"Die Kritik war völlig übertrieben"

Von Interview: Thomas Gaber
Michael Rensing ist seit Sommer 2008 die Nummer eins beim FC Bayern München
© Getty

Michael Rensing ist der Kronprinz im Tor des FC Bayern. Nach dem Abschied von Oliver Kahn steht seit August der 24-Jährige im Blickpunkt. Mit starken Leistungen in der letzten Hinrundenphase machte er viele Kritiker mundtot, die behaupteten, Rensing könne den hohen Ansprüchen beim deutschen Rekordmeister nicht gerecht werden. Im SPOX-Interview spricht der Bayern-Keeper über die Hinrunde, seine Vorbilder und seine Aussichten im Tor der Nationalelf.

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Michael Rensing ist die neue Nummer eins beim FC Bayern München. Als Nachfolger des Torwart-Titans Oliver Kahn trat der 24-Jährige ein schweres Erbe an.

Im Trainingslager in Dubai am Persischen Golf spricht der Keeper des deutschen Rekordmeisters im SPOX-Interview über die Arbeit mit dem neuen Trainerteam, seine Leidenschaft zur Musik und seine Aussichten im Tor der deutschen Nationalmannschaft.

SPOX: Michael Rensing, links steht der höchste Turm der Welt, rechts das höchste und teuerste Hotel der Welt. Ist Dubai Ihr Ding?

Michael Rensing: Für zehn Tage Trainingslager ja. Man sieht mal was Neues, das Klima ist gut, das Essen ist gut und vor allem die Trainingsbedingungen sind ideal. Aber längerfristig bevorzuge ich natürlich München.

SPOX: Es ist Ihr erstes Trainingslager als Nummer eins des FC Bayern. Hat sich irgendetwas geändert, außer dass Sepp Maier und Oliver Kahn nicht mehr dabei sind?

Rensing: Nein. Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, Nummer eins zu sein und fühle mich pudelwohl in dieser Rolle.

SPOX: Vermissen Sie Sepp Maier?

Rensing: Ich habe siebeneinhalb Jahre mit ihm zusammengearbeitet. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich seinen Weggang nicht mit einem weinenden Auge erlebt habe. Ich hatte ein besonderes Verhältnis zu ihm, nicht nur auf dem Platz. Das Training mit ihm war sensationell.

SPOX: Ist es das mit Walter Junghans auch?

Rensing: Ich bin sehr zufrieden mit unserer Zusammenarbeit. Walter, Hans-Jörg Butt, Thomas Kraft und ich bilden ein sehr gutes Team.

SPOX: Mit welchen Mitteln versucht Walter Junghans, Sie besser zu machen?

Rensing: Wir arbeiten flächendeckend: Flanken, Reflexe, Strafraumspiel, Spiel mit dem Fuß. Ich entspreche Jürgen Klinsmanns Vorstellung vom mitspielenden Torhüter. Ich bin beidfüssig und versuche das Spiel schnell zu machen. Ich schlage den Ball auch mal flach auf die linke oder rechte Seite, damit die Bälle präziser ankommen.

SPOX: Können Sie vom erfahrenen Hans-Jörg Butt noch etwas lernen?

Rensing: Ich beobachte Torhüter generell, um zu erfahren, wie sie in bestimmten Situationen reagieren. Es gibt auch junge Torhüter mit speziellen Fähigkeiten, die mir gefallen. Als Torhüter kann man immer dazulernen, egal ob man 18 oder 35 Jahre alt ist. 

SPOX: Vermissen Sie Oliver Kahn?

Rensing: Es war eine sehr schöne Zeit. Wir haben uns gegenseitig gepusht, davon haben beide profitiert. Vor allem in den letzten ein, zwei Jahren hatten wir ein sehr gutes, sehr lockeres Verhältnis.

