Geißbock, Effe und VW

Von SPOX
Seit Dezember 2002 Heimstatt des VfL Wolfsburg: Die Volkswagen-Arena
© Imago

Seit dem Bundesliga-Aufstieg vor zwölf Jahren hecheln der VfL Wolfsburg und sein Mutterkonzern Volkswagen dem großen Ziel Champions League hinterher. Mit Felix Magath ist dieses Ziel schon erreicht - jetzt winkt sogar die Krönung mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft. Die Geschichte des VfL Wolfsburg, mit all ihren Irrungen und Wirrungen.

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12. September 1945: Nur fünf Monate nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gründen elf Männer und eine Frau den Volkssport und Kulturverein Wolfsburg, aus dem später der VfL Wolfsburg erwachsen wird. Ort der Geburtsstunde ist eine alte Baracke. Die Vereinsfarben Grün und Weiß kommen eher zufällig zustande: Ein Kreisjugendpfleger hatte nur noch grüne Trikots übrig, die Frauen der Spieler nähen aus alten Bettlaken weiße Hosen.

1952: Volkswagen wird Hauptsponsor des VfL Wolfsburg.

1952 bis 1995: Der VfL Wolfsburg geht durch drei Ligen (Niedersachsenliga, Oberliga, 2. Bundesliga), verschleißt unzählige Präsidenten und das Maskottchen "Onkel Willi", unsinnigerweise ein Geißbock. Erst viel später setzte sich "Wölfi", der Wolf durch.

11. April 1995: Der größte Erfolg der Vereinsgeschichte. Durch ein 1:0 gegen den 1. FC Köln (Tor: Jahrhundert-Stürmer Siggi Reich) steht der VfL als Zweitligist im DFB-Pokalfinale gegen Borussia Mönchengladbach, verliert dort aber 0:3.

11. Juni 1997: Aufstieg in die Bundesliga. In einem dramatischen Finish gegen Mainz am letzten Spieltag (5:4) geht Willi Reimann als Aufstiegstrainer in die Geschichte ein. Der Konzern Volkswagen ist bereit, von nun an noch mehr in die Geschicke des Vereins einzugreifen. Vor allem finanziell. Der Marketing-Gegenwert einer möglichen Champions-League-Teilnahme in einigen Jahren wird mit rund 50 Millionen D-Mark beziffert.

2. August 1998: Erstes Bundesligaspiel - erster Sieg. Das 1:0 bei Hansa Rostock stellt Kult-Stürmer Roy "Auffe-Bank-sitzen-is-scheiße-da-tut-dir-der-Arsch-weh" Präger mit seinem Tor in der 90. Minute sicher.

7. November 1998: 7:1 - der bis heute höchste Bundesligasieg, gegen Borussia Mönchengladbach. Die Tore: Polster (Gladbach), Akonnor, Juskowiak, Präger, Juskowiak, O'Neil, Präger, Akonnor.

29. Mai 1999: Wolfsburg zieht als Tabellen-Sechster zum ersten Mal in seiner Vereinsgeschichte in einen internationalen Wettbewerb ein. Dort ist in der 3. Runde gegen Atletico Madrid aber Schluss. Trotzdem sieht sich der Konzern auf dem Weg an die nationale Spitze.

19. September 1999: Gegen Werder Bremen setzt es die bis heute höchste Niederlage - und das auch noch im heimischen Stadion. Am Ende heißt es 2:7.

23. Februar 2000: Der erste Wolfsburger Nationalspieler erblickt das Licht der Welt. Zoltan Sebescen wird im Testspiel gegen die Niederlande 45 Minuten eingesetzt. Die DFB-Elf geht in Amsterdam aber hoffnungslos unter, Sebescen gilt als Sinnbild der blamablen Vorstellung. Es bleibt sein erstes und letztes Länderspiel. Zwei Jahre später wird Sebescen sogar Sportinvalide.

23. Mai 2001: Ein Meilenstein: Das Amtsgericht Wolfsburg bestätigt die Ausgliederung der Fußball-GmbH aus dem Hauptverein. Die Volkswagen AG ist nun 90-prozentiger Gesellschafter, dem VfL gehören 10 Prozent der Anteile.

Ende 2001: Aus VW-Kreisen wird nach fünfjähriger Zugehörigkeit in der Bundesliga zuerst zaghaft, später öffentlich über den nächsten Schritt gesprochen: Die Teilnahme an der Champions League. Im Hintergrund werden die Weichen dafür gestellt. Ein neues Stadion wird gebaut und zu großen Teilen von VW finanziert. Kosten insgesamt: Rund 120 Millionen D-Mark.

16. August 2002: Die VW-Oberen lassen die Muskeln spielen und sorgen für den Transfer-Hammer des Jahres! Wolfsburg verpflichtet den bei den Bayern mehr oder weniger ausgemusterten Stefan Effenberg."Das Konzept und die Ideen des Vereins haben mich überzeugt", sagt Effenberg.

Nach nur sieben Monaten ist die Zweck-Ehe aber schon wieder zu Ende. Der neue Trainer Jürgen Röber wollte nicht mit Effenberg zusammenarbeiten. Effe verabschiedet sich mit den Worten: "Jetzt ist es wieder ruhig in Downtown-Wolfsburg."

15. Dezember 2002: Umzug vom Stadion am Elsterweg in die VW-Arena. Das erste Spiel gegen den VfB Stuttgart geht allerdings mit 1:2 verloren.

Mai 2003: Wolfsburg eifert dem großen Werksklub-Vorbild Bayer Leverkusen weiter nach und geht mit River Plate Buenos Aires eine Kooperation ein. Erster "Ertrag" für die Wölfe: Supertalent Andres D'Alessandro, unter anderem von Spitzenklubs aus Italien und Spanien heftig umworben, wechselt nach Wolfsburg.

