HSV: Revolution an der Basis

Von SPOX
Der Kompetenzstreit im Vorstand des Hamburger SV bedroht den Verein auch an der Basis
© Getty

Vorstandsvorsitzender Bernd Hoffmann gegen Sportchef Dietmar Beiersdorfer: Dem Hamburger SV droht eine Zerreißprobe, die weit über ein Kompetenzgerangel im Vorstand hinausgeht. Die Vorwürfe gegen Boss Hoffmann sind massiv. Der Unterbau will ihm angeblich die Gefolgschaft verweigern.

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Die Konkurrenz verhandelt mit möglichen Zugängen, beim Hamburger SV pokert man um die eigene Zukunft: Auch nach einem rund dreistündigen Krisengipfel am Montagabend ist der Machtkampf zwischen dem Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann und Sportchef Dietmar Beiersdorfer nicht ausgestanden und geht in die Verlängerung. Am Ende könnte sogar der Rücktritt eines der beiden Kontrahenten stehen.

Durch den hausgemachten Zoff liegt in Hamburg derzeit nicht nur die komplette Kaderplanung lahm, was bei aktuell nur 14 Erstliga-erprobten Feldspielern im Kader dramatisch genug ist. Doch der Streit entpuppt sich immer mehr als Grabenkampf auch an der Basis.

Angeblich wollen etliche Mitarbeiter der sportlichen Abteilung, unter anderem aus der Nachwuchsarbeit und dem Scouting, Hoffmann die Gefolgschaft verweigern, sollte Beiersdorfer gehen müssen. Damit steht der HSV vor einer Zerreißprobe, die weit über ein Kompetenzgerangel im Vorstand hinausgeht.

Kein Burgfrieden beim HSV

Auch der vierköpfige Personalausschuss des Aufsichtsrats mit Chefkontrolleur Horst Becker an der Spitze konnte die verhärteten Fronten vorerst nicht aufweichen. Ein Burgfrieden schien vor der für Dienstagabend angesetzten zweiten Sitzung in weite Ferne gerückt.

"Für die Außendarstellung des Vereins ist das alles natürlich nicht gut. Wir müssen schnell zu einer Lösung finden", sagte Becker und kündigte Resultate für Dienstagabend oder Mittwoch an.

Kontrahenten schweigen

Als "offen und sehr emotional" bewertete der Aufsichtsratsboss, der von Beiersdorfer als Schlichter des Disputs mit ins Boot geholt worden war, den Verlauf der ersten Unterhaltung. Zu den genauen Inhalten der Gespräche wollte sich Becker ebenso wie zu den Rücktrittsspekulationen allerdings nicht äußern: "Das möchte ich nicht kommentieren."

Folglich wird im Umfeld des Klubs derzeit vor allen zwischen den Zeilen gelesen - zumal Beiersdorfer und Hoffmann selbst schweigen. Dafür verließen die beiden Streithähne die erste Krisensitzung in einem gemeinsamen Wagen. Der Vorstandschef am Steuer, Beiersdorfer daneben. Ob die "Fahrgemeinschaft" allerdings ein Zeichen für eine erste Annäherung darstellt, scheint fraglich.

Ein Streit mit Geschichte

Dass der zurückhaltende Beiersdorfer und der eher offensiv veranlagte Hoffmann in ihrem Charakter unterschiedlicher kaum sein könnten, ist ebenso bekannt wie die Tatsache, dass die beiden Vorstandsmitglieder schon in der Vergangenheit nicht in allen Personalentscheidungen auf einer Wellenlänge lagen.

Beiersdorfers Vorstoß in Richtung Aufsichtsrat verdeutlichte jedoch, dass sich die Gräben weiter vertieft haben. Es geht um unterschiedliche Auffassungen über die Kompetenzbereiche, die Mitarbeiterführung, die Nachwuchs- und Scouting-Abteilung, mögliche Transfers und die Aufarbeitung der vergangenen Saison.

Die vermeintlichen Streitpunkte im Überblick:

Kompetenzen in der Kaderplanung: Hoffmann kritisiert die Transferpolitik von Beiersdorfer und fordert selbst Kompetenzen in der Kaderplanung. Laut der "Hamburger Morgenpost" traf sich Hoffmann sogar mit dem neuen Trainer Bruno Labbadia, um Personalentscheidungen für die neue Saison zu besprechen - hinter dem Rücken von Beiersdorfer, der eigentlich für den Kader verantwortlich ist. Der allerdings war mit Co-Trainer Eddy Sözer in Albanien, um dort Lorik Cana zu beobachten.

Umgang mit der sportlichen Abteilung: Laut eines Berichts im "Spiegel" missfällt Beiersdorfer vor allem der Ton, in dem sich Hoffmann gegenüber den Mitarbeitern der sportlichen Abteilungen äußert. Laut Satzung ist Beiersdorfer auch für den Nachwuchsbereich und die Scouting-Abteilung alleinverantwortlich. In einer internen E-Mail vom 11. Juni soll Hoffmann die Arbeit eben dieses HSV-Unterbaus als "enttäuschend" bezeichnet haben. Die Scouting-Abteilung nannte er, laut "Bild", eine "Geldvernichtungsmaschine".

Kompetenzen im "Unterbau": Hoffmann soll zudem gefordert haben, dass die Abteilungsleiter der Nachwuchs- und Scouting-Abteilung seinem persönlichen Assistenten Stephan Hildebrandt berichten. Beiersdorfer blieb einem entsprechenden Termin aus Protest fern. Wie der "Spiegel" und die "Mopo" berichten, stehen die sportlichen Abteilungen hinter dem Sportchef. Sollte Beiersdorfer gehen, wollen etliche Mitarbeiter Hoffmann angeblich die Gefolgschaft verweigern. Damit droht dem HSV eine grundsätzliche Zerreißprobe auch an der Basis, die weit über ein Kompetenzgerangel im Vorstand hinausgeht.

Bewertung der abgelaufenen Saison: Hoffmann wird nicht müde, die mangelnde Leidenschaft der Mannschaft in der Schlussphase der abgelaufenen Saison zu betonen. Laut "Bild" soll er sich zudem nach dem Pokal-Aus gegen Werder im VIP-Bereich abfällig über Mannschaft und Trainer geäußert haben.

Entlassung von Thomas Doll: Hoffmann wollte Doll schon im Herbst 2006 entlassen. Beiersdorfer hielt am Trainer fest. Im Februar 2007 musste Doll dann doch gehen.

Trainersuche: Schon im Sommer des letzten Jahres konnten sich Hoffmann und Beiersdorfer nicht auf einen Nachfolger von Huub Stevens einigen. Hoffmann wollte Jürgen Klopp, Beiersdorfer Fred Rutten. Der Kompromiss hieß Martin Jol.

Hamburger SV: Kader, Termine, Ergebnisse