SPOX: Sie waren lange Zeit die Nummer zwei hinter Kahn. Ist das Warten auf die Dauer überhaupt auszuhalten oder bekommt man irgendwann die Krise?

Rensing: Meine Karriere verlief in jungen Jahren wie am Schnürchen. Deutscher Meister mit der A- und B-Jugend, Regionalligameister mit den Amateuren, U-21-Nationaltorhüter. Ich stand voll im Saft und war bereit für die Nummer eins bei Bayern. Als Oliver seinen Vertrag 2006 noch einmal für zwei Jahre verlängert hatte, kam ich ins Überlegen. Anfangs hielt ich es noch aus, doch nachdem ich altersbedingt sowohl bei den Amateuren als auch bei der U-21 nicht mehr spielen durfte, wurde ich immer frustrierter, da ich meine Emotionen nicht auf dem Platz rauslassen konnte, und schließlich trainiere ich ja auch für den Wettkampf. Letztlich bin ich aber zu dem Entschluss gekommen, auf meine Chance zu warten. Ich wollte den FC Bayern nicht verlassen. Wer weiß, wie sich das Ganze dann entwickelt hätte.

SPOX: Sie spielen seit über acht Jahren beim FC Bayern. War es für Sie als "alter Hase" schwieriger, mit den Neuerungen rund um den Verein vor dieser Saison zurechtzukommen, als für neue Spieler?

Rensing: Es hat keine Rolle gespielt, ob man den Verein gut kennt oder neu dazu gekommen ist. Es war alles komplett anders. Ich habe mich am Anfang im neuen Leistungszentrum nicht ausgekannt und die eine oder andere falsche Tür genommen. Dazu kam ein neues Trainerteam, deutliche Veränderungen in der Trainingsarbeit. Darauf mussten wir uns erstmal einstellen, aber wir haben es nach anfänglichen Schwierigkeiten gut gemeistert.

SPOX: Gab es für Sie in der Hinrunde ein Schlüsselerlebnis?

Rensing: Sicherlich der Sieg in Karlsruhe. Von da an haben wir fast alle Spiele gewonnen. Anfangs schleppend, später überzeugend.

SPOX: In der Champions League lief es dagegen von Anfang an. Warum?

Rensing: Die Königsklasse ist ein besonderer Anreiz. Der Nervenkitzel ist größer, man misst sich mit den besten Mannschaften Europas. Ich spiele am liebsten in einem Hexenkessel. Je lauter es wird, je näher die Zuschauer dran sind, je mehr Stimmung gegen uns gemacht wird, desto heißer bin ich.

SPOX: Sie sind in der Hinrunde für Ihre Leistungen teilweise kritisiert worden. Wie gehen Sie mit Kritik um?

Rensing: Ich bin selbst mein größter Kritiker. Ich gehe viele Situationen gedanklich noch mal durch und überlege, was ich hätte besser machen können. Hätte ich da früher rausgehen sollen? Hätte ich dort das Spiel schneller machen müssen? Es kommt natürlich darauf an, wer die Kritik äußert. Einige Meinungen sind mir wichtig. Beispielsweise die von Walter Junghans, Jürgen Klinsmann oder von meinem Bruder. Wenn man bei Bayern München spielt, ist man omnipräsent. Da ist es klar, dass jeder auf irgendeine Weise seinen Senf dazu gibt. Deswegen geht Kritik bei mir links rein und rechts raus, wenn sie überhaupt links reingeht. Ich lese keine Klatschpresse, mein Bruder informiert mich ab und zu, was so geschrieben wird. Anfangs fand ich die Kritik völlig übertrieben. Ich wurde zweifach, dreifach, gar zehnfach bewertet. Mittlerweile haben sich die Leute aber daran gewöhnt, dass nicht mehr Oliver Kahn im Tor steht, sondern ich. Die Leute haben sich an mich gewöhnt und gesehen, dass ich ein exzellenter Torhüter und zurecht die Nummer eins bin. Je mehr Zeit vergeht, desto präsenter wird mein Name sein und der von Oliver Kahn verschwinden, wenngleich ich betone möchte, dass er enorm viel für den FC Bayern geleistet hat.

