Im luftleeren Raum

Von Stefan Rommel
Bayern-Manager Hoeneß (l.) und Vorstandsvorsitzender Rummenigge (r.) tüfteln hinter den Kulissen
© Getty

Raus aus der Champions-League, raus aus dem DFB-Pokal und in der Bundesliga alles andere als souverän. Der FC Bayern München hat harte Wochen hinter sich und noch schwierigere vor sich. Doch die Verantwortlichen schweigen und planen im Hintergrund Bayerns Zukunft. Mit Klinsmann? Mit neuen Stars? Ohne Ribery? 

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So kennt man Uli Hoeneß eigentlich gar nicht. Sekunden nach dem Rückspiel gegen den FC Barcelona blieb der Bayern-Manager ruhig auf der Bank sitzen.

Für gewöhnlich schüttelt Hoeneß seinen Bediensteten neben sich kurz die Hand, packt seine Brille ins Etui, steht auf und geht. Dieses eine Mal aber nicht. Shakehands gab es zwar auch, danach verlor sich Hoeneß aber eine ganze Zeit lang in seinen Gedanken.

Ernüchterung macht sich breit

Uli Hoeneß denkt derzeit viel nach, vor allem über seinen FC Bayern. Über diesen FC Bayern: Problembeladen, nur sporadisch erfolgreich und auf der schiefen Bahn.

Das Jahr des Wandels und der Euphorie, eingeläutet mit der Inthronisierung von Jürgen Klinsmann als Reformer, kristallisiert sich schleichend als Jahr der Ernüchterungen heraus. Und da die Ernüchterung der natürliche Feind der Euphorie ist, stimmt etwas nicht an der Säbener Straße.

Klose: "Es ist wichtig, gute Leute zu holen"

Das öffnet Spekulationen höflich die Tür, wobei der Zirkel der Gerüchtetreiber seit ein paar Tagen völlig neue Personenkreise begrüßen darf: Den Trainer und die Spieler des FC Bayern München.

Fast schon verdächtig einhellig und innerhalb weniger Tage rauschten die Worte von Jürgen Klinsmann, Philipp Lahm, Franck Ribery, Luca Toni, Lucio oder Ze Roberto über die Ticker. Die Forderung: Verstärkungen müssen her. Da wollte sich Miroslav Klose am Donnerstag auch nicht lumpen lassen.

"Fakt ist nun mal, dass wir in der Breite nicht so gut besetzt sind. Dann haben wir nicht die Qualität, um gegen die ganz Großen zu spielen. Es ist wichtig, dass wir gute Leute holen und dann dementsprechend im Training auch den Konkurrenzkampf haben", sagte Klose, derzeit im Reha-Stand und somit aufmerksamer Beobachter der Mannschaft von außen.

Parallelen zu 2007

Die Aussagen sind inhaltlich nicht wirklich neu, aber in ihrer Vielzahl erzeugen sie Druck. Druck auf die Entscheidungsträger, auf den Manager Hoeneß, den Vorstandvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge und den Finanzvorstand Karl Hopfner.

Die Troika, die den FC Bayern und damit indirekt auch den deutschen Fußball seit Jahrzehnten lenkt, sieht sich an die Zeit vor exakt zwei Jahren erinnert. Damals zeichnete sich mit dem Verpassen der Champions League ein GAU ab, der in den Verpflichtungen einer ganzen handvoll Stars mündete. Rund 70 Millionen Euro wurden dafür in der ganzen Welt verstreut.

Allerdings gibt es auch gravierende Unterschiede zur Situation damals. Verglichen mit heute war die Planung damals einfach. Der erreichte internationale Wettbewerb stand mit dem UEFA-Cup schon fest, Ottmar Hitzfeld war erst ein paar Monate da und saß so sicher im Sattel wie nie zuvor. Der Schlachtplan mit der Verpflichtung einiger Hochkaräter war früh klar.

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Zukunft von Klinsmann, Toni und Ribery offen

Im Frühling 2009 muss sich der FC Bayern mit einer Unmenge an unbekannten Variablen herumschlagen. Und die lassen in der Vorstandsriege die Köpfe rauchen. In der Bundesliga ist von der Meisterschaft bis zum Trostpreis UEFA-Cup alles möglich, die künftige Einnahmequelle auf internationalem Parkett steht längst nicht fest.

Der Trainer wackelt, einige deutsche Medien wollen längst wissen, dass Klinsmanns Gastspiel im Sommer dieses Jahres definitiv endet. Und die Zukunft einiger Spieler wie des mauligen Franck Ribery oder die von Luca Toni steht in den Sternen.

