Erneuter Manipulationsverdacht bei WM 2006

SID
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© Getty

Die Wett- und Manipulationsvorwürfe um angeblich verschobene Spiele in Deutschland ziehen immer weitere Kreise.

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Laut "Bild" hat der kanadische Journalist Declan Hill (Buch: "Sichere Siege") zwei weitere Spiele der WM 2006 in Deutschland im Visier.

So stehen jetzt auch das Achtelfinale zwischen England und Ecuador (1:0) und das Viertelfinalspiel Italien gegen Ukraine (3:0) unter dem Verdacht, verschoben worden zu sein. Dies habe Hill von dem asiatischen Wettpaten Lim erfahren.

Zuvor waren bereits das WM-Achtelfinale zwischen Ghana und Brasilien (0:3) von Hill der Manipulation beschuldigt worden.

"Bin falsch zitiert worden"

Am Montag relativierte Hill jedoch Teile seiner in den Medien transportierten Behauptungen. "Ich habe nie gesagt, Bundesliga- oder WM-Spiele seien manipuliert worden", erklärte Hill bei der Präsentation seines Buches in Berlin.

"Ich bin in diversen Medien falsch zitiert worden", so Hill weiter. Ein Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" hatte die Sache ins Rollen gebracht.

Demnach sollen auch zwei "auffällige" Spiele in der Bundesliga und 2. Liga im Jahr 2005 verschoben worden sein: die Erstliga-Partie Hannover 96 gegen 1. FC Kaiserslautern am 26. November (5:1) und das Zweitliga-Spiel Karlsruher SC gegen die Sportfreunde Siegen am 7. August 2005 (2:0).

Dundee wurde angesprochen

Der ehemalige KSC-Profi Sean Dundee hat bestätigt, dass er für Spielmanipulationen angeworben werden sollte. Im Sommer 2005 sei Dundee von einem Mann angesprochen worden, der sich als Fan ausgab, berichtet das ARD-Magazin "Fakt".

"Der hat nur gesagt, ob ich mir vorstellen kann, für Geld - 10-, 15-, 20.000 Euro - einen Elfmeter zu verschießen. Ich habe gesagt, so etwas mache ich nicht", wird Dundee.

Der 35 Jahre alte frühere Fußball-Profi, der seine Laufbahn mittlerweile beendet hat, bestätigte auch, dass zwei weitere KSC-Spieler angesprochen wurden.

Die Dachverbände Deutsche Fußball Liga (DFL) und Deutscher Fußball-Bund (DFB) kündigten eine "umfassende Aufklärung der Angelegenheit" an.

Sportradar mit der Analyse der Partien beauftragt

DFL und DFB beauftragten das Unternehmen Sportradar mit einer Analyse der Partien. Das teilten Ligaverbands-Präsident Reinhard Rauball und DFB-Chef Theo Zwanziger in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. Mögliche Täter würden bei nachweisbaren Verfehlungen konsequent bestraft.

"Der DFB-Kontrollausschuss wird nach Auswertung des Materials entscheiden, ob er ermittelt. Wir werden mit Sicherheit nichts unter den Teppich kehren", sagte Zwanziger der "Bild am Sonntag".

Der DFB-Chef stellte aber auch klar, dass die Saison 2005/2006 nicht neu aufgerollt werde. Nach dem Hoyzer-Skandal war beschlossen worden, dass in vergleichbaren Fällen keine rückwirkenden Ergebnis-Veränderungen nach dem 30. Juni eines Spieljahres erfolgen können.

Asiatisches Wettsyndikat 

Hill äußerte im "Spiegel" auch Verdächtigungen bezüglich des WM-Achtelfinalsieges (3:0) von Rekordweltmeister Brasilien gegen Ghana und vermutete Verwicklungen eines asiatischen Wettsyndikats.

"Ich war täglich mit der Mannschaft zusammen und habe nichts von irgendwelchen Absprachen mitbekommen", sagte allerdings der 2006 als Teammanager von Ghana tätige Ex-Bundesliga-Profi Anthony Baffoe in einem Interview mit der Zeitung "Welt".

