"Ich kann das nicht mehr hören"

Von Kevin Bublitz / Mark Heinemann
Alexander Baumjohann erzielte in dieser Saison in 22 Spielen drei Tore für Mönchengladbach

EXKLUSIV Auf Schalke hatte Alexander Baumjohann den Ruf des faulen Talents. Bei Borussia Mönchengladbach schaffte der 22-Jährige nun den Durchbruch und wagt im Sommer den Wechsel zum FC Bayern. Bei SPOX spricht er über Gladbachs Vorteile im Abstiegskampf, seine Zukunft in der Nationalmannschaft und Kritik an seiner Einstellung.

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SPOX: Herr Baumjohann, sind Sie einer der letzten deutschen Straßenfußballer?

Alexander Baumjohann: Für mich war es immer wichtig, Fußball zu spielen. Ich habe mit drei Jahren damit angefangen und dann so oft es ging gekickt. Nach dem Kindergarten, nach der Schule, es gab immer nur Fußball, Fußball, Fußball. Es war immer Spaß für mich und kein Druck. Das ist auch heute noch so. Daher denke ich schon, dass ich noch einer bin.

SPOX: Jupp Heynckes nannte Sie das größte deutsche Talent überhaupt, Rudi Assauer erklärte Sie zum neuen Michael Ballack. Dann hieß es wieder, dass Sie bequem und unprofessionell seien. Was sind Sie denn nun?

Baumjohann: Es ist ja immer leicht zu sagen, dass es an der Einstellung oder am Charakter liegt, wenn es bei einem Spieler nicht klappt. Ich kann das nicht mehr hören, weil damals viele andere Dinge eine Rolle gespielt haben. Trotzdem wurde mir von außen ein Image angetragen, das so nicht stimmt. Dagegen wehre ich mich, weil ich das so einfach nicht stehen lassen kann.

SPOX: Wie kam es dazu?

Baumjohann: Ich stand mit 16 Jahren im Profikader von Schalke 04. Vielleicht war das damals ein wenig zu früh, aber wenn der Verein den Spieler vor solch eine große Verantwortung stellt, müsste er dem Spieler auch in schlechten Zeiten den Rücken stärken. Ein junger Spieler hat natürlich Schwierigkeiten, mit einer solchen Last umzugehen. Daher kann ich die Kritik an mir in Sachen Einstellung oder Charakter nicht nachvollziehen.

SPOX: Geht es Ihnen in Deutschland eigentlich zu schnell, dass man als junges Talent hochgejubelt wird?

Baumjohann: Im Gegenteil. Ich denke, dass in Deutschland viel zu wenig junge Spieler die Chance bekommen, auf höchstem Niveau ihre Leistung zu bringen. Wenn man sieht, dass es in England oder Spanien wahrscheinlicher ist, dass 17- oder 18-Jährige zum Einsatz kommen, wie es auch bei Messi, Ronaldo oder Rooney war, dann kann das in Deutschland noch optimiert werden.

SPOX: Also müssen junge Spieler eher ins kalte Wasser geworfen werden?

Baumjohann: Es heißt immer, dass die jungen Spieler nicht verheizt werden sollen und man die Hand darüber halten muss, damit der Spieler nicht abhebt. Meiner Meinung nach sollten junge Spieler in Deutschland viel früher die Chance bekommen, sich vier oder fünf Spiele zu zeigen. Wenn es dann nicht klappt, kann man sie immer noch rausnehmen. Selbst Michael Ballack oder Miroslav Klose haben mit ihrem Talent erst verhältnismäßig spät in der Bundesliga Fuß fassen können.

SPOX: Sie waren bei Schalke 04 auch sehr jung.

Baumjohann: Vielleicht hätte ich meine Chance eher genutzt, wenn ich sie bekommen hätte.

SPOX: Haben Sie denn irgendwas an sich geändert?

Baumjohann: Nein. Wenn ich früher im Training nicht alles gegeben hätte, wäre ich doch schnell nicht mehr dabei gewesen. Ich habe immer an mich geglaubt und wusste, was ich kann. Bei Gladbach habe ich in dieser Saison endlich mal die Chance bekommen, in mehreren Spielen zu zeigen, was ich kann. Ich denke, dass mir das gut gelungen ist.