SPOX: War Kahn Ihr Vorbild?

Rensing: Ich hatte mehrere Vorbilder. Oliver Kahn, Peter Schmeichel oder Petr Cech.

SPOX: Was schätzen Sie an Cech?

Rensing: Seine ruhige Art imponiert mir. Er und Iker Casillas gehören sicherlich zu den besten Torhütern in Europa.

SPOX: Iker Casillas wurde schon mit 18, 19 Jahren die Nummer eins bei Real Madrid. Er wurde am Anfang stark kritisiert und ist mittlerweile unumstrittene Nummer eins in Madrid und in der spanischen Nationalmannschaft. Kann man seinen Werdegang mit Ihrem vergleichen?

Rensing: Teilweise schon. Er wurde sehr früh die Nummer eins bei einem großen Verein. Man hat ihm stets Vertrauen geschenkt. Anfangs war er zwischenzeitlich auf die Bank verbannt worden,  was mir hoffentlich nicht passieren wird (lacht). Aber er hat seinen Weg gemacht.

SPOX: Ist der FC Bayern im Tor besser besetzt als die Konkurrenten in der Champions League?

Rensing: Das hoffe ich doch. Ich denke, die Ergebnisse in der Vorrunde sprechen für sich.

SPOX: Sie sind mit Leib und Seele Fußballer. Wie entspannen Sie eigentlich?

Rensing: Ich kann gut abschalten. Ab und zu spiele ich nach dem Training Billard im Leistungszentrum. Ich lese viel und lege zuhause auf.

SPOX: Welche Musikrichtung?

Rensing: House. Progressive, Electro, Tech House, Minimal, Techno.

SPOX: Christian Pander von Schalke 04 heißt Funky Pee. Wie heißt der DJ Rensing?

Rensing: MagentaR. Ist aber nur provisorisch. Ich habe mal in einem Club aufgelegt und brauchte einen Namen. Ich bin noch auf der Suche nach einem anderen Namen.

SPOX: Im Kreis der deutschen A-Nationalmannschaft sucht man Ihren Namen bislang vergeblich. Im Gegensatz zu Rene Adler oder Manuel Neuer. Wann wird sich daran etwas ändern?

Rensing: Adler und Neuer stehen eineinhalb Jahre länger im Tor als ich. Wenn ich früher Nummer eins geworden wäre, wäre die Situation vielleicht anders. Ich kann es nicht ändern. Ich spiele im Gegensatz zu ihnen regelmäßig international und wenn ich weiterhin gute Leistungen bringe, wird das Thema Nationalmannschaft zwangsläufig auf mich zukommen.

SPOX: Hatten Sie schon mal Kontakt zu Adler oder Neuer?

Rensing: Adler kenne ich aus der U 21, mit Neuer habe ich noch nie gesprochen.

SPOX: Und hatten Sie schon mal Kontakt zu Joachim Löw oder Andreas Köpke?

Rensing: Zu Löw noch nie, mit Köpke habe ich einmal kurz geredet.

SPOX: Von einem müssen Sie sich womöglich bald verabschieden. Uli Hoeneß beendet Ende des Jahres aller Voraussicht nach seine Karriere als Manager.

Rensing: Das wäre sehr schade. Ich habe ihm enorm viel zu verdanken. Er hat mir immer Vertrauen geschenkt, auch als ich noch sehr jung war. Ich hatte nie einen Berater, sondern habe alles immer selbst mit ihm besprochen. Er ist ein wahnsinnig toller Mensch und über seine Verdienste für den Verein braucht man nicht lange zu reden. Aber ich bin sicher, dass er weiterhin sehr aktiv für den FC Bayern arbeiten wird. In welcher Funktion auch immer.