Deisler: "Habe Krieg gegen mich geführt"

Von SPOX
Sebastian Deisler beendete nach 136 BL-Spielen und 16 BL-Toren seine Karriere
© Getty

Erstmals seit seinem Rücktritt Anfang des Jahres hat sich der ehemalige deutsche Nationalspieler Sebastian Deisler wieder zu Wort gemeldet. "Mir geht es gut. Ich habe erst einmal Abstand gebraucht und die Ruhe genossen. Ich möchte jetzt ein Leben führen, das ich alleine bestimme", sagte der 28-Jährige im Interview mit "11 Freunde".

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Deisler bei "11 Freunde" über...

... die Gründe für den Rücktritt: "Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass ich so, wie alles gelaufen ist, nicht geschaffen war für dieses Geschäft. Am Ende war ich leer, ich war alt, ich war müde. Ich bin so weit gelaufen, wie mich meine Beine getragen haben, mehr ging nicht. Ich habe so lange gekämpft gegen mich, ich habe Krieg geführt gegen mich, bis ich es nicht mehr ausgehalten habe. Deswegen habe ich einen Schlussstrich gezogen."

... das Gefühl der Erleichterung nach dem Rücktritt: " Ich war froh, ich habe Erleichterung empfunden. Ich hatte mich nach Verletzungen so oft herangekämpft, aber am Ende ist mir die Kraft ausgegangen. Ich brauchte ein paar Monate, um einen neuen Rhythmus zu finden. Das war nicht einfach. Mittlerweile komme ich damit gut zurecht."

... sein Verhältnis zu Bayern-Manager Uli Hoeneß: "Das Geschäft hat zu schnell Besitz ergriffen von mir. Ich habe nie die Zeit gehabt zum Wachsen, nie die Zeit, erwachsen zu werden, ich hatte nicht mal die Zeit, Fehler zu machen. Beim FC Bayern hat man dann versucht, mir Zeit zu geben. Dafür bin ich Uli Hoeneß sehr dankbar. Er hat bis zum Schluss an mich geglaubt, aber es ging einfach nicht mehr. Im Januar war ich an einen Punkt gekommen, an dem ich mich maßlos überfordert hatte mit all meinen Problemen, meinen Schmerzen und mit meinem Träumen."

... seinen Durchbruch in Mönchengladbach: "Ich ging ab wie eine Rakete. Das war Ende der neunziger Jahre. Heute weiß ich, dass das alles viel zu schnell ging und viel zu viel war. Die Welle, die über mich kam, war nicht mehr aufzuhalten. Ich galt als Heilsbringer des deutschen Fußballs. Ich war 19!"

... seine Probleme in Berlin: "In Berlin ging es für mich von null auf tausend. Jeder wollte wissen, welche Jeans ich trage und welches Parfüm. Über Nacht hatte ich kein Privatleben mehr. Man wollte aus mir den Beckham von der Spree machen, aber das war ich nicht."

... das Gefühl der Leere im Leben: "Es geht im Fußball sehr viel um Status, um Titel, um Ego, um Macht. Mir waren die Gucci-Brillen und Prada-Shirts nicht so wichtig. Aber klar, es gab auch Phasen, in denen ich versucht habe, mich über Äußerlichkeiten zu definieren. Aber ich kam mir so lächerlich vor. In Berlin habe ich in meiner Wohnung gesessen, ich war bekannt in ganz Deutschland, ich war oben angekommen, und vor der Tür stand ein Mercedes. Aber das alles hat mich nicht glücklich gemacht. Ich habe mich gefragt, war's das jetzt? Ich war todunglücklich."

... seinen Fehler: "Mir fehlte von Anfang an ein festeres, ein stärkeres Fundament. Ich wollte nicht mehr verletzt werden wie damals mit 15. Ich habe versucht, in diesem Geschäft zu überleben. Dabei bin ich so weit übers Ziel hinausgeschossen. Ich hätte eher auf meinen Körper hören sollen. Ich habe versucht, vieles zu verstecken."

... seine Zukunftspläne: "Als ich noch bei Hertha war, saß ich im Mannschaftsbus und blickte aus dem Fenster. Ich sah drei junge Männer. Vielleicht 19, 20 Jahre alt, so wie ich damals, sie hatten Schultaschen über den Schultern, es waren Studenten. Was hätte ich damals dafür gegeben, mit ihnen zu tauschen. Momentan arbeite ich an einem Buch, das andere hole ich bestimmt nach. Ich freue mich darauf."

Sebastian Deisler: Seine Karriere im Steckbrief