Das Fitness-Geheimnis der Bayern

Von Thomas Gaber
Jürgen Klinsmann ging mit seinen Bayern beim Trainingslager in Dubai bis an die Grenzen
© Getty

Gestern Medizinbälle schleppen, heute Fußballbiathlon: In Sachen körperlicher Fitness wird beim FC Bayern München nichts dem Zufall überlassen. Fitness-Trainer Oliver Schmidtlein gewährte SPOX während des Trainingslagers in Dubai Einblicke in den perfekt organisierten Trainingsalltag und erklärte, warum die Spieler des Rekordmeisters so fit sind wie noch nie.

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Franck Ribery rettet sich mit einem Hechtsprung in den Schatten. Bastian Schweinsteiger japst nach Luft und Mark van Bommel reagiert auf die Strapazen mit einem kernig betonten Götz-Zitat.

Medizinballweitwurf aus dem Stand, Gewichte ziehen in möglichst hohem Tempo, zehn Sprints über eine Strecke von knapp 20 Metern bei kurzer Erholungsphase und das alles innerhalb einer halben Stunde.

Den Spielern des FC Bayern München wurde im Trainingslager in Dubai alles abverlangt. Der Ball war selten im Spiel, es ging primär darum, die konditionellen Grundlagen für die bevorstehende Rückrunde zu schaffen.

Spieler unter ständiger Beobachtung

"Das Hauptaugenmerk liegt auf Kraft und fußballspezifischer Ausdauer. Wir haben versucht, an die Grenze der Belastbarkeit gehen", sagt Bayerns Fitness-Cheftrainer Oliver Schmidtlein im Gespräch mit SPOX.

Schmidtlein und seinem Fitnessstab entgeht während des Trainingslagers so gut wie nichts. Die Spieler sind verkabelt, ihre Werte werden umgehend von Assistenztrainer Thomas Wilhelmi am Computer ausgewertet.

Neben dem Erfassen der primären Daten - Ze Roberto hat augenscheinlich beim Medizinballwerfen die Nase vorn, Miroslav Klose erreicht die beste Durchschnittszeit bei den Sprints, Winter-Neuzugang Landon Donovan ist der "Hase" bei den Dauerläufen - ist vor allem die Auswertung der Daten eine Wissenschaft für sich.

Schmidtlein: Jammern ist menschlich

Schmidtlein und sein Team haben bereits Anfang Dezember 2008 den Plan für die Vorbereitung ausgearbeitet. "Wir rechnen vom ersten Pflichtspiel zurück. Wenn die Mannschaft am 27. Januar im DFB-Pokal gegen Stuttgart spielt, sollte sie schon ein hohes Niveau haben. Daraus ergibt sich die Struktur", erklärt Schmidtlein.

Die Fitnesstrainer versuchen nah an ihren Vorgaben zu bleiben. "Wir müssen aber manchmal Abstriche machen, beispielsweise wenn der eine oder andere Spieler andere Reaktionen auf das Training zeigt als angenommen wurde. Wir müssen auch auf räumliche oder zeitliche Einschränkungen reagieren", so der Fitness-Trainer.

Dass Spieler auch mal jammern, kann der Fitmacher verstehen. "Das ist menschlich. Wir horchen in die Spieler rein und holen uns Feedback. Wir gehen auf ihre Wünsche ein, aber nur bis zu einem gewissen Rahmen."

Enge Absprache mit Klinsmann

Wichtigstes Credo dabei: Keiner bleibt zurück. Die Fitnesstrainer achten darauf, dass "Problemfälle" nicht abfallen. Gruppen werden bewusst zusammen gestellt.

"Mal bilden Spieler, denen das Training leichter fällt, eine Gruppe mit Spielern, die Probleme haben. Diese Spieler sollen dann mitgezogen werden. Ein anderes Mal werden die Spieler nach ihren Positionen zusammengelegt. Dabei spielt auch die interne Konkurrenz eine Rolle", sagt Schmidtlein.

