Die Unverzichtbaren

Von Jochen Tittmar
Unermüdlicher Rackerer im Mittelfeld: Florian Kringe (re.) im Duell mit Sofian Chahed
© Getty

Franck Ribery, Diego, Mario Gomez - Spieler, die aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten ständig im medialen Rampenlicht stehen. Florian Kringe, Bastian Reinhardt, Pal Dardai oder Sascha Riether stehen unbeachtet daneben. Die unverzichtbaren Qualitäten dieser vier Paradebeispiele sind in der breiten Öffentlichkeit kaum ein Thema. SPOX möchte das ändern und singt ein Loblieb.

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Im Dezember 2006 verlor Borussia Dortmund 1:2 gegen Bayer Leverkusen und war richtig schlecht. Das ganze Team, ohne Ausnahme. Doch nach Spielschluss zielte die Wut der BVB-Fans auf den einzigen Profi, der Manns genug war, den Weg Richtung Südtribüne zu gehen: Florian Kringe wurde mit Bierbechern beworfen und wüst beschimpft.

Es wäre zu weit hergeholt, diese Anekdote als Sinnbild für Kringes Standing in der Öffentlichkeit zu werten, ein wenig Symbolcharakter schwingt dennoch mit: der erste, dem es an den Kragen geht, ist Kringe.

So sehen es auch vermeintliche Experten, die vor Saisonstart ihre Meinung zu einer möglichen ersten Elf kundtun. Der Name Kringe taucht dann nie auf. Am 1. Spieltag steht Kringe, der auch nun wieder alle Hinrundenspiele absolvierte, jedoch meist auf dem Feld.

Reinhardt, der Überleber

Der Dortmunder teilt sein Schicksal mit mehreren Leidensgenossen. In jedem Klub gibt es sie, diese bodenständigen Kerle, die ohne zu murren zuverlässig ihrer Arbeit nachgehen und die sich jeder Trainer im Kader wünscht.

"Einen Mann wie Basti nennen wir bei uns in den Niederlanden einen Überleber", sagt beispielsweise HSV-Coach Martin Jol über Abwehrrecke Bastian Reinhardt. Der 33-Jährige gilt seit langem als Notnagel in der Hamburger Verteidigung, in zuletzt 46 von 51 möglichen Partien stand jedoch sein Name auf dem Spielberichtsbogen.

Vincent Kompany kam an Reinhardt nicht vorbei, musste zuerst ins Mittelfeld und dann zu ManCity flüchten. Alex Silva trägt zwar noch die Raute auf der Brust, doch auch er hat Schritt eins schon hinter sich.

"So blind kann ich nicht sein"

Reinhardt, der durch konsequentes Auftreten, Robustheit und gutes Stellungsspiel besticht, ließ Huub Stevens und Jol keine andere Wahl. Größter Trumpf ist seine Kopfballstärke, die Jol sagen lässt: "Ich weiß, was ich an Basti habe. Der HSV hat nicht umsonst in der letzten Saison so wenige Gegentore - insbesondere bei hohen Bällen und Standards - kassiert."

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In der öffentlichen Wahrnehmung spiegelt sich das Lob der Übungsleiter allerdings kaum wider.

"In den letzten vier, fünf Jahren hieß meine Prophezeiung jedes halbe Jahr "draußen sitzen". Und dann bin ich doch wieder aufgetaucht. So blind kann ich also nicht sein", sagt Kringe mit einem Lächeln, dem sich auch Reinhardt anschließt: "Ich registriere es zwar noch, amüsiere mich aber darüber. Es gab Zeiten, da hat es mich geärgert."

Vielseitigkeit ist Kringes Trumpf

Auch wenn diese Spieler nicht für 50-Meter-Dribblings à la Messi oder Traumtore im Stile eines Ronaldo sorgen, so bringen sie dennoch Eigenschaften mit, die für ein homogenes Gleichgewicht innerhalb eines Fußballteams elementar sind.

Beidfüssigkeit, Führungspersönlichkeit, Charakterstärke, Bodenständigkeit, Laufstärke, Kampfkraft heißen die Schlagworte. An Kringes Vielseitigkeit beißen sich die Konkurrenten seit Jahren die Zähne aus.

"Ich musste in der Jugend schon viele Positionen bekleiden. Ich bin eigentlich gelernter Stürmer, habe dann aber mal in der Abwehr gespielt und dann wieder im Mittelfeld. Die Vielseitigkeit ist mir sicher zugute gekommen", verrät Kringe im Gespräch mit SPOX.

Kruse adelt Dardai

Reinhardts großes Plus ist die Erfahrung von knapp 300 Spielen in den deutschen Profiligen. Er ist eine ehrliche Haut, er führt die jungen Spieler im Kader, zu ihm schaut man auf.

Gleiches trifft in der Hauptstadt auf Pal Dardai zu. Der Ungar kickt seit zwölf Jahren in Berlin. Fast genauso lang sieht er sich mit Konkurrenz konfrontiert, die ihm den Platz streitig machen will - zumeist vergebens.

Für Hertha-Kenner Axel Kruse ist der 32-Jährige mit ein Baustein des aktuellen Höhenflugs: "Pal hat das Ganze als erfahrener Spieler zusammengehalten, er gilt bei seinen Mitspielern als Respektsperson. Bei ihm können sich junge Spieler auch mal anlehnen", adelt ihn Kruse im SPOX-Interview.

Weltmeister keine Konkurrenz

Ganz so weit ist Sascha Riether in Wolfsburg noch nicht, doch spricht das wuselige Kraftpaket bereits davon, "mit der Zeit Verantwortung zu übernehmen." Der ehemalige Kapitän der U 21 hat allen Grund dazu, hat er doch die These vom bodenständigen Kämpfertypen, der jeder Mannschaft gut tut, erfolgreich bestätigt.

Der Rechtsverteidiger zwang Felix Magath durch blitzsaubere Leistungen quasi dazu, Weltmeister und Millionenneueinkauf Cristian Zaccardo auf die Bank zu verbannen. Ohne zu zaubern erfüllt Allzweckwaffe Riether, auch im zentral defensiven Mittelfeld einsetzbar, dank fehlerfreier Ballbehandlung, Konditionsstärke und Offensivdrang die Anforderungen, die der strenge Magath an ihn stellt.

Bald startet die Bundesliga in die Rückrunde. Auch dann wird man wieder über fleischgewordene Lebensversicherungen à la Ribery, Diego und Co. staunen und sprechen. Wer jedoch die wahrlich Unverzichtbaren finden will, muss jenseits des Rampenlichts suchen. 

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