Er könne sich so etwas "absolut nicht vorstellen". Die angeblich durch die Wettpaten gebotenen 30.000 US-Dollar seien zudem weit weniger gewesen, als die Spieler bei einem Erfolg über die Brasilianer bekommen hätten. "Dafür verrät doch niemand sein Land", meinte Baffoe.

Hannover gegen Kaiserslautern mit Auffälligkeiten

Auch der ehemalige Nationaltorhüter Ghanas, Abukari Damba, hat die Manipulationsvorwürfe zurückgewiesen. "Das ist eine Lüge!
Unwahr!" sagte Damba der "Bild".

Laut Hill soll Damba Kontakt zu asiatischen Wettpaten gehabt haben. Dies bestritt Damba. "Ich war in meinem ganzen Leben noch nie in Bangkok", sagte er und kündigte rechtliche Schritte an.
Bei den beiden deutschen Profi-Partien Hannover gegen Kaiserslautern und KSC gegen Siegen stieß der "Spiegel" bei seinen Recherchen auf Auffälligkeiten.

"Katastrophe für den Fußball"

"Es gibt keinerlei Anhaltspunkte", betonte Rauball und erklärte: "Bevor nichts erwiesen ist, gilt bei allen Vereinen und Spielern die Unschuldsvermutung." Vertreter der betroffenen Klubs reagierten skeptisch, forderten aber ebenfalls eine schnelle und umfassende Aufklärung.

Am Montag nahm der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nach Rücksprache mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) telefonisch Kontakt mit der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main aufgenommen.

Das teilten die Verbände mit. Der DFB werde sich in den kommenden Tagen nochmals mit der Staatsanwaltschaft Frankfurt in Verbindung setzen. DFB und DFL prüfen, ob das sportgerichtliche Verfahren wieder aufzunehmen ist.

"Es handelt sich um eine Anfangsvermutung, die aber ernst genommen werden muss. Es muss eine umfassende Aufklärung stattfinden", sagte Hannovers Vorstandsvorsitzender Martin Kind. "Sollte sich der Verdacht bestätigen, wäre das für den Fußball eine Katastrophe."

Lauterns damaliger Trainer Wolfgang Wolf erklärte: "Ich halte meine damaligen Spieler erst einmal für unschuldig. Zudem bin ich davon überzeugt, dass man solche Dinge nicht manipulieren kann."

Wetteinsätze in Millionen Höhe

Der angebliche Wettpate war bereits im Juni vergangenen Jahres vom Frankfurter Landgericht wegen versuchter Manipulation von Spielen in der deutschen Regionalliga und der österreichischen ersten Liga zu zwei Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt worden.

Auf das Hannover-Spiel sollen 2,8 Millionen Euro gesetzt worden sein. Durch das 5:1 soll der Mann aus Malaysia 2,2 Millionen Euro gewonnen haben. Auf das Zweitliga-Match wettete er angeblich fast vier Millionen.

"Ich bin bereits von der DFL informiert worden, die sind genauso wie wir von dem Bericht auf Spiegel online überrascht worden", sagte KSC-Manager Rolf Dohmen. "Aber ich sage Ihnen, wenn einer beim Spiel Karlsruhe gegen Siegen auf Karlsruhe setzt, dann hat er, denke ich, einfach Ahnung."

Für die Sportfreunde, mittlerweile in der fünften Liga, war es damals die erste Partie nach dem Aufstieg. "Sicherlich haben wir hinterher, als der Wettskandal um Hoyzer aufgeflogen ist, über dies und das gesprochen, aber nie über den Sieg von Karlsruhe. Ich weiß nicht mehr, wie die Tore gefallen sind, wenn sie aber ungewöhnlich gewesen wären, hätte ich mir das gemerkt", sagte Siegens Coach Peter Nemeth, der gegen den KSC noch als Spieler dabei war.

Malayischer Wettpate ist im Ausland untergetaucht

Alle Spieler, deren mutmaßliche Verbindungen zu der angeblichen Schlüsselfigur der "Spiegel" offenlegt, beteuern ihre Unschuld, hieß es in dem Bericht.

Der Asiate indes soll im Ausland untergetaucht sein, nachdem er gegen Kaution freigelassen wurde.

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