La Ola mit dem Gegner

SID
Fußball, Bundesliga, Nürnberg, Koller
© DPA

Dortmund - Große Emotionen nach einer niveauarmen Nullnummer kamen erst nach dem Schlusspfiff auf. Jan Koller, fünf Jahre lang Publikumsliebling in Dortmund, lief vor die schwarz-gelbe Wand in der der Südtribüne und ließ sich minutenlang von den BVB-Fans feiern.

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Während der Sturmtank mit den Borussia-Anhängern "La Ola" machte, schäumten die Fans des 1. FC Nürnberg auf der Gegenseite vor Wut. "Koller, du A...", brüllten sie und beruhigten sich selbst dann nicht mehr, als sich der über die gesamte Spieldauer engagierteste Profi anschließend gestenreich bei ihnen entschuldigte.

"Die Reaktion der Fans hat mich sehr überrascht und enttäuscht. Ich wollte mich doch nur bei den Dortmundern für die tolle Unterstützung bedanken", gestand Koller nach dem 0:0 völlig irritiert.

"Für mich ist das unverständlich" 

Denn schließlich war er wie üblich zu allererst mit seinen Teamkollegen bei den rund 3000 mitgereisten Franken in der Kurve gewesen. "Als ich dann starken Applaus von der anderen Seite bekam, musste ich doch zu den BVB-Fans. Für mich ist das alles unverständlich", meinte der 35-jährige Vorzeigeprofi geknickt.

Schließlich hat der Tscheche in Dortmund seine erfolgreichste und schönste Zeit erlebt, bevor er nach dem Monaco-Intermezzo im Winter bei den Franken anheuerte. Zwischen 2001 und 2006 erzielte der 2,02-Meter-Mann in 138 Spielen 59 Tore für den BVB, wurde 2002 mit dem Verein deutscher Meister.

Das hat man nicht vergessen. Schon beim Aufwärmen feierten die BVB-Fans den Nürnberger Stürmer wie einen der Ihren, brüllten beim Verlesen der Aufstellungen: Jan - KOLLER.

Er versteht die Welt nicht mehr 

Dass ihn die eigenen Anhänger später auspfiffen und wie einen Abtrünnigen beschimpften, obwohl er dem Club vor 70.500 Besuchern beinahe den überlebenswichtigen Sieg beschert hätte, empfand nicht nur Koller als ungerechte Bestrafung.

In der 4. Minute landete sein Kopfball auf der Latte, später verhinderte Ziegler-Ersatz Marcel Höttecke im BVB-Tor das mögliche 0:1 mit einer Klasse-Parade. Reine Spekulation, ob die BVB-Fans Koller auch bejubelt hätten, wenn er den Treffer zum ersten FCN-Sieg in Dortmund seit mehr als 17 Jahren markiert hätte.

"Jan ist einer, der sich in jedem Spiel zerreißt. Jetzt versteht er die Welt nicht mehr", sagte Sportdirektor Martin Bader. Die Nürnberger müssen nun aufpassen, dass sie in der Endphase des Abstiegskampfes nicht noch ein Fan-Problem bekommen.

Dortmund praktisch gerettet 

Immerhin hätten die Franken den Sieg eher verdient gehabt als die erneut völlig enttäuschenden Borussen. Das sah auch Trainer Thomas von Heesen so: "Wir hatten die bessere Spielanlage. Aber unser Manko war wieder die Chancenauswertung. Wir haben im Moment einfach nicht das Glück, das man im Abstiegskampf braucht. Trotzdem bin überzeugt - und wenn ich der Letzte auf Erden bin - dass wir drin bleiben."

Dortmund ist zwar praktisch gerettet, doch eine spielerische Entwicklung und ein Konzept unter dem umstrittenen Thomas Doll sind nicht erkennbar. Im Gegenteil: Das 0:0 war nach dem achtbaren Pokalfinale und dem 1:1 in Frankfurt ein Rückfall in alte Zeiten. Daran ändern auch die beiden, von Alexander Frei kläglich vergebenen Chancen nichts.

Doll blieb nichts übrig, als seine üblichen Floskeln zu verbreiten und auf eine bessere Zukunft zu hoffen. Doch längst ahnt er, dass dafür anderes Personal her muss. "Wir müssen nächste Saison den Kader verstärken", sagte Doll und wirkte so, als sei er nicht sicher, dass er den nötigen Neuaufbau selbst einleiten darf.

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