Neun Minuten Selbstzerstörung

Von Henning Maid / Stefan Rommel
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© Getty

Es war die 63. Spielminute und es war der schönste Schalker Angriff im Spiel.

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Von rechts hinten kombinierten sich die Gäste durch eine von Auflösungserscheinung geplagte Dortmunder Mannschaft, ein Hackentrick und ein Beinschuss waren behilflich und die Schalker Fans bedachten jeden einzelnen Pass mit einem euphorischen "Ole!".

An Kevin Kuranyi war es dann, das Kunstwerk schnöde zu vollenden. Mit einem Kopfball, irgendwo hinein in die knapp 18 Quadratmeter Tor, die sich vor ihm auftaten.

Der Nationalstürmer brachte aber - ähnlich wie vor zwei Wochen gegen Bochum - das Kunststück fertig und legte den Ball aus zwei Metern mit dem Kopf neben das Tor.

Schalkes hässliche Fratze

Zu diesem Zeitpunkt des Spiels war es eine leicht zu verschmerzende Gefälligkeit, die Kuranyi den bemitleidenswerten Dortmunder gewährte. Im Nachhinein, wenn man immer klüger ist, war es aber einer der Knackpunkte in einem unmöglichen Spiel.

Was kurz darauf folgte, waren die bittersten neun Minuten der jüngeren Schalker Vergangenheit und der Anfang vom Ende für die Mission Auswärtssieg im Revierderby.

Zwischen der 67. und 76. Minute zeigte Schalke seine hässliche Fratze, nachdem die Königsblauen das 132. Derby bis dahin ohne große Probleme beherrscht hatten. In neun Minuten warf Schalke ein Spiel einfach so weg, die zwei Punkte fehlen unwiderruflich.

Selbstgefällig und undiszipliniert

Eine Melange aus Selbstgefälligkeit und Undiszipliniertheit machte einen komfortablen Vorsprung zunichte. Im Mittelpunkt dabei: Christian Pander.

Der Nationalspieler ließ Neven Subotic beim 1:3 gewähren, holte sich danach die Gelbe Karte nach Foul an Tinga ab, spielte einen fatalen Fehlpass vor dem 2:3 und ging dann nach einem neuerlichen dummen Foul im Mittelfeld an Kuba mit Gelb-Rot vom Platz (73.).

Sechs Minuten brauchte er dafür. Und da auch Fabian Ernst 140 Sekunden später alle Sicherungen durchbrannten (76.), hatte Schalke nicht nur seinen beruhigenden Vorsprung verspielt, sondern war gegen wiederbelebte Dortmunder auch noch zwei Mann weniger.

"Ich habe Arroganz gesehen"

Dass dann Lutz Wagner eine Minute vor Schluss auch noch falsch über Schalke richtete und einen völlig unberechtigten Handelfmeter vor dem Ausgleich verhängte, passte zu diesem ernüchternden Fußballnachmittag für die Schalker.

"Ich habe ein bisschen Arroganz gesehen", musste Trainer Fred Rutten nach dem Spiel sagen. Er sagte es mit scharfem Unterton, er war sauer auf seine Mannschaft. Und er war sauer auf Schiri Wagner und dessen Assistenten.

Kuranyi auf dem Holzweg

Das Gespann erlebte in der Tat einen fulminant schwarzen Tag. Deren Fehlentscheidungen regelten am Ende die Punktevergabe. Die Schalker Reaktionen nach dem Spiel rechtfertigen sie deshalb noch lange nicht.

Schalke fühlt sich betrogen von den Unparteiischen. "Der Schiri muss sich mal fragen, ob er mit seiner Leistung heute zufrieden ist. Wir können nicht zufrieden sein, wenn einem zwei Punkte weggenommen werden von einer Person, oder drei, oder vier."

Sagte Kevin Kuranyi. Jener Kuranyi, der in der 63. Minute seinen Job ebenso wenig vernünftig erledigte, wie Wagners Team.

Schalke betrügt sich selbst

Schalke hat sich selbst betrogen, aber immerhin unfreiwillig für "ein fantastisches Derby, eins der besten aller Zeiten" gesorgt, wie Zweifach-Torschütze Alexander Frei bemerkte.

"Es war vielleicht das beste Spiel, seitdem ich hier auf Schalke bin", erkannte Heiko Westermann zwar. "Aber am Ende spielen wir hier 3:3 und keiner weiß warum."

Es waren diese neun Minuten zwischen 16.54 Uhr und 17.03 Uhr, die Schalke zwei Punkte geklaut hatten. Es war Schalker Nachlässigkeit und Dortmunder Willen - und erst in letzter Instanz eine Fehlentscheidung von Schiedsrichter Lutz Wagner.

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