Die Bayern schweben im luftleeren Raum. Der sonst so griffige Verein hat im Moment nicht mehr viele Konstanten oder Ankerpunkte zu bieten. Die klare Linie fehlt derzeit, stattdessen gibt es schwammige Äußerungen oder eben gar keine Kommentare zu bestimmten Themen.

Verhältnis zu Fans angespannt

Selten einsilbig sind die Macher geworden, ganz anders als sonst, wenn Hoeneß zu allem eine dezidierte Meinung und vor allem kein Problem damit hat, diese auch kundzutun.

Das angespannte Verhältnis zwischen Fans und Trainer kann sich zum Flächenbrand ausweiten. Stellung will dazu aber niemand beziehen. "Ich habe die Rufe zur Kenntnis genommen, aber ich kommentiere das nicht. Und dazu wird es auch bis Ende der Saison keinen Kommentar von mir geben", antwortete Hoeneß nach dem Heimspiel gegen Barca auf die Frage nach den Klinsmann-raus-Rufen.

Selbst "Vorstand raus" war am Dienstag vereinzelt zu hören. Eine vollkommen neue Situation für die unantastbaren Bayern-Bosse.

Und so scheint es fast als hielte sich Hoeneß lieber ein Hintertürchen offen - für den Fall, dass Klinsmann nach der Saison wirklich gehen muss. Andernfalls würde sich der Manager binnen weniger Wochen fundamental widersprechen.

Hinter den Kulissen wird getüftelt

Also ziehen sich die Verantwortlichen zurück, was ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass hinter den Kulissen schwer getüftelt wird. Was wird aus der neuen Weichenstellung? Klinsmann hat den Verein quasi auf links gezogen. Ein Trainerwechsel würde Klinsmanns Arbeit mehr oder weniger pulverisieren und die Mannschaft nach zwölf Monaten schon wieder in ein neues Konzept zwängen.

Mindestens genauso spannend gestaltet sich der Blick aufs Personaltableau. Es ist noch gar nicht so lange her, da verkündete Rummenigge zufrieden, dass die Planungen mit den Transfers von Ivica Olic, Anatoli Timoschtschuk und Alexander Baumjohann abgeschlossen seien.

Daran mag jetzt aber niemand mehr glauben. "Wir haben sehr erfahren Leute da oben sitzen. Ich bin überzeugt, dass der Manager noch den einen oder anderen Spieler holen wird", sagte Klose und sein Gesichtsausdruck ließ erahnen, dass er schon mehr weiß.

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Kommen neue Stars?

Hier stellt sich für die Bosse eine letzte, wichtige Grundsatzfrage: Bleibt die gewohnt bayerische Zurückhaltung auf dem Transfermarkt oder ändern die Münchener ihre Strategie grundsätzlich. Viele Fans sind enttäuscht vom bisherigen Saisonverlauf, als Trostpflaster und zur Einstimmung auf eine bessere Spielzeit könnte der ein oder andere Star schon helfen.

Das aber ist nicht die echte Bayern-Art. Auch Klose hält von der Idee des Rundumschlags auf dem Spielermarkt wenig. "Viele europäische Top-Klubs verpflichten jedes Jahr immer zwei, drei Stars. Aber ich bin auch dafür, dass wir es weiter so handhaben wie letztes Jahr. Wir haben eine gute Mannschaft und wir müssen jungen Spielern auch die Zeit geben, sich über zwei Jahre zu entwickeln. Und ihnen nicht gleich wieder einen neunen Spieler vor die Nase setzen", sagte der Nationalspieler.

"Sicher ist jetzt nach zwei Jahren wieder die Zeit gekommen, zwei, drei, vier Neue zu holen, aber ich glaube, das so genannte Überbrückungsjahr war für uns absolut richtig und wichtig."

Alle stehen in der Verantwortung

Die Macher beim FC Bayern werden das etwas differenzierter sehen. Das Experiment des neuen Trainers mit dem alten Kader hat sich in eine ganz brenzlige Situation manövriert. Klinsmanns Operation am offenen Herzen hat die Lage bisher eher verschlechtert als verbessert.

Und sie hat Fragen aufgeworfen, wo früher keine Fragen waren. Aber genauso wie der Trainer stehen auch die in der Verantwortung, die ihn geholt und mit fast allen Freiheiten ausgestattet haben.