Und was, wenn nicht?

Von Florian Bogner
Jürgen Klinsmann und Martin Vazquez bobachten die Niederlage gegen Köln relativ ratlos
© Getty

Der FC Bayern verliert munter weiter, doch die Verantwortlichen bleiben gelassen. Nicht nur in München fragt man sich, wie lange noch. Denn die Gründe der Krise sind vielfältig - werden jedoch offenbar von Trainer und Vorstand ignoriert.

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Mark van Bommel stand inmitten des größten Trubels und war doch der einsamste Mensch auf Erden. Nach der 1:2-Niederlage gegen den 1. FC Köln tapste der Bayern-Kapitän von Kurve zu Kurve, während neben ihm die Kölner Spieler den Karneval kurzerhand in die Münchner Allianz Arena verlegten. Ein verlegener Gruß an die Fans, dann war auch der letzte Bayer ausdruckslos in den Katakomben verschwunden.

Nach dem Spiel steht der Holländer normalerweise immer Rede und Antwort. Diesmal nicht. Zu trostlos hatten die Bayern 90 Minuten lang einen rechten Stiefel zusammen gespielt - wie der Bayer sagt - und erneut eine Steilvorlage der Konkurrenten um die Meisterschaft ausgelassen. Schwer sei es nach dem 0:2 gewesen, parlierte er einsilbig, zu einfach seien die Gegentore gefallen. Der Rest war Schweigen.

Vom Sparringspartner zum Bayern-Schreck

In der Tat hatte der FCB zuvor schülerhaft dem Aufsteiger den fünften Auswärtssieg der Saison ermöglicht und befindet sich nun in der Rückrunden-Tabelle mit nur drei Punkten aus vier Spielen auf dem indiskutablen 16. Platz. Nach den Niederlagen gegen die direkte Konkurrenz aus Hamburg und Berlin verlor man nun gegen einen Aufsteiger aus dem Niemandsland der Tabelle - normalerweise ein Sparringspartner für ein lockeres 4:0 als Vorspeise zur Champions League.

In dieser Form verliert der Meister so langsam seinen Favoritenstatus in der Liga. Nur der Dusseligkeit der Konkurrenz ist es derzeit zu verdanken, dass man nicht schon weiter in der Tabelle abgerutscht ist als auf Platz vier. Fakt ist: Die Bayern tun sich derzeit gegen jeden Gegner schwer. Die Häufung der schwachen Spiele lässt den Fußball-Fan fragen: Was, wenn der FC Bayern am Ende doch nicht Meister wird? Das scheint allerdings bei den Verantwortlichen noch nicht angekommen zu sein.

"Wir werden jetzt bestimmt nicht hektisch und irgendwelche wilden Vorwürfe von uns geben", meinte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge nach dem Spiel: "Wir haben zum ersten Mal einen schlechten Tag gehabt. Deshalb wäre es falsch, die Meisterschaft oder sonst was abzuschreiben."

Auch Manager Uli Hoeneß, sonst nie um einen deftigen Einlauf für unmotivierte Spieler verlegen, wählte die sanfte Tour und wiederholte gelassen: "Natürlich war das überhaupt nicht in Ordnung. Aber wir müssen jetzt ruhig bleiben, es hat keinen Sinn, Schuldzuweisungen zu machen."

Symptome werden nicht erkannt

Die wären nach der dritten Niederlage binnen vier Wochen aber zumindest intern vonnöten. Am Mittwoch steht das wohl wichtigste Spiel der Ära Klinsmann bei Sporting Lissabon an (ab 20.45 live bei Premiere) und die blutarmen Vorstellungen der Spieler geben sehr wohl Grund zur Sorge.

Zu unstrukturiert und überhastet wirkt das Angriffsspiel der Bayern zumeist, zu stümperhaft das Zweikampfverhalten der Defensive. Zudem stimmt die Abstimmung der einzelnen Mannschaftsteile nicht. Das alles sind Symptome, die sich schon durch die ganze Saison ziehen - scheinbar aber von allen in der Verantwortung ignoriert werden.

