Ein Leben ohne Sex

Von Stefan Moser
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© Imago

Fünf Gegentore für die Bayern, die Tabellenführung für Schalke, drei Spiele am Sonntag, und Cottbus trifft das Tor! War die Bundesliga denn komplett besoffen?

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Pünktlich zum Oktoberfestanstich machte es beinahe den Eindruck. Alles Wissenswerte zu den Themen Alkoholismus und Surrealismus - in der Alternativen Liste des 5. Spieltags. Mit schönen Grüßen an Frau Saalfrank.

1. Klimawandel: Noch gar nicht allzu lange ist es her, dass Mario Gomez seinen damals frisch gewonnenen Eindruck mit der Welt teilte, Maik Franz sei alles in allem doch ein ziemlich blöder Motherf*****. Und nun sahen sich die beiden also wieder. Doch das hochsterilisierte Hassduell fiel aus: Die pingelige DFL hatte den beiden Halbstarken nämlich vorher einen zweiwöchigen Benimmkurs bei Super Nanny Katia Saalfrank aufs Auge gedrückt. Entsprechend brav machte Franz am Ende gutes Wetter: "Heute war es ganz okay, wir haben kein Wort miteinander gesprochen." Aber Vorsicht! Ganz ähnlich formulierte einst schon Britney Spears im Rahmen ihrer Fehde mit dem angetrauten Kevin Federline - wenig später nannte sie ihn einen Motherf***** und zerrte ihn vor den Kadi.

2. Apropos Britney Spears: Um sich nicht zu fühlen wie ein U-Bahn-Schläger, sollte man vermeiden, allzu besinnungslos auf Leuten herumzutrampeln, die ohnehin schon irgendwie am Boden liegen. Bis auf weiteres seien daher folgende Personen von Hohn und Spott verschont: Britney Spears, KfW-Chef Ulrich Schröder, Amy Winehouse, Bernd das Brot und Kevin Kuranyi.

3. O'zapft is: Bayern hat ein Alkohol-Problem. Seit der hiesige Monarch Günther Beckstein nämlich öffentlich erklärte, ein gestandener Mann könne auch mit zwei Litern Wiesn-Bier im Blut noch ohne weiteres ein Auto durch den Stadtverkehr vehikeln, befindet sich der Rest der Welt in hysterisch-pädagogischer Alarmbereitschaft.

Doch Hilfe für den König kam vom Kaiser höchstpersönlich, denn am Samstag rief dann auch Franz Beckenbauer ungeniert zum Saufen auf.

"Darüber reden bringt jetzt nix", kommentierte er väterlich die 2:5-Klatsche der Bayern gegen Bremen und erließ den folgenden Beschluss: "Am besten gehen jetzt alle auf die Wiesn und genehmigen sich dort zwei, drei Maß!" Wäre Katia Saalfrank tot, sie hätte sich bestimmt im Grabe umgedreht, doch zum Glück war die mit Mario und Maik im Kuschelseminar.

4. Gewissen: "Die Tabelle hat schon einen gewissen Charme", sagte Trainer Ralf Rangnick, nachdem sich seine Hoffenheimer mit einem 4:1 gegen Dortmund auf Platz zwei geballert hatten. Unbedingt hat Rangnick damit Recht, doch auch andere Dinge haben einen "gewissen Charme": Die Vorstellung, dass der besoffene Beckstein am Oktoberfest ein uneheliches Kind mit Amy Winehouse zeugt, zum Beispiel.

5. Quizfrage: Wo war eigentlich die Gladbacher Abwehr, als Berlins Gojko Kacar den 1:0 Siegtreffer für die Hertha erzielte? a) Beim Pizzaholen b) Noch in der zweiten Liga c) Von Aliens entführt d) Keine Ahnung, geht mir auch am Arsch vorbei. Die richtige Antwort ließ sich bis Redaktionsschluss nicht endgültig ermitteln, Kacar jedenfalls entschied sich für d). Ihm war's nämlich total schnurzegal, wo die Wirrköpfe sich tummelten. Er zog einfach trocken ab und wunderte sich erst hinterher: "So frei in Bundesliga? Das hat mich schon überrascht."

