Labbadia: "Ich bin in erster Linie Egoist"

Von Stefan Rommel
Bruno Labbadia hatte als Trainer in Leverkusen bisher selten Grund, sich aufzuregen.
© Getty

Vor dem Spitzenspiel des 15. Spieltags zwischen Bayer Leverkusen und Bayern München steht Bruno Labbadia besonders im Mittelpunkt (Sa., 15.15 Uhr im LIVE-TICKER und bei Premiere). Der 46-Jährige feiert seine Trainerpremiere gegen seinen Ex-Klub und erklärt bei SPOX Eckpfeiler seines Konzepts.

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Neulich durfte Bruno Labbadia den Erzählonkel geben. Ein Leverkusener Gymnasium hatte Prominente zum Vorlesewettbewerb eingeladen.

Mechanismen und Stolperfallen

Labbadia und Bayers Co-Trainer Eddy Sözer kamen der Einladung gerne nach, Labbadia hatte - ganz Fußballtrainer - ein Buch über Fußball unterm Arm. "Locke greift an", von Uli Potofski.

Für Labbadia war der Vortrag in Klasse 6d ein kurzer Ausflug in eine andere Welt. Das Kinderbuch handelt von Jugendspieler Locke, seinem Kumpel Matz, ein wenig Europameisterschaft und ganz viel Freundschaft und Fairplay.

Freundschaft und Fairplay spielen in der Bundesliga-Welt von Bruno Labbadia eine eher untergeordnete Rolle. Dort geht es rau zu und unerbittlich und es gibt keinen Matz, der den Locke in den Arm nimmt, wenn es ihm mal schlecht geht.

Es ist ein hartes Geschäft, Labbadia kennt es seit über 20 Jahren. Kennt die Mechanismen und die Stolperfallen, die Höhen und Tiefen. Und er weiß ganz genau, welche Wege zum Erfolg führen.

Das Ego als Antrieb

"Ich bin in erster Linie Egoist, ich will Erfolg. Für mich ist das Ego der größte Antrieb überhaupt im Menschen", sagt Labbadia im Gespräch mit SPOX.

Das klingt auf den ersten Blick arrogant und nicht geeignet für einen Mannschaftssport. Im Grunde aber ist es ein probater Weg, um wie Labbadia von fast ganz unten bis fast ganz nach oben zu kommen.

Auch wenn Labbadia die Umstände seiner Jugend - er wächst als Spross einer Einwandererfamilie mit acht Geschwistern auf - nicht als Auslöser für seinen unbändigen Hunger nach Erfolg gelten lassen mag:

"Ich tue mich schwer, zu sagen, weil ich aus einfachen, vielleicht sogar ärmlichen Verhältnissen komme, habe ich mehr Hunger auf Erfolg. Ich weiß nur, dass ich in einer Zeit groß geworden bin, in der es nicht viel ausgemacht hat, weniger Geld zu haben. Das ist ein Vorteil."

Den Vorteil münzte Labbadia um in 19 Jahre als Profi, mit 557 Spielen in Bundesliga und 2. Liga und insgesamt 203 Toren. Es sollte eine Karriere im Management des Karlsruher SC folgen, seiner letzten Station.

Zuckerbrot und Peitsche

Dann aber rief der SV Darmstadt 98 und Labbadia folgte dem dringlichen Ruf seines Heimatvereins. "Ich habe immer gesagt, dass ich diesem Verein etwas zurückgeben will. Das habe ich dann auch getan."

Der 42-Jährige feierte schnell Erfolge bei den Lilien und machte nebenbei seine Trainerscheine. Bei Greuther Fürth weckte er nach nur einer Saison Begehrlichkeiten einiger Bundesligisten und heuerte in diesem Sommer bei Bayer Leverkusen an.

Jener Mannschaft, die immer atemberaubend viel Talent besitzt und so spektakulär wenig daraus macht. Labbadia findet schnell den Zugang zu einer verunsicherten Mannschaft, baut Strukturen auf und führt Verhaltensregeln ein und den Acht-Stunden-Tag.

Akribie und klare Ansprachen halten Einzug, zusammen mit Co-Trainer Sözer verfolgt Labbadia die Strategie von Zuckerbrot und Peitsche. "Wir brauchen harte, detailgetreue Arbeit auf dem Platz. Und wenn wir dann gewonnen haben: Genießt es, geht feiern! Aber am nächsten Morgen ist wieder Arbeit angesagt."

Ein wenig wie Barca

Labbadia ist offen für Neues, adaptiert vieles, verwirft später wieder vieles, ist immer auf der Suche nach dem perfekten Weg. Dazu gehören auch Zugeständnisse an seine juvenile Belegschaft:

"Es bringt nichts, den Spielern permanent Verbote zu erteilen. Fast Food? Meinetwegen. Man soll sie auch mal genießen lassen. Allerdings nur zum richtigen Zeitpunkt und nicht andauernd."

In einem Interview mit der "FAZ" hat er einmal erzählt, Leverkusen sei so, "wie den FC Barcelona zu trainieren. Einfach wunderbar. Das ist mein Zuhause." In gewissem Sinn hat das Leverkusen unter Labbadia mit dem großen Barcelona sogar einiges gemeinsam, etwa die Mittelfeldreihe mit drei offensiv ausgerichteten Spielern und den variablen Stil bei eigenem Ballbesitz.

Und wie bei Barca oder auch Europameister Spanien gibt es auch in Leverkusen zwei Ebenen, die es zu verknpüfen gilt: "Wir halten auch Verordnungen ein. Aber gleichzeitig will ich auch Freude, Spaß und Individualismus. Roboter kann ich nicht gebrauchen", sagt Labbadia.

Hospitieren statt beschenken lassen

Er hat sich sein Wissen abgeguckt, angelernt und erarbeitet. Er ist einer aus dieser neuen, autodidaktischen Trainergeneration, die lieber hospitieren geht, als sich - als späte Entlohnung für frühere Verdienste als Spieler - den Trainerschein quasi nachwerfen zu lassen.

Am Samstag erwartet Labbadia eine neue, die größte, Herausforderung: Mit seiner Mannschaft empfängt er den FC Bayern München.

Es wird seine Trainerpremiere gegen die Bayern, für die er einst selbst 28 Tore in 82 Spielen erzielt hatte. Es wird ein echtes Spitzenspiel werden, denn Labbadia wird das machen, was er am besten kann: Er wird angreifen.

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