"Wenn Tore fallen, ist es nicht immer nur ein Versagen der Abwehr, sondern oft ein kollektives Versagen", fiel Rummenigge lediglich zu den Gegentoren gegen Köln ein. In einer solchen Lage ist meistens der Trainer gefragt: Dem fällt im vorliegenden Fall aber auch nicht das Richtige ein. Gegen die Rheinländer hatte Klinsmann seit langem mal wieder auf Rotation gesetzt - und war erneut eindrucksvoll gescheitert.

Lucio versteht Rotation nicht

Daniel van Buyten für Lucio und Massimo Oddo für Christian Lell zu installieren, machte die Abwehr jedenfalls nicht robuster. Abwehrchef Lucio nahm seine Degradierung zum Bankdrücker erstmal nur mit einem Achselzucken hin. Verletzt sei er nicht gewesen, berichtete er. Warum er dann nicht spielte? "Das müssen Sie den Trainer fragen." Ratlosigkeit allenthalben.

Ersatz van Buyten erfuhr von seinem Glück, auflaufen zu dürfen, jedenfalls erst kurz vor dem Spiel, wie er gegenüber SPOX berichtete. Der Belgier fand auch als einziger deutliche Worte bezüglich der schwachen Leistung: "Wir haben viel zu viele Zweikämpfe verloren, die Laufwege haben nicht gestimmt", analysierte er und forderte: "Wir müssen uns endlich wieder besser auf die Spiele konzentrieren und Punkte holen."

Doch nicht nur Spieler und Trainer sind Vorwürfe zu machen, sondern auch dem Manager. Dass der Kader der Bayern nicht gerade gut bestückt ist, ist ein offenes Geheimnis. Für die hohen Ansprüche der Münchner ist es jedoch fatal, wie im Fall Köln nach 46 Minuten quasi keine Offensiv-Alternative mehr auf der Bank zu haben.

Keine Alternative zu Toni

Klinsmann hatte zur Pause seine Standardwechsel mit Hamit Altintop und Landon Donovan vollzogen - und damit sein Pulver verschossen. Auf der Bank verblieben nur noch Tim Borowski (der 14. Mann), sowie die Defensivspieler Christian Lell, Andreas Ottl und eben Lucio. Kreativität: Fehlanzeige. Ein Armutszeugnis, dass Abwehrspieler van Buyten in der Schlussphase mit seiner Kopfballstärke als Offensivhoffnung herhalten musste.

De facto kann man den Ausfall eines Stürmers überhaupt nicht kompensieren. Hoeneß erkannte richtig: "Luca Toni fehlt uns, wenn man einen Gegner im Strafraum festnageln muss." Gehandelt wurde im Winter aber dennoch nicht. Und ab März, wenn das Praktikum von Donovan an der Säbener Straße vorbei ist, steht man sogar nur noch mit einer Alternative da.

Lukas Podolski wäre gerne ein Toni-Ersatz, war aber bei seinem Comeback nach fast vier Monaten Verletzungspause gegen seine Liebe Köln nur ein billiger Abklatsch der Nationalmannschaftsausgabe. Sein Fazit: "Es war schön, mal wieder im Kader zu sein. Aber ich weiß auch, dass ich heute nicht gut gespielt habe." Wie seine 13 anderen Kollegen übrigens auch.

"Stehen uns zumeist selbst im Weg"

Nicht den besten Tag erwischt hatte auch das Unparteiischen-Duo. Den Abseitspfiff von Babak Rafati bei Miroslav Kloses vermeintlichem 1:0 nahm Rummenigge zum Anlass, Dampf abzulassen: "Irgendwann muss man den Linienrichtern die Frage stellen, warum sie beim FC Bayern immer vorschnell die Fahne heben." Immerhin sei es bereits das dritte Tor der laufenden Saison gewesen, das man dem Meister geklaut habe.

Dies als Entschuldigung für die Niederlage gegen Köln anzuführen, ist jedoch selbst den Bayern zu billig. "In so einem Moment wie heute muss man selbstkritisch genug sein und sagen: Das war schlecht", befand Trainer Jürgen Klinsmann. Torwart Michael Rensing pflichtete bei: "Wenn wir uns nicht so dumm angestellt hätten, wären wir schon mit ein paar Punkten Vorsprung Erster. Aber wir stehen uns zumeist selbst im Weg."

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