22. August 2004: Die Schmach von Köln. Gegen die Amateure des FC setzt Manager Peter Pander beim klaren 3:0-Sieg den nicht spielberechtigten Marian Hristov ein. Neuzugang Hristov war noch als Spieler des 1. FC Kaiserslautern wegen einer Rot-Sperre außer Gefecht. Köln legt Protest ein und gewinnt das Spiel am Grünen Tisch mit 2:0. Pander wird die Affäre zum Verhängnis. Der Manager tritt zwei Tage später zurück.

18. September 2004: Wolfsburg steht erstmals in seiner Geschichte an der Tabellenspitze der Bundesliga. Wieder ist Hansa Rostock der Gegner an einem denkwürdigen Tag. Der VfL siegt auswärts 2:1 und überholt den bisherigen Spitzenreiter VfB Stuttgart.

25. November 2004: Thomas Strunz wird neuer Geschäftsführer und Manager. Strunz verspricht bei seinem Amtsantritt die Champions League. Am Ende der Saison setzt sich Strunz im Machtkampf gegen Trainer Erik Gerets durch und holt Kumpel Holger Fach auf den Trainerstuhl.

19. Dezember 2005: Strunz und Fach müssen gemeinsam gehen. Der Grund: Platz 13, der die schlechteste Vorrunde der Geschichte bedeutet. Klaus Fuchs (Manager und Geschäftsführung) und Klaus Augenthaler (Trainer) übernehmen. Von der Champions League ist keine Rede mehr.

13. Mai 2006: In der VW-Arena kommt es zum Abstiegsendspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern. Wolfsburg genügt ein Remis, der FCK muss siegen. Am Ende heißt es nach einem dramatischen Spiel 2:2. Wolfsburg ist als 15. gerade so gerettet.

April 2007: Trotz des Erreichens des Pokal-Halbfinalss gegen den VfB Stuttgart (0:1) redet in Wolfsburg niemand vom internationalen Geschäft. Geschäftsführer Fuchs: "Die Champions League ist völlig unrealistisch."

12. Mai 2007: Fast auf den Tag genau ein Jahr später sichert sich der VfL wieder durch ein 2:2 die Klasse. Diesmal in Aachen. Trotzdem beschließt der Aufsichtsrat die Entlassung von Trainer Augenthaler. Eine Woche später wird die Trennung nach dem letzten Saisonspiel gegen Werder Bremen offiziell vollzogen. Auch Manager und Geschäftsführer Fuchs muss gehen.

30. Mai 2007: Die Revolution. Wolfsburg beschreitet völlig neue Wege und übergibt die Ämter des Geschäftsführers, des Managers und des Trainers in die Hände eines Mannes. Felix Magath wird zum Alleinherrscher. Unterstützung erhält er durch den neuen Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Am 13. Juni tritt Magath seinen Dienst an.

11. August 2007: Elf neue Spieler holt Magath in lediglich acht Wochen zum VfL, gibt dabei rund 20 Millionen Euro aus. Trotzdem geht der Start gegen Arminia Bielefeld zu Hause daneben: 1:3. Nach der Vorrunde ist Wolfsburg lediglich Elfter.

28. November 2007: Auf der Delegiertenversammlung votieren 93 von 94 Stimmberechtigten dafür, die 10 Prozent der VfL-Anteile in den VW-Konzern einzugliedern. Die VfL Wolfsburg GmbH gehört damit zu 100 Prozent der Volkswagen AG.

17. Mai 2008: Nach der erfolgreichsten Rückrunde der Vereinsgeschichte schafft Wolfsburg am letzten Spieltag noch den Sprung auf Rang fünf und damit die Qualifikation für den UEFA-Cup. Das erste Teilziel ist erreicht.

16. August 2008: Magath gibt in der Sommerpause rund 30 Millionen Euro für neue Spieler aus. Der Start gelingt mit einem 2:1 gegen Aufsteiger 1. FC Köln. Danach hakt es allerdings gewaltig. Wolfsburg ist auf Grund seiner frappierenden Auswärtsschwäche nach der Vorrunde nur Neunter.

4. April 2009: Wolfsburg spielt eine entfesselte Rückrunde mit dem Höhepunkt am 26. Spieltag: Der FC Bayern wird in der VW-Arena mit 5:1 gedemütigt und Wolfsburg erklimmt erstmals in der Saison die Tabellenspitze.

18. April 2009: Das 2:1 gegen Bayer Leverkusen bedeutet den zehnten Sieg in Folge und damit die Einstellung des Uralt-Rekords von Borussia Mönchengladbach aus dem Jahr 1987. Eine Woche später verliert der VfL allerdings bei Energie Cottbus mit 0:2.

6. Mai 2009: Magath gibt seinen Abgang zum Saisonende bekannt und wird ab Juli Trainer-Manager-Vorstandsmitglied auf Schalke. "Die Ziele, die ich zu Beginn meines Engagements mit dem VfL-Aufsichtsrat vereinbart habe, haben wir erreicht."

16. Mai 2009: Das sagenhafte 5:0 in Hannover ist nicht nur der höchste Auswärtssieg der Vereinsgeschichte, das Sturmpaar Edin Dzeko/Grafite sorgt auch für ein Novum: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesliga haben zwei Spieler eines Klubs in einer Saison jeweils mehr als 20 Treffer erzielt. Dzeko 25, Grafite bereits 26.

Mit zwei Punkten und sieben Toren Vorsprung auf den schärfsten Verfolger Bayern München ist die Meisterschaft einen Spieltag vor Saisonende zum Greifen nah. Im Heimspiel gegen Werder Bremen winkt die erste Meisterschaft der Klub-Geschichte.

Alternative Liste: Drops und feuchte Schlüpper