SPOX: Verfolgen Sie noch die Entwicklung auf Schalke?

Baumjohann: Klar, ich habe sieben Jahre dort gespielt und der Verein liegt mir schon am Herzen. Es ist schade, dass es dort derzeit nicht läuft. Woran das liegt, weiß ich aber auch nicht. Fakt ist, dass dort etwas passieren muss, sonst sehe ich schwarz für den Verein. Ich hoffe, dass sie so schnell wie möglich aus der Krise kommen und sich wieder oben in der Bundesliga etablieren können. 

SPOX: In Gladbach läuft es jetzt dagegen. Warum eigentlich?

Baumjohann: Hans Meyer kam in der Mitte der Hinrunde. Mannschaft und Trainer mussten sich aneinander gewöhnen. Zudem hatten wir einen großen Kader, so dass man nicht von heute auf morgen alles ändern konnte.

SPOX: Dann kam die Winterpause...

Baumjohann: ... und die hat uns richtig gut getan. Wir hatten Zeit, intensiv das zu trainieren und einzustudieren, was der Trainer mit uns vor hatte. Wir haben zudem gute Neuzugänge hinzubekommen, wie in der Defensive Tomas Galasek. Jetzt stehen wir in der Defensive stabiler und können nach vorne befreiter aufspielen.

SPOX: Ist Hans Meyer in der Kabine genauso flapsig wie in der Öffentlichkeit?

Baumjohann: Er verstellt sich nicht. Man muss ihn so nehmen wie er ist. Aber in der Mannschaft hat niemand ein Problem mit ihm. Und er hat auch mit keinem der Spieler eins. Der Erfolg, den er immer hatte, gibt ihm Recht.

SPOX: Er kritisiert aber auch gerne mal junge Spieler.

Baumjohann: Ich hatte nie Probleme mit ihm. Er möchte keinem Spieler etwas Schlechtes zufügen.

SPOX: Wie war dann die öffentliche Kritik an Marko Marin zu verstehen?

Baumjohann: Der Trainer will das Beste für uns und macht keinen Spieler bewusst schlecht. Er will Leistung rauskitzeln und Marko spielt ja jetzt auch besser als noch in der Hinrunde. Also hat der Trainer wieder alles richtig gemacht.

SPOX: Und den Klassenerhalt packen Sie?

Baumjohann: Ja. Wir brauchen uns vor keinem Team zu verstecken, auch vor den Großen nicht. Das haben wir in der Hinrunde schon gezeigt. Wir müssen jetzt einfach die nötigen Punkte holen.

SPOX: Sie sind kürzlich in den Kader der U 21 berufen worden. Enttäuscht, dass es nicht der A-Kader war?

Baumjohann: Ach, was heißt enttäuscht? Ich bin froh, mal wieder für Deutschland spielen zu können. Was dann in der Zukunft kommt, liegt in meiner Hand. Wenn ich mich in der U 21 und auch im Verein so positiv weiterentwickle, wie es jetzt in der letzten Zeit der Fall war, dann denke ich, dass die Nationalmannschaft vielleicht mal ein Thema wird. Aber derzeit befasse ich mich nicht damit.

SPOX: Dann sind WM 2010 und die Asienreise kein Thema für Sie?

Baumjohann: Nein, darüber denke ich jetzt nicht nach. Es geht aktuell um den Klassenerhalt mit der Borussia. Alles Weitere werden wir am Saisonende sehen.

SPOX: Mit der U 21 steht im Juni die EM in Schweden an? Denken Sie da schon an die schwere Gruppe mit Spanien, Finnland und England? Was halten Sie von der Mannschaft?

Baumjohann: Wir sind Deutschland und brauchen uns vor niemandem zu verstecken. Die anderen Mannschaften werden Respekt vor uns haben, weil wir eine super Mannschaft haben. Wenn wir komplett sind, können wir um den Titel mitspielen. An einer Endrunde nehmen immer die besten Teams teil, und gegen die müssen wir uns dann eben durchsetzen.

Alexander Baumjohann im Steckbrief