"Schweinebraten muss auch mal sein"

Von Interview: Florian Bogner
Die U 17 der Hertha kämpft in der Bundesliga Nord um die deutsche B-Jugend-Meisterschaft
© Getty

exklusiv Hertha BSC Berlin ist derzeit nicht nur in der Bundesliga topp: Auch was die Nachwuchsförderung auf und neben dem Platz angeht, ist die Hertha mittlerweile eine der ersten Referenzen in Deutschland. SPOX sprach mit dem pädagogischen Leiter der Hertha, Thomas Krücken, über Normen und Werte bei Jugendspielern, bewusste Ernährung bei Teenagern und über die Tatsache, dass jeder Jugendtrainer pädagogisch handeln kann.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Krücken, Sie arbeiten seit 2007 als Trainer und vor allem als ausgebildeter Pädagoge bei Hertha BSC Berlin. Wie kam es dazu, dass sich die Hertha neben sportlichen Belangen nun auch um die persönliche Entwicklung der Spieler kümmert?

Thomas Krücken: Aufgrund der Vorkommnisse von Jungprofis, die sich außerhalb des Platzes nicht so verhalten haben, wie sich der Verein das vorstellte. Neben der sportlichen Ausbildung geht es uns darum, die persönliche Ausbildung noch weiter in den Fokus zu rücken. Dieter Hoeneß und der Jugendkoordinator Frank Vogel haben das ins Leben gerufen. Vogel kam vor zwei Jahren auf mich zu und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, die pädagogische Leitung zu übernehmen.

SPOX: Sie sagten Ja und arbeiten jetzt seit eineinhalb Jahren intensiv mit Jugendlichen, bieten eine Nachmittagsbetreuung und Coaching abseits des Trainingsplatzes an. Was wollen Sie den Jugendlichen vermitteln?

Krücken: Dinge, die jeder Mensch im Leben braucht. Es geht um die Vermittlung von Konfliktfähigkeit, Eigenverantwortung, Kritikfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit sowie Respekt und Teamfähigkeit.

SPOX: Wie sieht das in der Praxis aus?

Krücken: Es fängt bei ganz banalen Dingen an. Zum Beispiel damit, dass die Zimmer im Internat ordentlich geführt werden. Das geht weiter über das Sportliche, dass man seine individuellen Stabilisationsübungen selbstständig macht und sich an Mannschaftsregeln hält, und führt bis zur Ernährung.

SPOX: Bei Ihnen soll es ein Punktesystem beim Mittagessen geben.

Krücken: Richtig. Es geht um bewusste Ernährung. Es gibt täglich drei Gerichte mit dem Punktsystem Grün, Gelb und Rot. Grün sind zum Beispiel Pastagerichte mit Gemüse, Gelb ein Auflauf mit Fleischbeilage und Rot der klassische Schweinebraten. Am Ende des Monats wird der Jugendliche prämiert, der sich am besten ernährt hat.

SPOX: Spieler essen auch mal Schweinebraten?

Krücken: (lacht) Ja, das muss auch sein. Das ist sonst nicht jugendgerecht, wenn man jeden Tag nur Grün essen würde.

SPOX: Daneben haben Sie einen Maßnahmenkatalog zusammen mit Ihren Spielern der U 17 erarbeitet. Um was geht es da konkret?

Krücken: Wir fragten die Spieler: Welche Regeln sind für uns in der Gemeinschaft wichtig? Danach richtet sich dann jeder. Wenn nicht, gibt es Konsequenzen. Wenn ein Spieler beispielsweise einen anderen beleidigt, muss er bei der U 11 ein Training als Co-Trainer leiten. Bei anderen Vergehen muss man einen Tag lang mit Jugendlichen im Heim arbeiten. Es geht darum, dass man über den Tellerrand hinausschaut.

SPOX: Werden Ihre pädagogischen Ansichten von allen im Verein getragen?

Krücken: Absolut, ja. Unser Credo ist: Jeder kann pädagogisch handeln, auch wenn man nicht studiert hat. Man muss nicht wissen, wer Rousseau oder Pestalozzi war, um mit Jugendlichen vernünftig zu arbeiten.

SPOX: Allerdings ohne die Spieler zu bevormunden.

Krücken: Richtig. Fehler werden als Lerngelegenheiten angesehen. Jugendliche machen Fehler. Wir müssen ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie sie es vermeiden können, diese Fehler zu wiederholen.

SPOX: Wie vermittelt man einem 16-Jährigen Kritikfähigkeit?

Krücken: Es geht um die Differenzierung zwischen Sachebene und persönlicher Ebene. Kritikfähigkeit kann man den Älteren am besten über Videoanalysen beibringen. Wir filmen Spieler im Training, ohne dass sie davon Notiz nehmen. Hinterher schauen wir uns das mit den Spielern an. Da geht es sowohl ums Taktische als auch ums Verhalten mit den Mannschaftskameraden und um die Körpersprache.

Auf Seite 2 weiterlesen...