Ein Wechsel, viele Fragen

Von Stefan Rommel
Triste Zukunft? Felix Magaths Wechsel nach Schalke stellt Wolfsburg vor große Probleme
© Getty

Felix Magaths Weggang zum FC Schalke nach der Saison stellt den VfL Wolfsburg vor eine ganze Reihe schwerwiegender Probleme. Aber auch Schalke sollte sich der Risiken bewusst sein. Die SPOX-Meinung zur Transfer-Überraschung.

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Es ist noch gar nicht so lange her, da kam es im "DSF-Doppelpass" zu wahrlich mystischen Szenen. Die Sonntagsrunde machte passend zum Schlagerspiel des VfL Wolfsburg gegen Bayern München Station in der VW-Zentrale in Wolfsburg.

Am Tag nach dem sensationellen 5:1 über den Rekordmeister war selbstredend Felix Magath zu Gast. Schon der Einmarsch des Trainer-Manager-Geschäftsführers wurde zelebriert wie die Ankunft des Heilands, in der Folge wurde nahezu jeder Satz Magaths mit tosendem Beifall, Füßetrampeln und Standing Ovations befeuert. Manch einer mag sogar eine Träne verdrückt haben.

Transplantation am lebenden Objekt

Vier Wochen später kann man dann beim Liga-"Konkurrenten" Schalke 04 folgende dürre Nachricht auf der Homepage lesen: "Der Aufsichtsrat des FC Schalke 04 hat einstimmig beschlossen, dass Felix Magath neuer Cheftrainer und Manager in Personalunion und zugleich auch Vorstandsmitglied des FC Schalke 04 wird. Der 55-Jährige erhält einen Vier-Jahres-Vertrag ohne jede Einschränkungen bis zum 30. Juni 2013. Ausführliche Berichte folgen."

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Eine Herztransplantation am lebenden Objekt, schnell und kühl vollzogen und für viele nicht nachvollziehbar. Aber nicht ungewöhnlich für Felix Magath. Schon seit Jahren versteht der 55-Jährige das einstige Berufsbild des hemdsärmeligen Fußballlehrers als ganzheitliche Aufgabe. Als Job und nicht als Lebensaufgabe.

Parallelen zum Abschied aus Stuttgart

Fans interessieren nur zweitrangig, zwischenmenschliche Beziehungen interessieren nur zweitrangig, der Bezug zum Arbeitgeber interessiert nur zweitrangig. Was zählt, ist der Job, die Aufgabe, das Ergebnis. Und da es sich um Profi-Fußball handelt, darf man Magath per se keinen Vorwurf machen.

Und dennoch ist die Tendenz die falsche. Schon vor fünf Jahren war Magath Protagonist einer ähnlichen Konstellation, damals ging es für den VfB Stuttgart um den Einzug in die Champions League - als vor dem letzten und entscheidenden Spiel in Leverkusen aus undurchsichtigen Kanälen der Wechsel Magaths zu den Bayern bekannt wurde.

Auch beim VfB wollte Magath den Alleinherrscher geben, riss nach und nach alle Macht an sich, wurde allerdings dann vom Präsidium ausgebremst und entschloss sich kurzerhand zum Wechsel nach München. Der VfB galt als Sinnbild der erfolgreichen Arbeit Magaths, der den Klub vom Abstiegskampf bis in die Königsklasse geführt hatte und der Trainer wurde zu Recht dafür gefeiert.

Aber niemand hat bis heute wirklich hinterfragt, was Stuttgart eigentlich für Magath geleistet hat. Denn bis zu seinem Durchbruch beim VfB war Magath als Trainer doch mehr Wandervogel als Langzeitarbeiter und plötzlich Trainer bei den Bayern.

Beigeschmack bleibt

Und ähnlich verhält es sich jetzt auch in Wolfsburg. Magaths Verdienste sind unbestritten, mit den Wölfen steht er vor der Sensation schlechthin. Allerdings durfte er sich dort auch mit Machtfülle und rund 50 Millionen Investitionsvolumen nach Herzenslust austoben.

