Lautsprecher in Ballonseide

Von Florian Bogner
Christoph Daum, Uli Hoeneß
© Getty

Es war ruhig in den letzten Tagen am Geißbockheim und an der Säbener Straße. Fast schon zu ruhig. Vielleicht tat die Länderspielpause ihr übriges, der Fokus war nicht auf die Liga und auf ihre größten Antipoden gerichtet. Dabei steht am Samstag (15.30 Uhr im SPOX-TICKER und bei Premiere) zum ersten Mal seit dem 9. Februar 2000 wieder ein Pflichtspiel zwischen Christoph Daum und Uli Hoeneß auf dem Programm.

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Daum vs. Hoeneß - oder die erbittertste Hassliebe im deutschen Fußball. Ihre Auseinandersetzungen haben über fast 20 Jahre hinweg Bundesliga-Geschichte geschrieben. Ohne Daum wäre Hoeneß nicht das, was er ist - und umgekehrt. Das wissen beide, und beide wissen um den Stellenwert des anderen.

Daum im Sommer: "Ich kann nur noch mal sagen, dass ich eine sehr hohe Wertschätzung für das habe, was Uli Hoeneß bei Bayern aufgebaut und für den deutschen Fußball geleistet hat. Dafür bewundere ich ihn. Dementsprechend gehe ich auf Uli zu und beurteile ihn in dieser Art und Weise." Ein Ritterschlag für den Feind. Küsschen wird es am Samstag trotzdem nicht geben.

1989: Showdown im Sportstudio

Die "innige Beziehung" zwischen Daum und Hoeneß fand bereits im Mai 1989 ihren Anfang. Damals, als Hoeneß noch volles Haar und Krawatte, Daum Vokuhila und Ballonseide trug. Köln war den Bayern mit einem nölenden Hallodri als Trainer nach 30 Spieltagen gefährlich nahe gekommen und Hoeneß schwitzte ob der unglaublichen Unverfrorenheit, mit der der damals 35-jährige Daum verbal auf alles schoss, was sich in München so regte.

Am 20. Mai, vier Tage vor dem Spiel Köln gegen Bayern, kam es im "Aktuellen Sportstudio" zum Showdown. Zuvor hatte Daum mehrfach verbale Salven auf den damaligen Bayern-Trainer Jupp Heynckes gefeuert und bei Hoeneß einen wunden Punkt getroffen. Das legendäre Gespräch, noch einmal nachgezeichnet:

Hoeneß (im Anzug mit Krawatte) sitzt mit Heynckes links vom Moderator. Gegenüber das Kölner-Duo Daum (Anzug, Hochwasserhose) und Udo Lattek. Lattek und Heynckes sind nur Statisten, ebenso wie ZDF-Mann Bernd Heller. Dafür ist das Publikum von Anfang an Spielball der beiden.

Hoeneß (ledert los): "Du hast über Jupp Heynckes gesagt: Der könnte auch Werbung für Schlaftabletten machen..."

Daum (unterbricht): "Richtig..." (Publikum raunt) Hoeneß (zunehmend ungehalten): "...Du hast über ihn gesagt: Wenn einer so dünnhäutig ist, hat er hier nichts zu suchen... (Daum nickt mehrfach) ...die Wetterkarte ist interessanter als ein Gespräch mit Jupp Heynckes..."

Daum (lässig): "Richtig."

Hoeneß (hilflos): "Das ist alles okay..."

Daum: "Ja, da stehe ich auch dazu!"

Hoeneß (zitiert unbeirrt weiter): "...aber jetzt kommt der entscheidende Punkt: Nach dem Sieg über Inter Mailand ging es ihm mal für ein paar Stunden besser, da war eine Hirnwindung mehr durchblutet. Im Grunde genommen ist er völlig kaputt."

Daum: "Schön, dass Du Dich so gut vorbereitet hast...!"

Hoeneß: "...Moment!"

