Die sieben Plagen

Von Oliver Wittenburg
Pantelic, Hertha, Haare
© Imago

Der vierte Spieltag der Bundesliga ging ja gut los mit der Madonna-bedingten Spielabsage in Frankfurt am Freitag. Der Samstag stand dann ganz unter dem Eindruck des Derbys im Revier.

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Auch die Alternative Liste blickt noch mal auf den Schlager in Dortmund zurück, hat darüberhinaus aber Tipps fürs Kuchenbacken, tolle Redewendungen, erotische Vibrations und Wissenswertes über Mertes Milben zu bieten - übrigens garantiert poldifrei.

Kuchenbacken in Berlin: Lucien Favre gab der "SZ" vor dem Spieltag ein köstliches Interview. Darin erklärt er, wie entscheidend die Intelligenz für gute Fußballer und guten Fußball ist, und dass man Salz, Zucker, Mehl und ähnliches brauche, um einen ordentlichen Kuchen hinzukriegen. "Wenn du nur einen Fehler machst, kannst du später alles wegwerfen. Es schmeckt nicht. Weil die Mischung nicht richtig ist. Wie im Fußball: Ein falscher Spieler kann in einer Mannschaft alles kaputt machen."

Meuterei in Berlin: Befehlsverweigerung oder wie man neudeutsch sagt "Gehorsamsverweigerung" ist strafbar und wer ungehorsam ist, macht sich der Meuterei schuldig. So ungefähr ist das im deutschen Wehrstrafgesetz. Nun ist davon auszugehen, dass dieses bei der Hertha keine Anwendung findet, und Herr Pantelic deshalb von kleineren Disziplinarmaßnahmen abgesehen ungeschoren davonkommt. Gegen die ausdrückliche Anordnung seines Trainers Lucien Favre schritt er gegen Wolfsburg zur Elfmetervollstreckung und haute das Ding daneben. Zum vierten Mal in Folge verschoss er vom Punkt. Vier Fahrkarten. Das hatte zuvor nur Labbadia geschafft. Sein Trainer tickte vor Wut an der Seitenlinie völlig aus, hatte er doch Cicero zum Schützen Nummer eins bestimmt. Noch doller als Pantelic' Ungehorsam ist aber seine mangelnde Einsicht. Warum er sich entschuldigen sollte, er hätte doch schon so viele Tore für die Hertha geschossen? Da wird man ihm aus den paar Elfmeterchen ja jetzt wohl keinen Strick drehen wollen. Und dann gab er noch ein italienisches Sprichwort zum Besten, dass die "Berliner Morgenpost" so wiedergab: "Du bist kein Tiger, wenn du keine Eier hast."

Egozocker: Reinhold Beckmann erteilte via "Sportschau" dem Sportkameraden Pantelic einen guten Rat: Man müsse auch mal sein Ego zurückstellen. Gute Sache, wenn Reinhold Beckmann das sagt. Dann gab Reinhold Beckmann noch eine Parodie auf Lucien Favre in Schwyzerdütsch zum Besten. Da sagen wir, was Marco Pantelic zu Recht sagen würde: Man müsse auch mal die Fresse halten.

Sieben Plagen in einem: Über die Intelligenzbestie Beckmann zur Pestilenzbeule Rafinha. Der Schalke-Brasilianer könnte so ein Star sein, schließlich vermag er wie Hölle zu kicken und sieht darüber hinaus so putzig-drollig aus wie ein Hobbit aus dem Auenland. Aufführen tut er sich aber wie die Axt im Walde. In Dortmund haute er Valdez aufs Maul, verübte im Zweikampf mit Kringe eine ganz miese Schwalbe und baute sich bei jeder Gelegenheit eine Handbreit vor Schiri Wagner auf, um ihn voll zu sülzen. Immerhin ließ er nach kurzem Disput wieder von Farfan ab, damit der den Elfer zu Schalkes Führung ausführen konnte, trotzdem: Dem Rafinha muss mal ganz schnell einer die Hammelbeine langziehen. Der DFB-Kontrollausschuss knöpft sich übrigens die Schalker vor, aber die falschen.

Neue Redewendung: Die Bundesliga gebiert immer wieder Stilblüten, die rasche Verbreitung und Eingang in die Umgangssprache finden und dann je nach Situation ein gutes oder weniger gutes Bonmot abgeben. Labbadias "hoch sterilisiert" sei als Beispiel genannt oder Matthäus' aufmunternde Worte vom Sand, den man sich nicht in den Kopf stecken dürfe. Schalkes Aushilfskeeper Ralf Fährmann hat jetzt eine neue Redewendung erfunden, die auffallend hübsch ist: "Etwas Besseres kann es doch gar nicht geben, als vor 80.000 Leuten zu zeigen, wo der Fuchs den Schwanz hat." Er hätte auch sagen können "...wo Bartel den Most holt", oder "...wo der Frosch die Locken hat" oder "... wo am Arsch der Hammer hängt", aber nein, er entschied sich für eine Neuschöpfung. Dazu hielt er beim Derby in Dortmund tadellos und war einer der wenigen Königsblauen, den keine Schuld traf an der Schalker Selbstzerfleischung. Was bei Schalke im Argen liegt, wissen wir auch nicht. Wir sind so ratlos wie der frühere Mainzer Mittelfeldästhet Fabrizio Hayer, der mal sagte: "Ich weiß auch nicht, wo bei uns der Wurm hängt."

