"Dieter Hoeneß ist das Gesicht der Hertha"

Von Interview: Daniel Börlein
Axel Kruse im August 1997 im Trikot von Hertha BSC Berlin
© Getty

Hertha BSC Berlin absolvierte eine überaus erfolgreiche Hinrunde und konnte mit lediglich zwei Punkten Rückstand auf Platz drei der Tabelle überwintern. Im SPOX-Interview spricht Axel Kruse, seines Zeichens Hertha-Insider, über Trainer Lucien Favre, Top-Stürmer Marko Pantelic und Manager Hoeneß.

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Hertha BSC Berlin hat die beste Vorrunde der Vereinsgeschichte hinter sich und liegt mit nur zwei Punkten Rückstand auf Tabellenführer Hoffenheim auf Platz drei. Glück, Zufall oder harte Arbeit und System - was steckt hinter Herthas erfolgreicher Hinrunde?

Axel Kruse war Spieler und Kapitän bei der alten Dame, er lebt in der Hauptstadt und ist nach eigener Aussage "noch recht nah dran an den Jungs".

Im SPOX-Interview erklärt der 41-Jährige, warum die Hertha so stark ist, wer die Chefs in der Mannschaft sind und was er von Lucien Favre hält. Zudem spricht Kruse über die Meisterschaft, Marko Pantelic, Dieter Hoeneß und einen tollen Menschen.

SPOX: Alles sprach in der Vorrunde von der Überraschungsmannschaft Hoffenheim. In deren Schatten hat sich Hertha ganz heimlich auf Platz drei gespielt. Wie sehr sind Sie von der Hertha überrascht?

Axel Kruse: Ich hätte damit niemals gerechnet. In meinen kühnsten Träumen wäre ich nicht darauf gekommen, dass es Hertha nach der Vorrunde auf Platz drei schafft. Das war sicher nicht zu erwarten, dennoch ist es der Mannschaft gelungen. Nun gilt es aber, das Ganze in der Rückrunde zu bestätigen.

SPOX: Schafft man das? Im oberen Tabellendrittel ist es sehr eng, große Ausrutscher darf man sich nicht erlauben.

Kruse: Die 33 Punkte sind erstmal sehr bemerkenswert. So Mannschaften wie Wolfsburg, Stuttgart, Schalke oder Bremen hinter sich zu lassen, ist richtig stark. Allerdings war die Hertha in der Vorrunde auch am obersten Limit. Deshalb sage ich: Platz drei ist nicht zu halten. Wenn es am Ende Rang fünf werden würde, wäre das aus meiner Sicht noch immer eine Sensation.

SPOX: Der ein oder andere träumt vielleicht sogar ein wenig von der Meisterschaft. Warum sind Sie eher skeptisch?

Kruse: Irgendwann ist die Meisterschaft vielleicht möglich, aber ich glaube nicht, dass in diesem Jahr jemand vom Titel träumt. Das wäre ja absolut fernab jeder Realität. Der Kader ist in der Breite sicher nicht so stark besetzt. Im Moment gibt es auch einige Verletzungssorgen. So etwas ist am Ende entscheidend.

SPOX: In der Vorrunde blieb die Hertha davon weitgehend verschont, was sicher einer der Gründe für den Höhenflug war. Welche Gründe gibt es noch?

Kruse: Was wirklich top funktioniert hat, war, das Spiel des Gegners zu zerstören, kompakt zu stehen und nur ganz wenig Chancen zuzulassen. Das ist ja auch eine Qualität. Hinzu kommt, dass sich die vielen neuen Leute, die unter Lucien Favre geholt wurden, immer besser zurechtfanden und mittlerweile richtig gut integriert sind. Und dann gab es natürlich auch viele Spiele, in denen man schlichtweg zum richtigen Zeitpunkt ein Tor gemacht hat. Das hat dann häufig auch gereicht.

SPOX: Diese Qualität, sehr kompakt zustehen, wenig Chancen zuzulassen, hat der Trainer der Mannschaft eingeimpft. Ist er der Schlüssel von Herthas erfolgreicher Hinrunde?

Kruse: Der Trainer hat sicherlich einen großen Anteil. Eine sehr wichtige Entscheidung von ihm war, nach ein paar Spielen die Innenverteidigung mit Josip Simunic und Arne Friedrich zu besetzen. Diese Personalentscheidung war sicher der Schlüssel. Beide standen sehr sicher, haben nur wenige Fehler gemacht. Auch Jaroslav Drobny hat im Tor eine Top-Hinrunde gespielt. Im letzten Jahr war er eher Durchschnitt, nun hat er entscheidende Bälle gehalten. Und dann war da ja auch noch Pal Dardai.

SPOX: Der von vielen bereits abgeschrieben wurde.

Kruse: Ihn hatte man wirklich nicht mehr auf der Rechnung. Er kam ins Team zurück, hat der Abwehr unheimliche Stabilität verliehen und die Drecksarbeit gemacht. Für all dies ist sicherlich Favre verantwortlich, der seine Philosophie umgesetzt hat und deshalb so etwas wie der Vater des Erfolgs ist.

SPOX: Was ist Favre für ein Typ?

