Anarchie im Freistaat!

Von Stefan Moser
Hannover 96, Bayern München
© Imago

Schön war's schon, was Hoffenheim und Werder da in Bremen auf den Rasen zauberten. Doch eine defensive Insolvenz alleine reicht nicht aus für unsere Rückschau auf den 6. Spieltag.

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Da müssen schon ganz andere Nummern her: Ein BigMac auf der Streckbank etwa, oder eine Katze im Mixer. Auch ein Butterbrot für Friedhelm Funkel und ein Kaugummi mit Senf von Stefan Effenberg. Die kulinarischen Highlights des Wochenendes - wie immer in der Alternativen Liste.

1. Kaugummi-Rastelli: Toll, dass Dortmund Stuttgart schlug, und spitze auch, dass Alex Frei dabei ein Tor geschossen hat. Das wahre Meisterstück jedoch gelang dem Schweizer schon beim Aufwärmen: Die Kollegen dehnten friedlich ihre Muskeln, da stolzierte Frei in ihre Mitte, kratzte sich im Schritt und prahlte: "Hey! Guckst du, was ich kann!" Er spuckte seinen Kaugummi nach vorne, jonglierte ihn ein paar Mal lässig auf der Stiefelspitze, kickte ihn nach oben - und fing ihn mit der Schnute wieder auf! Fußballerisch war das vom Feinsten, hygienisch freilich unter aller Sau. Denn, liebe Kinder: Ein Kaugummi, der schon mit Schuhwerk Umgang pflegte, gehört unter die Bank oder vielleicht noch in den Pferdeschwanz der Nachbarin geschmiert - in den Mund zurück gehört er nicht!

2. Bismarcks Erben: Zwei Dinge sagte Stefan Effenberg, der als Experte seinen Senf zu Frankfurt gegen Bielefeld abgeben sollte. Erstens sei er froh, wenn die zwei Rumpeltruppen bloß den Rasen nicht zu Ackerland zerpflügten. Und zweitens habe Eintracht-Trainer Friedhelm Funkel im Umgang mit den Spielern nun die Wahl: "Butterbrot oder Peitsche." Mit dem ersten Statement zeigte Effe Sachverstand und auch Humor. Aussage zwei jedoch beweist: In Sachen Redensarten hat der Mann von Titten und Blasen keine Ahnung!

3. Ach so: Die beiden spielten ja auch noch: Frankfurt gegen Bielefeld, volle 90 Minuten! Der Rasen sah danach zum Fürchten aus, am Ende hieß es 1:1 - klar zu wenig für die Eintracht. Und so steht Funkel also weiter vor der Frage: BigMac oder Streckbank, Hawaii-Toast oder Daumenschraube...

4. GEZ-Boykott: Weil Wolf Dieter Poschmann der 3000-Meter-Hindernis-Experte des ZDF ist, darf er regelmäßig das "Aktuelle Sportstudio" moderieren. Dass er Einwurf dabei kaum von Auswurf unterscheiden kann, ist eine Sache. Doch am Samstag wollte Poschi Fußball-Deutschland glatt ein ganzes Spiel verschweigen. Irgendwas von "Boxkampf" radebrechend stakste er schon Richtung Torwand, als die Stimme aus dem Off ihn unterbrach: "Herthacottbus", sprach der Regisseur. Wie bitte? "Herthacottbus!" Hektisch kramte Poschmann dann in seinen Zetteln, fand irgendwann den richtigen und moderierte lustlos an. Tatsächlich war der knappe Sieg für Cottbus kaum der Rede wert, ihn jedoch gleich ganz zu unterschlagen - das, so Effenberg, schlug doch dem Fass die Krone ins Gesicht.

5. Der kleinliche Herr Brych: Dass er den Treffer zum 2:0 für Dortmund anerkannte, obwohl Stuttgarts Torhüter Jens Lehmann zuvor im Fünfmeterraum gefoult worden war, erklärte Schiedsrichter Dr. Felix Brych später so: "In England hätten sie auch nicht gepfiffen." Ein blödes Argument. In England essen sie auch Pfefferminz zum Hähnchen. Und Kaugummi, der schon an Fußballschuhen klebte...

