sagt er mit der Überzeugungskraft eines dreifachen deutschen Meisters.

Schwache Testspiele - und Magaths Erklärung

Magath weiß um das teils fantastische, teils fanatische Schalker Publikum und versucht zu beruhigen, wo es nur geht. Keine Panik. Bloß keine Panik. Wir schaffen schon den Europapokal. Bei keinem Bundesliga-Klub überträgt sich die Stimmung von den Rängen derart unmittelbar auf die Atmosphäre in der Geschäftsstelle und der Kabine wie auf Schalke.

Dementsprechend behutsam analysiert Magath die dargebotenen Leistungen in der Vorbereitung.

Schalke verlor zuletzt beim Zweitligisten Union Berlin (1:2) sowie die beiden Heimspiele im Rahmen des T-Home-Cups gegen Stuttgart (0:1) und die Bayern (1:2). Gegen Enschede spielte Königsblau 0:0, den einzigen Erfolg gegen einen hochklassigen Gegner gab es gegen Rapid Wien (2:1).

Eine schwache Bilanz, die Magath mit seinem hohen Trainingsaufwand erklärt. "Das ist mir in meiner Laufbahn schon öfter passiert. Denn wir haben in den vergangenen Wochen sehr intensiv gearbeitet. Deshalb fehlt es noch an der Spritzigkeit", beschwichtigt er.

Mittelfeld das größte Sorgenkind

Dabei fehlt nicht nur die Spritzigkeit. Es fehlt an Qualität und Routine und es fehlt an Geld für dringend benötigte Transfers, vor allem für das Mittelfeld. Denn nach der Verletzung von Jermaine Jones klafft dort ein Loch.

Heiko Westermann etwa muss zum Saisonbeginn als Sechser aushelfen. Er ist ähnlich dynamisch und zweikampfstark wie Jones, doch der Nationalspieler bevorzugt die Innenverteidigung - was seinem Talent auch eher entspricht. Beim T-Home-Cup war er im defensiven Mittelfeld taktisch überfordert.

Die Rolle davor als Zehner ist wohl an Rakitic vergeben, der trotz seiner 21 Jahre zu den Routinieres im Schalke-Mittelfeld zählt und sich überraschend schnell von seinem Außenbandriss im Knöchel erholte. Halblinks scheint der 18-jährige Lewis Holtby, der einzige Topzugang des Sommer, fest eingeplant - auch wenn Magath sagt: "Er ist umtriebig und spielfreudig, aber teilweise auch überfordert. Das reicht noch nicht, um Bundesliga-Spitze zu sein."

Für halbrechts konkurrieren nach der Quasi-Ausmusterung von Albert Streit und Carlos Grossmüller mit Jan Moravek (19 Jahre), Danny Latza (19), Levan Kenia (18) sowie dem bislang von Magaths Training überforderten Vasilios Pliatsikas (21) vier Spieler unter 22 Jahren mit begrenzter Erfahrung und überschaubaren Meriten.

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Kuranyi und Co. vom Mittelfeld abhängig

Angesichts des bubenhaften und unbedarften Mittelfelds stellte Magath bei Union Berlin sogar Westermann und Innenverteidiger Benedikt Höwedes gemeinsam als Doppel-Sechser auf. Ein Akt der Verzweiflung oder nur ein missglücktes Experiment? Auf jeden Fall meinte Magath vielsagend: "Vielleicht hätte eine andere taktische Formation stabiler gestanden."

Für Magath wird es die größte Herausforderung sein, im Mittelfeld die richtige Balance zu finden. Eine Aufgabe, an der zuvor Fred Rutten und Mirko Slomka gescheitert sind. Denn der Schalker Sturm ist ohne die zündende Idee aus dem Mittelfeld schlicht zu ungefährlich.

Jefferson Farfan, Halil Altintop und Kevin Kuranyi bewegen sich allesamt auf einem ähnlichen Niveau und bewerben sich um die beiden Positionen im Sturm. Wäre nur einer von ihnen in der Lage, selbst Chancen zu kreieren, hätte er einen Stammplatz sicher.

Die Krux mit Pander

"Wir sind einfach nicht zwingend genug nach vorn, wie wir das schon aus der letzten Saison kennen", kritisiert Magath.

Und selbst in der Abwehr, dem Prunkstück der Schalker, gibt es ein Fragezeichen. Auf Kosten Westermanns sind Höwedes und Marcelo Bordon zentral gesetzt, ebenso Rafinha hinten rechts.

Wegen des eingeschränkten finanziellen Spielraums fehlt jedoch eine hochklassige Alternative zum verletzungsanfälligen und derzeit wieder einmal pausierenden Christian Pander. Lewan Kobiaschwili ist als Linksverteidiger nur eine Notlösung, ebenso der umfunktionierte Moravek.

Magaths Vabanque-Spiel

Magath suchte mit Schalke bewusst eine Herausforderung. Anders als in Wolfsburg sind ihm wirtschaftlich die Hände gebunden, doch ihn reizt der Gedanke, den "hinter Bayern größten Verein Deutschlands zu trainieren".

Mit dem Anspruch, gleich in der ersten Saison in den Europapokal zu ziehen, erweckte er Schalke wieder zum Leben oder wie Präsident Josef Schnusenberg sagt: "Die Enttäuschung der vergangenen Saison ist einer riesigen Euphorie gewichen."

Eine Euphorie, die in einem solch nervösen Umfeld wie Schalke jedoch schnell ins Negative umschlagen kann, sollte der Bundesliga-Start misslingen.

"Wir sind in einem Umbruch. Es wird noch eine Zeit dauern, vielleicht sogar bis zur Rückrunde im neuen Jahr, bis wir richtig eingespielt sein werden", gibt Magath zu bedenken. Insofern ist das Schalker Motto: Keine Panik. Bloß keine Panik. Bitte. Bitte. Bitte.

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