In der Dauerschleife

Von Stefan Rommel
Köln, Petit
© Imago

Nur wenige Klubs im deutschen Profi-Fußball sind so zuverlässig und konstant wie der 1. FC Köln.

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Wenn im Frühherbst jedes Jahr die ersten Krisen verteilt werden, steht der FC in schöner Regelmäßigkeit ganz vorne in der Schlange und bettelt förmlich um Gehör.

Auch im September 2008 ist das nicht anders. Nach nur fünf Spieltagen in der Bundesliga mit vier Punkten und dem frühen Pokal-Aus gegen Zweitligist Mainz 05 stellt sich der FC wieder mal die Sinnfrage.

"Knallharte Worte" von Daum

Vor der Partie gegen Tabellenführer Schalke 04 (20.15 Uhr im SPOX-TICKER und bei Premiere) rauschte es deshalb intern gewaltig. Christoph Daum, der in Interviews nach der Pokal-Pleite nach außen hin einen gelinde gesagt gefassten Eindruck vermittelte, nahm sich seine Spieler intern zur Brust.

"Ich habe knallharte Worte gefunden, auch im persönlichen Bereich. Ich habe gesagt, was ich erwarte. Spieler, die eine Führungsrolle haben, nehme ich mehr in die Pflicht", ließ der Coach wissen. "Ich habe provoziert und appelliert."

Kritische Phase

Die Unruhe rund ums Geißbockheim bahnt sich solide ihren gewohnten Weg, die Suche nach den Versäumnissen der Vergangenheit läuft auf Hochtouren. Das übliche Prozedere einer mittlerweile etablierten Fahrstuhlmannschaft, alles wie gehabt.

Auch dieses Mal ist es eine Melange aus mangelnder individueller Qualität, fehlendem Selbstbewusstsein und der für Köln offenbar obligatorischen Verklärtheit, die den FC zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison wieder in "eine kritische Phase", wie es Daum formuliert, manövriert hat.

Ein einstelliger Tabellenplatz sei das Ziel, hatte Daum im Sommer propagiert. Nun ist der 54-Jährige erwiesenermaßen psychologisch gut geschult und weiß bei einer Mannschaft Reizpunkte zu setzen. Ob er seinen Aufsteigern mit diesem doch gewagten Saisonziel aber einen Gefallen getan hat?

Einsatz, Biss, Leidenschaft

Gegen die Bayern versuchte es Daum mit der defensiven Angsthasentaktik. Der Plan ging nicht auf. Drei Münchener Toren stand am Ende ein läppischer und zudem noch erfolgloser Kölner Torschuss gegenüber. In Bielefeld zerstörten anfängerhafte individuelle Fehler den Traum von zumindest einem Punkt.

Gegen Mainz fehlte es an Einsatz, Biss und Leidenschaft. In einem Pokalspiel - das an und für sich von Einsatz, Biss und Leidenschaft lebt. "Teamgeist, Kämpfen und Rennen sind Grundvoraussetzungen für einen Profi", mahnte Präsident Wolfgang Overath schon vor dem Spiel in Mainz an. Offenbar vergebens.

Das Selbstvertrauen ist im Keller. Spieler wie Faryd Mondragon, Roda Antar oder zuletzt sogar Milivoje Novakovic laufen ihrer Form hinterher.

Novakovic als Opfer der Defensivtaktik

Wobei Novakovic auch ein Opfer des Daum'schen Defensivsystems ist. Auf der einen Seite geben nur acht Gegentore dem Trainer Recht. Selbst Topteams wie der HSV, Leverkusen, Bremen oder die Bayern haben schon mehr kassiert.

Andererseits ist Kölns Offensivspiel dadurch derart leicht auszurechnen, dass es ein Leichtes für so ziemlich jeden Gegner ist, das Angrifflüftchen zu stoppen. Novakovic ist die einzige Spitze.

Wilfried Sanou (Kreuzbandriss) und Manasseh Ishiaku (Sprunggelenksverletzung) wurden quasi verletzt eingekauft, Sergiu Radu stellt Daum überraschenderweise immer wieder als hängende Spitze ins rechte Mittelfeld.

Petit in der Doppelrolle überfordert

Zudem fehlt dem FC ein Mann im zentralen offensiven Mittelfeld, der das Spiel lenkt und Bälle an sich reißt. Bälle, die derzeit hoch und weit nach vorne geschlagen werden, in der Hoffnung, Novakovic möge sie verarbeiten und weiterleiten können.

Große Hoffnungen wurden dabei in Petit gesetzt. Der Portugiese ist aber der klassische Sechser und mit der Doppelaufgabe in Defensive und Offensive völlig überfordert. So wird Petit, der seine Laufbahn in Köln "in Schönheit zu Ende bringen wollte", nur seiner Stärken beraubt.

Der einzige Lichtblick neben dem Portugiesen ist die Innenverteidigung mit Youssef Mohamad und Pedro Geromel. Der Brasilianer hat voll eingeschlagen beim FC und dient als einer der wenigen Hoffnungsträger.

Aber der 23-Jährige plagt sich mit einem Meniskuseinriss, muss derzeit konservativ behandelt werden. Daum kann es sich schlicht nicht leisten, einen Mann seiner Klasse über einen längeren Zeitraum zu ersetzen.

Ein Anführer fehlt

Insgesamt ist das Leistungsgefälle innerhalb des Teams zu groß, der so genannten Multi-Kulti-Truppe fehlt ein echter Leader. Geht der Defensivplan mal nicht auf und Köln fängt sich das erste Gegentor, ist ein Aufbäumen nicht zu sehen.

"Wir haben den Ernst der Lage erkannt", sagte Christoph Daum auf der abschließenden Pressekonferenz am Donnerstag. Voraussichtlich wird er im Vergleich zum Mainz-Spiel auf drei Positionen rotieren lassen.

Kevin McKenna, Sergiu Radu und Thomas Broich droht die Bank. Dafür stehen Marvin Matip, Fabrice Ehret und Nemanja Vucicevic bereit.

"Du spürst die angespannte Situation. Die Spieler nehmen sich die Kritik schon zu sehr zu Herzen", sagte Daum. Aber selbst das entwickelt sich in Köln zum Problem. "Da wird aus der Analyse schnell eine Paralyse." Ein Zustand der Lähmung hilft in diesen ungemütlichen Tagen aber nun gar nicht.

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