Und während Magath zum Bundesliga-Role-Model für die Doppelfunktion Trainer-Manager wurde, muss sich Wolfsburg in gewisser Weise auch wie ein Versuchskaninchen vorkommen. Denn ohne die Erfahrung Wolfsburg gäbe es jetzt kein Trainer-Manager-Vorstandsmitglied Magath auf Schalke.

Es bleibt ein Beigeschmack, auch wenn Magath einen legalen Vorgang vollzieht, der sich zu denen in der Welt der Hedgefonds, Heuschrecken und Großinvestoren in nichts unterscheidet. Nicht umsonst hat er als Trainer und Manager nun mit Uerdingen, Hamburg, Bremen, Frankfurt, Nürnberg, Stuttgart, Bayern, Wolfsburg und bald Schalke fast eine halbe Liga an Arbeitgebern schon durch.

Schalker Kompetenzloch gefüllt

Aber genau hier liegt der Vorwurf, den sich der VfL Wolfsburg jetzt gefallen lassen muss. Im 2007 eingegangenen Plan mit einem Zweijahresvertrag plus Option auf ein weiteres Jahr fehlte die Weitsicht. Jetzt kann Magath sein Projekt (zu Recht) als gelungen deklarieren, der VfL aber bekommt nach dem 23. Mai richtig ernsthafte Probleme.

Schalke 04 und der neue starke Mann Clemens Tönnies stehen auf den ersten Blick blendend da. Die vielen Baustellen sind mit dem Magath-Makeup zugekleistert, schließlich hat Tönnies das enorme Kompetenzloch in Gelsenkirchen mit einer einzigen Personalie gefüllt.

Das Feld ist bereitet

"Es hat vor sehr langer Zeit eine Handschlagvereinbarung zwischen ihm und mir gegeben, dass, wenn er Wolfsburg verlässt, er zu Schalke 04 wechseln wird", gab Tönnies auf der Pressekonferenz zu.

Spätestens seit den Rauswürfen von Manager Andreas Müller und Trainer Fred Rutten ist Schalke richtig schön entschlackt, auch Pressesprecher Gerd Voss wurde aus undurchsichtigen Gründen entmachtet.

Die Anekdote um Voss darf so im Nachhinein schon als erster Eingriff in die zukünftigen Planungen gelten. Auch in Wolfsburg installierte Magath mit Rolf Dittrich seinen eigenen Schützling als Pressesprecher. Der FC Schalke zumindest hat bis heute die Stelle des Kommunikationschefs noch nicht wieder ausgeschrieben. Vieles deutet darauf hin, dass Dittrich neben Magath schon seit Wochen ein Schein-Angestellter Schalkes ist.

Neuanfang ohne Erfahrung

De facto hat Wolfsburg mit dem Deal alle Möglichkeiten und Risiken, die eine Installation Felix Magaths in mehrere Ämter beinhalten, weitergeleitet. Wolfsburg fängt nach der Saison wieder bei Null an und bleibt auf Risiken sitzen, die es wahrlich in sich haben. So hoch der Aufstieg mit seinen Annehmlichkeiten (Meisterschaft? Champions League?) auch ist, so tief könnte der Fall in der kommenden Saison mit dem nicht zu beneidenden Trainer-Manager-Gespann werden.

Im Prinzip sollte Schalke jetzt schon aus der Ferne beobachten, wie der VfL damit umzugehen gedenkt. Denn früher oder später werden dieselben Probleme auch auf die Königsblauen zukommen.

Beim VfL müssen sich jetzt VW-Chef Dr. Martin Winterkorn und Stephan Grühsem durch die von Magath hinterlassene Kompetenzwüste schlagen und die vakanten Stellen der Geschäftsführung, des Managers und Trainers  im Alleingang besetzen - ohne den Hauch von Erfahrung.

Winterkorn dürfte in der schwersten Krise der Automobilindustrie aller Zeiten andere Sorgen haben, Grühsem ist bisher sportlich noch gar nicht in Erscheinung getreten. Der 47-Jährige ist Leiter der Konzernkommunikation bei Volkswagen.

Magath und Schalke machen reinen Tisch