Roter Rückschritt in alte Zeiten

Von Torsten Adams / Markus Hoffmann
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© Getty

Nur vier Tage lagen zwischen dem furiosen 5:1-Kantersieg der 96er gegen Gladbach und dem 0:4-Debakel in Leverkusen. In vier Tagen von aufkeimender Euphorie zu fassungsloser Ratlosigkeit. Das Resultat: In Hannover hängt der Haussegen erneut schief.

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Vor allem 96-Kapitän Robert Enke fand deutliche Worte für Mitspieler Jan Schlaudraff, der vor dem 0:1 den Ball leichtfertig verloren hatte. "Ich habe in den vier Jahren, die ich hier bin, noch nie Namen genannt, aber das geht einfach nicht. Wir nehmen uns vor, von der ersten Minute voll da zu sein, und einzelne Spieler sind es dann nicht", meinte der Torwart.

Die desolate Leistung der Roten war ein Rückschritt in die Abwehr-Chaos-Tage der ersten drei Saison-Partien. In den kompletten 90 Minuten erspielte sich Hannover nicht eine Chance. Ein Zweikampfverhalten war nicht vorhanden. Selbst einfachste Pässe kamen nicht beim Mitspieler an. Kurzum: 96 fand in Leverkusen nicht statt.

"So kann man in der Bundesliga nicht spielen. Es fehlte in allen Belangen", polterte Sportdirektor Christian Hochstätter.

Zugutehalten kann man den Niedersachsen, dass sie ohne sechs Stammkräfte auskommen mussten. Zudem waren Jiri Stajner und Szabolcs Huszti von einem Magen-Darm-Virus geschwächt. Zu allem Überfluss gesellten sich zum namhaften 96-Lazarett auch noch Valerien Ismael und Jan Schlaudraff.

"Schießbude Enke!"

Enke sind die Verletzungssorgen jedoch keine Ausrede: "Alle, die gespielt haben, sind gestandene Bundesliga-Spieler. Ich bin von der Leistung meiner Mannschaft entsetzt, das hatte heute kein Bundesliga-Niveau. Die vielen Verletzten und Kranken dürfen keine Ausrede sein."

Der Nationaltorwart war der bemitleidenswerteste Akteur des Abends. Nicht nur wegen der Gegentore ausgerechnet im Stadion des Nationalmannschafts-Konkurrenten Rene Adler. Enke kassierte zudem Spott und Häme der Bayer-Fans, die sich mit Schmähgesängen a la "Schießbude Enke!" und "Adler für Deutschland, Enke raus!" für ihren Favoriten auf die Nummer eins im DFB-Kasten stark machten.

"Fußball vom Feinsten"

Adler selbst war mit dem Spielverlauf auch nicht ganz zufrieden: "Ich konnte heute nicht zeigen, was ich drauf habe. Aber besser, als wenn ich ein paar tolle Paraden mache und trotzdem verliere. So ist es mir schon lieber."

Uneingeschränkt entzückt vom Spiel seiner Mannschaft zeigte sich Bayer-Sportdirektor Rudi Völler: "Das war ein toller Abend. So, wie wir es uns erhofft haben. Besser geht's nicht. Das war teilweise Fußball vom Feinsten."

Mit Recht. Denn die Werkself brannte ein regelrechtes Offensiv-Feuerwerk ab. Die Mittelfeld-Dreierreihe mit Arturo Vidal, Tranquillo Barnetta und Renato Augusto kombinierte wie vom anderen Stern. "Wir haben wieder das gemacht, was uns stark macht, schnell nach vorne zu spielen", erklärte Kapitän Simon Rolfes lapidar die Leverkusener Übermacht.

Spaßgesellschaft Leverkusen

Ebenfalls in Galaform: Die Sturmreihe mit Stefan Kießling und Patrick Helmes. Satte neun Treffer gehen bereits auf das Konto der beiden Angreifer. Vier Tore mehr, als Hannover insgesamt in dieser Spielzeit zustande brachte.

"Mit Patrick macht es richtig Spaß. Wir verstehen uns sehr gut. Auf dem Platz und auch außerhalb. Und ich glaube das sieht man", erklärt Kießling die Gründe für die herausragende Harmonie der beiden.

Helmes spielt den Ball gleich an seinen Sturmpartner zurück: "Neben Stefan ist es für mich einfach zu spielen, weil er immer dorthin geht, wo es weh tut. Dadurch entstehen Räume für mich. Das passt wirklich gut und ich hoffe, dass wir zusammen noch viele Tore schießen werden."

Völler schläft nun besser

Nur einen Tag vor Helmes' Torgala verlängerte Leverkusen den bis 2012 laufenden Vertrag mit dem Jung-Nationalspieler um ein weiteres Jahr, was besonders Völler glücklich stimmt: "Bei der Unterzeichnung haben wir scherzhaft gesagt 'dafür musst du aber gegen Hannover zwei Dinger machen'. Nun sind es drei geworden. Auch gut."

Die Bindung des 24-Jährigen an Bayer wirkt sich zugleich positiv auf Völlers Nachtruhe aus: "Ich schlafe nun besser, denn wir sind jeglichen Abwerbungsversuchen reicher, englischer Klubs zuvor gekommen. Nicht, dass Patrick auf die Idee kommt, uns zu verlassen."

"Die spielen alle umsonst"

Laut Helmes ist von diesem Szenario vorerst nicht auszugehen, hat der Ex-Kölner doch gerade erst seine Liebe zum neuen Verein bekundet und sich für das in ihn gesetzte Vertrauen bedankt: "Ich fühle mich in Leverkusen wohl. Andere Vereine sind für mich momentan nicht interessant. Und der Rudi weiß schon, dass er keine Vollblinden geholt hat."

Helmes und Bayer 04, das passt. Die Anzeichen verdichten sich, dass zwischen dem gebürtigen Kölner und Leverkusen eine innige Beziehung entsteht.

Und bei solch großer Harmonie an der Bismarckstraße fällt es Völler nicht schwer, unangenehme Fragen zur kostspieligen Vertragsverlängerung mit Helmes mit einem Lächeln zu beantworten: "Die spielen doch alle umsonst. Das wisst ihr doch."

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