6. Aphorismen zum selber bauen: "Fußball ohne Tore ist wie Leben ohne Sex", philosophierten am Samstag die Cottbusser Fans auf einem Transparent, nachdem ihre Mannschaft vorher in vier Bundesligaspielen keinen einzigen Treffer zustande gebracht hatte. Da erschraken die Energie-Profis nicht schlecht, denn ein Leben ohne Sex ist ja wie Beckstein ohne Bier - vielleicht sogar noch schlimmer. Also gingen sie aufs Ganze und feierten mit 1:1 ein wahres Schützenfest gegen den VfL Bochum. Doch ein Schützenfest ohne Sex ist wie ein Leben ohne Fußball. Beides darf nicht sein! Und so nahm in jener Spätsommernacht der demographische Aufschwung Deutschlands ausgerechnet im Osten unserer Republik den Anfang.

7. Kampf der Titanen: Enke gegen Adler, der Kampf ums deutsche Tor, der Clash of the Titans! So stand's geschrieben vor dem Spiel Leverkusen gegen Hannover am Freitag. Leider fiel auch dieses Duell ins Wasser. Wegen Lustlosigkeit der Adjutanten. Hannover schoss exakt null Mal auf Adler, nur Enke bekam ordentlich die Hucke voll -  Bayer gewann höchst verdient mit 4:0.

8. Apropos Klimawandel: Jens Lehmann ist ein überzeugter Schnösel, und darum fliegt er ab und an per Hubschrauber von seinem Haus in Starnberg zum Trainingsplatz in Stuttgart. Die Investigativen von der "Bild" bekamen davon Wind, legten die Sozialneid-Platte auf, kletterten aufs Minarett und brüllten laut: Skandal!

Warum sie dabei allerdings ein Wortspiel auf der Straße liegen ließen, bleibt für immer ihr Geheimnis. Mit freundlichen Grüßen liefern wir es gerne nach: Jens Lehmann ist inzwischen wirklich komplett abgehoben. Und eine Umwelt-Sau ist er noch obendrein.

9. Immerhin ein Anfang: Köln hat zwar in Bielefeld verloren, aber das tut nichts zur Sache, weil Köln spielt ja bald Champions League. Viel wichtiger ist, dass der FC sich nun in einer eigenen Kampagne gegen den Rassismus stark macht. "Es ist wichtig, dass wir darauf aufmerksam machen, dass Köln für Toleranz, Offenheit und Integration steht", erklärte Trainer Christoph Daum. "Echt prima, Christoph, find' ich toll, dass du das auch so siehst", sprach da vom Glück beschwipst Frau Saalfrank, "und jetzt gehen wir zusammen in die nächste Schwulenbar."

10. Auch immerhin ein Anfang: Wolf unter Wölfen - das wollte Felix Magath sein und ging im Sommer mit dem VfL auf Einkaufstour. Doch weil die neuen Stars in Wolfsburg nicht so richtig funktionierten, lief er schon nach kurzer Zeit Gefahr, ganz plötzlich nur zum Trottel unter Trötteln zu mutieren. Doch ein genialer Schachzug bewahrte ihn vor diesem Schicksal: Gegen Hamburg mit 2:0 in Führung gehen und anschließend nicht warten, bis der HSV zum vierten Mal den Rückstand aufholt, sondern frech das 3:0 nachlegen. Der Plan ging auf! Wolfsburg gewann, und Magath: war der Fuchs unter Füchsen. Immerhin.

11. Schluss: Kaum einer konnte so recht glauben, was sich da in München seinen Augen bot. Fünf Gegentore für die Bayern!Zeugen beschrieben die Szenerie hinterher als surreal, manche sogar als surrealistisch. Und in der Tat: Die Uhren schmolzen in der Allianz Arena, Luca Toni ging auf Stelzen und zog Schubladen aus seinem Körper, Becksteins Tochter rauchte Crack mit Katia Saalfrank, Gomez führte Franz zum Traualtar, Daum fand das charmant, und Hoffenheim bekam die Meisterschale.

Und weiter? Nichts weiter. Es ist der älteste aller dramaturgischen Kniffe, am Ende einfach möglichst viele Fäden wieder aufzugreifen und irgendwie zusammenzuknüpfen. Doch manchmal gehen eben auch ganz alte Tricks daneben - und enden ohne jegliche Pointe. Einfach so.

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