Ein Kessel Buntes

Von Stefan Rommel
Nur zwei von fünf Titelkandidaten: Bayern München und der Hamburger SV
© Getty

Der Titelkampf in der Bundesliga ist spannend wie nie zuvor. Elf Spieltage vor Schluss kämpfen gleich fünf Mannschaften mit berechtigter Hoffnung um die Meisterschaft. Dabei waren die Ausgangslagen und Zielsetzungen der Klubs vor Saisonbeginn so unterschiedlich wie schon lange nicht mehr.

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Der bunte Haufen an der Spitze unterstreicht die Ausgeglichenheit der Liga. Während altgediente Klubs wie Werder Bremen oder Schalke 04 in dieser Saison mit dem Ausgang im Meisterrennen nichts zu tun haben, schlüpfen Überraschungsteams wie 1899 Hoffenheim und natürlich Hertha BSC Berlin in deren Rollen.

Hertha BSC (1., 46 Punkte, 38:27 Tore):

Die Mannschaft aus dem Nichts. Vor einem Jahr hatte Trainer Lucien Favre angekündigt, 2010 um den Titel mitspielen zu wollen und wurde milde belächelt. Schließlich war Berlin letzte Saison noch mit 32 Punkten Rückstand auf Meister Bayern München nur Zehnter.

Jetzt hat Berlin den Angriff auf die Schale um ein Jahr vorgezogen und steht nach 23 Spieltagen mit vier Punkten Vorsprung auf Platz eins - als erster Tabellenführer in dieser Saison, der einen so großen Vorsprung hat.

Der Tabellenplatz wirkt wie ein Märchen, wirklich niemand hatte die Hertha auf dem Zettel. Völlig konträr dazu die Spielweise: Diszipliniert-kühl und die reinste Ausgeburt an Effektivität.

Favre hat ungeachtet von der Konkurrenz aus mehr oder weniger namenlosen Spielern ein Kollektiv geformt, das in seiner Homogenität seinesgleichen sucht in der Liga.

Es sind die Zutaten, die einen Meister ausmachen. Als gutes Beispiel darf der VfB Stuttgart dienen, der sich vor zwei Jahren bis wenige Spieltage vor Schluss beinahe ungeachtet von der Konkurrenz nach oben pirschte und am Ende gnadenlos zuschlug.

Vielleicht der größte Vorteil: Die Hertha steht von allen Kandidaten mit Abstand am wenigsten unter Erfolgsdruck und es hält sich weiter hartnäckig der Eindruck, dass Berlin immer noch latent unterschätzt wird.

Bayern München (2., 42 Punkte, 49:31 Tore):

Die Mannschaften hinter den Erwartungen. Das souveräne 5:1 gegen Hannover war ein erster Schritt, muss seine Bestätigung aber in den nächsten Wochen erst noch erfahren.

Zum eigenen Selbstverständnis fehlen den Bayern vier Punkte. Noch kein einziges Mal stand der FCB bisher ganz oben und liefert auch hier ein Gegenstück zur abgelaufenen Saison, als ein Start-Ziel-Sieg gelang.

Dabei muss man sich die Dimensionen in Erinnerung rufen, unter denen der Rekordmeister in die Saison gestartet war: Das eindeutig formulierte Ziel war, so lange wie möglich eine gute Rolle in der Champions League zu spielen. Da liegen die Bayern voll im Soll.

Diese Akzentuierung lässt aber durchaus den Schluss zu, dass die Bundesliga mit halber Kraft bis zum Titelgewinn bewerkstelligt werden sollte. Jetzt muss dort aber deutlich mehr kommen, auch Trainer Jürgen Klinsmann hat bis zum letzten Spieltag "nur noch Endspiele" ausgemacht.

Für die Bayern ist der Titel wie immer ein Muss, dementsprechend ist auch der Druck höher als bei allen anderen Klubs im Meisterschaftsrennen.

