…Schweigen ist Gold

Von Stefan Rommel
Bauchlandung: Nicu und die Hertha wurden von Gebharts VfB auf den Boden der Tatsachen geholt
© Getty

Der "Rathaus-Fluch" hat nun offenbar auch Spitzenreiter Hertha BSC Berlin ereilt. Trainer Favre und Manager Hoeneß bleiben aber gelassen. Die Niederlage in Stuttgart könnte deshalb auch reinigende Wirkung haben.

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Klaus Wowereit hätte wohl besser geschwiegen. In der Sportschau führte Berlins regierender Bürgermeister ein Kamerateam durch das Rathaus, zeigte Arbeitszimmer, Nebenzimmer und andere Gemächer, in denen man problemlos eine Meisterfeier abhalten könnte.

Party gegen Technokratie

Und natürlich den Balkon. Mittlerweile ein regelrechtes Unwort. Vor ein paar Jahren verbrannte sich die Stadt Wolfsburg daran die Finger, als die Stadtoberen mitten in der Saison nassforsch vorpreschten und den dritten Schritt bereits vor dem ersten planten. Auch Schalke 04 musste damit schon unangenehme Erfahrung machen.

Nun also auch Herr Wowereit. Die Diskrepanz zwischen Partymeister Wowi und dem technokratischen Lucien Favre als Architekt des Berliner Aufschwungs könnte größer kaum sein.

"Wir sind kein Spitzenteam"

Es konnte also nur schiefgehen beim VfB Stuttgart. Und es ging schief. Das 0:2 war ein Rückschlag im Kampf um die Meisterschaft. Oder aber doch nur um einen Platz in der Champions League. Oder gar nur im UEFA-Cup?

"Wir sind kein Spitzenteam. Das habe ich schon vor Wochen gesagt. Wir haben noch viel zu tun", sagte Favre nach der schwächsten Leistung der Rückrunde. Der Schweizer stapelt dabei nicht etwa tief. Favre hat nur einen ungetrübten Blick für die Realität.

Seine Mannschaft leistete sich viel zu viele Fehler für ein Kollektiv auf Topniveau. Die Kühle und Effektivität der letzten Wochen war irgendwo auf dem Weg von Berlin runter nach Stuttgart verloren gegangen.

Hoeneß bleibt gelassen

So richtig böse darüber wollten die Verantwortlichen aber offenbar gar nicht sein. "Wir haben heute nicht genug für den Sieg getan. Der VfB hat mehr Engagement gezeigt, war frischer und aggressiver. Wir haben nicht so richtig die Bindung zum Spiel gefunden. So wie wir zuletzt als Mannschaft stark waren, waren wir heute kollektiv etwas schwächer", formulierte es Manager Dieter Hoeneß in ruhigem Ton und ohne große Enttäuschung.

Vielleicht kommt der Weckruf für die Berliner auch zur rechten Zeit. Wegen der Länderspielpause sind zwei Wochen Zeit, um sich wieder auf- und auszurichten.

"Gegen Borussia Dortmund müssen wir wieder das abrufen, was uns zuletzt ausgezeichnet hat: diese Laufbereitschaft, diese Aggressivität und auch diesen absoluten Biss", forderte Hoeneß.

Zu schwache Bank?

Die Hertha arbeitete die Niederlage so unaufgeregt auf, wie sie ihr Spiel durchzieht. Nur eine Sache könnte Bedenken schüren: Die Ausfälle von Patrick Ebert (aus disziplinarischen Gründen) und vor allem Kapitän Arne Friedrich (Zerrung im Oberschenkel) konnten die Vertreter Marko Babic und Kaka nicht adäquat auffangen.

Zwar musste die Hertha schon über die gesamte Spielzeit hinweg immer wieder wichtige Leistungsträger ersetzen, aber in den hektischen Wochen gegen Ende der Saison ist für eine Mannschaft wie Berlin jeder weitere Ausfall ein enormer Rückschlag.

In der Endphase einer Saison entscheiden auch die Ersatzbänke über Wohl und Wehe. Und da hat die Hertha nicht die besten Karten.

Bestes Spiel unter Babbel

Seine ernüchternde Niederlage hatte der VfB Stuttgart bereits hinter sich. Das 0:4 vom letzten Sonntag in Bremen und die ungeschönten Worte der Verantwortlichen danach haben dem ein oder anderen die Augen geöffnet.

Unter der Woche hatte Trainer Markus Babbel eine andere Mentalität gefordert und Sportdirektor Horst Heldt eine Reaktion. Die lernwillige Mannschaft setzte beide Forderungen beherzt um.

"Die Mannschaft hat nach dem 0:4 in Bremen die richtige Reaktion gezeigt. Wir haben sehr guten Fußball gespielt und alle Spieler haben hervorragend gearbeitet. Ich bin hochzufrieden und muss sagen, dass die heutige Partie das bislang beste Spiel unter meiner Leitung war", sagte Babbel.

Alles ist möglich?!

An der Zielsetzung ändert der Erfolg gegen den Spitzenreiter aber nichts. Die Schwaben bleiben defensiv und lassen sich alle Möglichkeiten offen.

"Das heutige Spiel zeigt wieder, wie schnell es in der Tabelle nach oben und auch unten gehen kann. Jetzt sind noch 27 Punkte zu vergeben und Hertha ist nur noch sieben Punkte entfernt von uns", sagte Torhüter Jens Lehmann.

"In dieser Saison kann noch eine Menge passieren. Aber ich habe es mir abgewöhnt, Prognosen für die Zukunft abzugeben." Klaus Wowereit könnte noch ein wenig von Jens Lehmann lernen.

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