Kruse: Also, ich finde ihn ja eigentlich niedlich. Man könnte meinen, er kann keiner Fliege etwas zu Leide tun. Aber er hat ganz klare Vorstellungen, die er komplett umsetzt. Wenn er etwas nicht will, dann macht er das auch nicht. Er lässt sich überhaupt nicht reinreden. Das hat schon was. Hinzu kommt, dass er extrem viel Ahnung von Fußball und Taktik hat.

SPOX: Favre ist also der Vater des Erfolgs. Wer hat innerhalb der Mannschaft das Sagen?

Kruse: Sicherlich Friedrich, Drobny und Dardai. Pal Dardai hat das Ganze als erfahrener Spieler zusammengehalten, er gilt bei seinen Mitspielern als Respektsperson, weil er einfach ein toller Mensch ist. Bei ihm können sich junge Spieler auch mal anlehnen. Zudem spürte man in der Vorrunde, dass in diese Mannschaft der Teamgeist eingekehrt ist.

SPOX: Den man zuvor von der Hertha so nicht kannte...

Kruse: In den letzten Jahren hat jeder sein Ding gemacht, es gab Grüppchenbildung. Jetzt sieht man, was durch mannschaftliche Geschlossenheit, Teamgeist oder Mannschaftsabende möglich ist.

SPOX: Woher kommt diese Wandlung?

Kruse: Arne Friedrich hat daran sehr großen Anteil. Er hat sich als Person unheimlich weiterentwickelt. Er ist mittlerweile sicherlich die absolute Führungspersönlichkeit in Berlin.

SPOX: Innerhalb der Mannschaft stimmt es, im Umfeld des Teams gab es aber den einen oder anderen Nebenkriegsschauplatz. Da wäre zum einen der Zwist zwischen Favre und Marko Pantelic. Wie sehen Sie diesen Fall?

Kruse: Schwierig. Pantelic ist sicherlich kein einfacher Spieler. Aber man sollte sich da zusammenraufen, was sie nun, glaube ich, auch gemacht haben. Pantelic ist da etwas auf den Trainer zugegangen. Nun muss man sehen, wie das weitergeht.

SPOX: Kann die Hertha auf Pantelic überhaupt verzichten?

Kruse: Ich finde, er ist ein toller Spieler, der als Typ sicher schon mal übers Ziel hinausschießt. Aber ich habe für den Spieler und Typen Pantelic eine Schwäche. Ich würde ihn nicht so einfach gehen lassen.

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SPOX: Differenzen gab es auch in der Führungsebene zwischen Präsident Werner Gegenbauer und Manager Dieter Hoeneß. Ihre Meinung dazu?

Kruse: Das wurde etwas hochgehängt. Es ging wohl auch darum, dass Hertha nicht mit allen Spielern verlängern kann, weil man in Berlin eben auch aufs Finanzielle schauen muss. Aus meiner Sicht war es unglücklich, das Ganze in der Öffentlichkeit auszutragen. Aber so dramatisch war es nun wirklich nicht. Es ging vielleicht auch ein wenig um Eitelkeiten. Gegenbauer ist der Präsident und damit der Boss des Klubs. Da muss man auch mal etwas sagen dürfen. Punkt und Deckel drauf.

SPOX: Wie beurteilen Sie die Arbeit von Dieter Hoeneß?

Kruse: Er ist das Gesicht der Hertha. Das Problem ist, dass er im Positiven wie im Negativen der Einzige ist, der in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Das hat Vor- und Nachteile.

SPOX: Zum Beispiel?

Kruse: Hoeneß hat sicher seine Verdienste rund um diesen Verein. Aber man sollte nicht zu viel zurückschauen, sondern den Blick nach vorne richten. Entscheidend ist nicht, was war, sondern was wird.

SPOX: Warum polarisiert Hoeneß so ungemein?

Kruse: Es ist überall schwierig, wenn eine Person alles vereint. Das geht eigentlich auch bei einem Unternehmen wie Hertha BSC Berlin nicht. Er hat, wie jeder andere, seine Stärken und Schwächen. Manche sehen mehr seine Stärken, andere eben seine Schwächen. Belassen wir es dabei.

SPOX: Dass sich die Mannschaft von den Querelen abseits des Platzes nicht aus der Bahn hat werfen lassen, spricht für das Team. Welche Schritte müssen nun vom Verein folgen, damit sich die Hertha auch dauerhaft ganz oben festsetzen kann?

Kruse: Es ist nun erstmal wichtig, dass man die Vorrunde etwas relativiert und nicht völlig durchdreht. Und ich glaube, man kann das im Verein auch richtig einordnen. Eines sollte man allerdings nicht machen.

SPOX: Und zwar?

Kruse: Man darf nun nicht sagen, wir holen jetzt noch ein paar Spieler, um in die Champions League zu kommen. Der Klub hat nicht so viel Geld, deshalb muss es mit Bedacht eingesetzt werden. Den Fehler, unbedingt in der Champions League dabei sein zu wollen, hat man schon mal gemacht. Und wenn man es nicht schafft, hat man wieder finanzielle Probleme. Darauf schaut Präsident Gegenbauer allerdings schon. Er ist ein absoluter Profi, der den Verein im Blick hat.

Hertha BSC Berlin in der Winterpause