Daum: "...denn ohne die Vorbereitung würdest Du ja gar nicht über die Runden kommen! (Publikum klatscht und johlt) Das ist doch jetzt nur im Prinzip eine Masche, um mich von meinem Weg abzubringen. Aber ich kann Dir garantieren: Das schaffst auch Du nicht!" (Heissa! Volksfeststimmung im Publikum)

Hoeneß (überlegen bis arrogant): "Ich werde das auch gar nicht versuchen, weil am nächsten Donnerstag... ist Dein Weg zu Ende! (Daum macht den Scheibenwischer) ...und... äh..." (Hoeneß wird von 'Zieht den Bayern die Lederhos'n aus'-Gesängen abgewürgt, Tumulte im Publikum)

Fantastisch. Grandios. Meint man heute. Man muss sich nur die Klickzahlen des Videos auf YouTube ansehen. Ein Stück Fernsehgeschichte. "Das war Leidenschaft", sagte Hoeneß Jahre später. "Ich wollte ihm etwas entgegen schleudern, so wie man früher in der Geschichte den Speer geschmissen hat. Ich habe Worte geschmissen."

Das Ende vom Lied: Bayern gewann in Köln dank dreier Roland-Wohlfarth-Tore mit 3:1 und wurde Meister. Hoeneß war trotzdem nicht als Sieger auszumachen.

2000: Ein Schnupfen und seine Folgen

Weitaus weniger amüsant verlief die nächste Episode zwischen den beiden elf Jahre später. Daum, mittlerweile gereift, in blauen Sakkos unterwegs und mit Leverkusen drauf und dran, den Bayern das Leben schwer zu machen, stand kurz vor der Nachfolge von Erich Ribbeck als Nationaltrainer.

Da tätigte Hoeneß in der "Abendzeitung" eine folgenschwere Aussage. Der Wortlaut: "Wenn alles Fakt ist, worüber geschrieben wurde, auch unwidersprochen, über den verschnupften Daum, dann kann er nicht Bundestrainer werden. Ich habe noch keinen Beweis. Aber wenn ihn einer erbringt, dann mache ich das nicht mit." Touché.

Daum tobte, Daum leugnete, Daum ließ proben und Daum verlor beinahe alles, als sein Kokain-Konsum letztlich nachgewiesen wurde. Ebenfalls ein Stück TV-Geschichte und fast schon ein geflügeltes Wort in Deutschland: "Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe."

Der Rest war Chaos. Ein entsetzter Calmund rang wochenlang um Fassung, Daum flüchtete in die USA und lieferte mit kahlgeschorenem Kopf eine aberwitzige Version einer B-Probe. Hoeneß hatte abermals Recht behalten und triumphierte dennoch nicht.

2006: Messisas im Krankenhaus

Sechs Jahre später schlug Daum nach Jahren im Exil in Istanbul und Wien wieder in Köln auf. Der Wirbel um den "heimgekehrten Messias" im November 2006 war so groß, das selbst Medienprofi Daum ein eigenartiges Bild abgab, als er zunächst auf einer Pressekonferenz in einem Kölner Krankenhaus über seinen Verzicht fantasierte, später dann doch zusagte und das Traineramt übernahm.

Hoeneß, ganz Gentleman, ließ sich nicht lange bitten und gab im DSF-Doppelpass noch einmal seine Geringschätzung zu Protokoll. Zitat: "Christoph Daum ist ein Selbstdarsteller mit einem außergewöhnlichen Hang zum Größenwahn."

2008: Respekt - aber keine Küsschen

Nun stehen sie sich wieder gegenüber. Nicht mehr als die erbitterten Feinde von damals, doch Podolskis Heimweh nach Köln hat das Spannungsventil im Sommer erneut in Grenzbereiche getrieben. Fortsetzung folgt, wenn auch sehr wahrscheinlich nicht an diesem Samstag.

"Ich möchte ein normales und respektvolles Verhältnis zu ihm. Ja, bei uns ist fast schon Normalität eingetroffen", sagte Daum, um dem Spiel die Brisanz zu nehmen. Wie gesagt, es war ruhig am Geißbockheim und an der Säbener Straße. Und Küsschen wird es dennoch nicht geben.

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