Das alles geschieht in enger Absprache mit Jürgen Klinsmann. "Manchmal binden wir vorab auch Martin Vasquez oder Nick Theslof in unsere Planungen mit ein. Die drei Fußballtrainer sind unserer Arbeit gegenüber sehr aufgeschlossen. Wir Fitnesstrainer erarbeiten dann unsere Strategie, wobei wir die Ideen jedes einzelnen zu einem Paket schnüren."

Kondition bolzen mit Spaß

Klinsmann betonte in Dubai die "abwechslungsreichen Einheiten". Heißt auch: Hartes Konditionstraining wird mit Spaß verbunden.

Beim Fußballbiathlon beispielsweise werden die Spieler in vier Gruppen in die "Loipe" geschickt, einer ein Kilometer langen Schleife um das Gelände. Ist der "Schießstand" erreicht, müssen vier Bälle aus einer Entfernung von knapp 13 Metern in ein kleines Tor geschossen werden, jeder Fehlschuss ergiebt eine Strafrunde.

"Unsere Fitnesstrainer lassen sich immer neue Dinge einfallen", war der Coach in Dubai begeistert.

Ze Roberto: So fit wie noch nie

In der Hinrunde trug die Arbeit der Fitnessabteilung des FC Bayern bereits erste Früchte. Die Mannschaft hielt das Termpo zumeist über die volle Distanz aufrecht, mehrere Spiele wurden nach Rückstand gewonnen.

"Unsere Spieler haben erkannt, dass ihr genetisches Potential über dem liegt, was sie bisher tun konnten. Wir versuchen, die Fitnesskomponenten auszureizen", sagt Schmidtlein. Im Gespräch mit SPOX verriet Ze Roberto, dass er sich körperlich nie besser gefühlt hat, "obwohl ich schon ein alter Mann bin. Ich spiele meine beste Saison beim FC Bayern."

Und in seiner womöglich letzten Bayern-Saison will der 34-jährige Brasilianer endlich die Champions League gewinnen.

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Vorteil durch die Winterpause

Körperlich haben die Münchner gegenüber der Konkurrenz aus England, Spanien und Italien durch die Winterpause durchaus einen kleinen Vorteil, glaubt Schmidtlein.

"Am Ende einer Saison kommt es leider oft vor, dass von den elf Spielern, die am Wochenende in der Startelf stehen, einige die Woche zuvor kaum noch trainiert haben. Irgendwann stehen die Spieler nicht mehr im Saft und plagen sich vermehrt mit kleinen Verletzungen herum."

"Dieses Problem verringert sich etwas durch die Winterpause. Ich versuche immer, allen Spielern möglichst viele Trainingseinheiten zukommen zu lassen", erklärt der Fitnesscoach. Nichts wird dem Zufall überlassen.

Tonis wöchentlicher Marathon

Die Belastungen für Fußballprofis sind laut Schmidtlein vor allem während der vielen englischen Wochen enorm. Sogar der oft als unbeweglich kritisierte Luca Toni absolviert so jede Woche fast einen Marathon.

"Er läuft in einem Spiel durchschnittlich zehn Kilometer und legt Vollsprints von 500 bis 600 Metern zurück. Und das dreimal pro Woche", berichtet Schmidtlein.

Einen Vergleich mit Basketballprofis, die in der NBA teilweise sechsmal pro Woche spielen, lässt Schmidtlein indes nicht zu.   

"Die Erholungsphasen nach einem Fußballspiel dauern länger. Wir versuchen durch unsere Arbeit diese Erholungsphasen zu reduzieren. Es kommt aber vor, dass ein Spieler während einer englischen Woche vielleicht einmal nur 80 bis 90 Prozent leisten kann."

Ein Umstand, der sich durch individuelle Klasse aufheben lässt: "Da ist dann das fußballerische Talent, Cleverness und Erfahrung gefragt, um das Defizit auszugleichen." Und so lange das gewährleistet ist, kann Mark van Bommel im Training auch weiter eifrig Goethe zitieren.

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