1899 Hoffenheim (2., 42 Punkte, 49:31 Tore):

Die Mannschaft in der Findungsphase. Der Aufsteiger explodierte in der Vorrunde förmlich und spielte teilweise in seiner eigenen Welt. Seit der Winterpause ereilen Hoffenheim aber ganz irdische Probleme.

Der Faktor Unbekümmertheit ist auf ein Normalmaß geschrumpft,  die Konkurrenz unterschätzt den Aufsteiger längst nicht mehr. Die aggressive Spielweise fordert in vermehrten Sperren und auch Verletzten ihren Tribut.

So langsam macht sich auch der Verlust von Vedad Ibisevic deutlich bemerkbar. Boubacar Sanogos Quote liegt bei bisher einem Treffer aus sechs Spielen. Ibisevic hatte zum gleichen Zeitpunkt in der Vorrunde schon sieben Mal getroffen.

Dennoch hat 1899 weiter sehr wenig Druck. Die überschaubaren Leistungen der Rückrunde haben den Hype um die Mannschaft deutlich abebben lassen. Das primäre Ziel Klassenerhalt ist längst geschafft. Alles was dazu kommen sollte, sind Bonusleistungen.

VfL Wolfsburg (4., 42 Punkte, 46:28 Tore):

Die Mannschaft der Rückrunde. Ähnlich wie letzte Saison legt der VfL in der zweiten Halbserie deutlich zu. Der Unterschied: Diesmal beginnt Wolfsburg damit schon mit dem ersten Rückrunden-Spieltag.

Die Wölfe sind voll im Fünf-Jahres-Plan, der diese oder spätestens nächste Saison die Teilnahme an der Champions League vorsieht. Nicht schlecht für einen Klub, der vor anderthalb Jahren beinahe noch abgestiegen wäre.

Geschäftsführer-Manager-Trainer Felix Magath hat unheimlich viele Variationsmöglichkeiten in Abwehr und Mittelfeld - nur von seinen großen Drei in der Offensive ist er abhängig.

Edin Dzeko, Grafite und Zvjezdan Misimovic teilen sich allein in der Bundesliga sagenhafte 56 Scorerpunkte. Wolfsburg hat sein größtes Manko, die Auswärtsschwäche, in der Winterpause in den Griff bekommen und kann sich nach dem Aus in beiden Pokalwettbewerben nun voll und ganz auf die Liga konzentrieren.

Hamburger SV (5., 42 Punkte, 35:35 Tore):

Die Mannschaft der Ungläubigen. Der HSV bringt alles mit, was ein Champion braucht. Nur kommen die Hanseaten offenbar mit der dünnen Luft ganz oben gar nicht klar. Kaum war der HSV Tabellenführer, gab es zwei empfindliche Niederlagen gegen Wolfsburg und in Mönchengladbach.

"Wir reden die ganze Zeit vom Titel, aber am Ende kann man mit leeren Händen dastehen", orakelte Mladen Petric nach dem Gladbach-Spiel. Der Glaube an die eigene Stärke ist einer unerklärlichen Unsicherheit gewichen. "Wir sollten besser nach unten schauen, da machen andere Klubs schon Druck auf uns", so Petric weiter.

Die Mannschaft wirkt ausgelaugt und kassiert für höchste Ansprüche viel zu viele Gegentore. Dabei rechnet das Umfeld in dieser Saison, da die Bayern unerwartet lange schwächeln, schon mit der Meisterschaft.

Vor- und Nachteil ist die Dreifachbelastung. Vorteil, weil mehrere Möglichkeiten auf dem Weg zum ersten Titel nach 22 Jahren noch offen sind. Nachteil, weil das Team jetzt schon erste Verschleißerscheinungen zeigt und momentan in einem kleinen Tief hängt.

Fünf Kandidaten, nur ein Titel - wer wird Meister? Jetzt selbst Schicksal spielen!