6. Anarchie im Freistaat: CSU-Chef Beckstein hatte es befohlen: Unter zwei Maß Bier geht ein echter Bayer nicht zur Wahl! Das sahen seine Untertanen sofort ein und gingen prompt besoffen an die Urne. Und jetzt hat Beckstein den Salat. Denn das Delirium macht's möglich: Nun ist auch der Freistaat demokratisch, die absolute Mehrheit - futsch. Doch wie sagte einst schon Karl-Heinz Rummenigge: Fußball ist ja keine Politik! Und so darf wenigstens noch Jürgen Klinsmann weiterhin alleine herrschen.Doch dessen durchaus einsame Entscheidung, Ottl, Sosa, Lell und Breno in Hannover auf den Patz zu schicken, mündete in einer Niederlage und machte den schlechtesten Saisonstart der Bayern seit 31 Jahren perfekt. So ist das mit den Wahlversprechen...

7. Apropos Anarchie: Rotation ist dufte, an der Aufstellung kann's nicht gelegen haben, "ich würde es jederzeit genauso wieder machen", zog Klinsmann seine Lehren aus der Niederlage in Hannover. Und Recht hat der Mann, schließlich muss man eine Linie auch mal durchziehen. Oder, wie Herr Effenberg wohl sagen würde: Wer A sagt, muss auch einen Kreis rum machen!

8. Buhukay: HSV-Torwart Frank Rost spricht selten schlecht von seinen Gegnern. Doch am Samstag konnte er nicht anders: "Dass wir gegen so eine Mannschaft überhaupt eine Torchance zugelassen haben, ist eigentlich ein Armutszeugnis." Im vermutlichen schlechtesten Spiel des Jahres hatte Hamburg zuvor 1:0 gegen Gladbach gewonnen. So richtig freuen konnte sich aber niemand, nur Fohlen-Trainer Jos Luhukay war aus irgendeinem Grund zufrieden: "In der ersten Hälfte waren wir richtig gut und haben das Spiel total kontrolliert." Was auch immer er genommen hatte, bevor er diese Mär ersann: Er sollte besser nicht versuchen, es durch den Zoll zu schmuggeln.

9. Zahlendreher: Zwölf zu Null - das ist ein eindeutiges Ergebnis, eine saubere Sache, da hätte selbst Franz-Josef nicht gemeckert. Zwölf zu Null, so lautete das Eckenverhältnis im Spiel Dortmund gegen Stuttgart - und zwar zugunsten der Schwaben! Doch es gewann der BVB deutlich mit 3:0. Ein statistisches Paradoxon! Was wohl Effe dazu sagen würde: Da wird die Katze im Mixer verrückt? Da fehlte das Tüpfelchen auf der Sahne? Oder ließ sich Stuttgart gar den Zucker vom Brot nehmen?

10. Europapokal, Europapo: Jetzt hat's also auch WOB erwischt. Gegen bockstarke Karlsruher feierte der VfL Wolfsburg die erste Saisonniederlage. Halb so wild, fand Trainer Felix Magath, immerhin ist bald UEFA-Cup, und "da waren einige Spieler wohl schon bei der vermeintlich wichtigeren Partie".In der Tat muss man die Profis da verstehen, schließlich wartet am Donnerstag schon Rapid Bukarest.

Trotzdem ist diese Denkweise nicht ohne Risiko, denn was soll erst passieren, wenn es später gegen dicke Brocken geht: Artmedia Petrzalka zum Beispiel, oder Metalist Kharkiv! Verliert dann WOB auch gegen Gladbach?!?

11. Köln: Erstaunlich viele Energien verschwendet Köln darauf, sich ohne Not die Narrenkappe aufzusetzen, und das nicht nur zu Karneval: Hohn und Spott sind Stammgäste im Geißbockheim. Die Zuschauer jedoch gehören mit zum Besten, was die deutsche Fankultur zu bieten hat, und zudem ist der Zeitpunkt günstig - deshalb diesmal völlig ohne Häme: ein ehrliches Lob. Der 1:0-Sieg des FC am Freitag gegen Schalke war bärenstark und hoch verdient! Das musste auch der königsblaue Altintop so sehen und setzte sein Kopfball in der Nachspielzeit sportlich fair nur an den Pfosten.

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