Schön blöd und schön schizophren: Dass der HSV nach vier Spielen die Tabelle anführt, hat mit Sicherheit nichts mit Intelligenz nach Favre zu tun. Es ist eben nicht schlau, wenn man genau so lange einen Haufen Bockmist zusammenspielt, bis der Gegner 2:0 führt, um dann auf die Idee zu kommen, dass man jetzt mal was unternehmen könnte. Doch genauso macht's der HSV in dieser Saison. Jetzt beschwören die einen den Spruch: "So kann's weitergehen", und die anderen im HSV-Lager sagen: "So kann's auf keinen Fall weitergehen." Ja, drehen die denn nach ein paar Stunden an der Tabellenspitze komplett durch? Gut ist's, wenn man dann einen Wonneklops wie Martin Jol sein eigen nennt, der die aus dem Ruder laufende Situation mit Sätzen wie "Besser Erster als Zehnter" und "Wir müssen die Füße auf dem Flur lassen" wieder komplett einrenkt.

Schwaben inkognito: Woran erkennt man den VfB? Weiße Trikots oder rote, Offensivgeist, schneller Kombinationsfußball... Solche Sachen eben. Wer sich am Samstag, sei es durch höhere Fügung oder unsachgemäße Handhabe der Fernbedienung, in die Schlussphase der Partie in Mannheim/Hoffenheim einschaltete, konnte schon mal irritiert sein. Rabenschwarze Schwaben spielen Abwehrschlacht und tragen Namen wie Rudy, Mandjeck, Fischer... Hoffenheims Andy Beck sagte nachher: "Wir haben den VfB über den Platz gejagt." Wenn das mal der echte VfB überhaupt war...

Die Milben der Superstars: Wer mag, kann ja jetzt die EM-Matratzen der Nationalspieler ersteigern. Der Erlös kommt einem guten Zweck zugute. Aber mag man? Eine Fremdmatraze beschlafen? Zwei bis drei Liter Schweiß verliert der Mensch pro Nacht. Mag man denn sein Haupt und den ganzen Rest mit diesem Hintergrundwissen auf eine Schlafstatt schmiegen, die über Wochen von Torsten Frings oder Kevin Kuranyi beölt worden ist? Und von den Milben ganz zu schweigen, die feist und fett von den guten Mertesacker-Hautschüppchen in den oberen Matrazen-Regionen schalten und walten, wie sie wollen...

Der, dessen Name nicht genannt werden darf: Er jammerte. Er sah sich nach Alternativen um. Er bekam 100.000 gute Ratschläge: Geh dahin, geh dorthin, geh bloß nicht nach Köln, bleib und beiß Dich durch, werd endlich erwachsen, hör auf zu jammern. Er nervte. Jetzt ist erstmal alles gut und deshalb soll Du-weißt-schon-wer auch hier weiter keine große Beachtung finden.

Good Vibrations I: Jürgen Klinsmann ist berühmt für seine Energiefelder. Was man sich genau darunter vorzustellen hat, wissen wir nicht, aber müssen wir auch nicht. In der Vorbereitung auf den Betriebsausflug nach Köln musste sich Klinsi jedenfalls um seine Felder nicht kümmern, die waren schon bestellt, gastierten doch im gleichen Hotel wie die Münchener auch die Pussycat Dolls. Die "Bild" wusste natürlich gleich um die Gefahr, die von den "sexy Mädels" aus den USA ausgehen könnte, Stichwort: Ablenkung, was aber natürlich Mumpitz ist, denn die Pussykätzchen streunen ja nicht nachts auf dem Hotelflur rum, um sich vom Lahm den Hengst machen zu lassen oder von Lell den Hintern versohlt zu kriegen. So ein Quatsch aber auch.

Good Vibrations II: Tritte, Schläge, böses Blut in Dortmund, Dramatik in Hamburg, Wutanfälle in Berlin. Gibt es denn keine Romantik mehr in der Bundesliga? Doch. In Köln. In Köln war es am Samstag irgendwie anders als in anderen Stadien. Erst der ergreifende Empfang für Ümit Özat, der sich nach seinem Kollaps in Karlsruhe vor zwei Wochen dem Publikum präsentierte. Von den Fans gab's viel warmen Applaus, von den Bayern Blumen und ein Trikot von Du-weißt-schon-wem. Dann verabreichten die Bayern den Kölnern drei Tore, und auch das tat der guten Stimmung keinen Abbruch...

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