"I love Martin Jol"

Von Haruka Gruber
Hamburger Sportverein, HSV, Martin Jol, Tottenham
© Getty

München - Er sei, so schreibt der "Guardian", ein "Master of the One-Liner", ein Meister der Schlagfertigkeit. Einer, der dank seines "Gleichmuts und erdigen Humors viele Sympathien gesammelt hat" ("Times").

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Martin Jol also.

Nach Monaten des Feilschens und Hinter-dem-Rücken-des-anderen-Verhandelns haben sich Hamburgs Vorstandsboss Bernd Hoffmann und Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer offenbar auf Jol als den gemeinsamen Wunschkandidaten geeinigt.

So würde der 52-Jährige nach einem Bericht der "Bild" bereits mit den Klub-Verantwortlichen Verhandlungen führen, unter welchen Voraussetzungen er im Sommer das Traineramt des scheidenden Huub Stevens antritt.

Das "Hamburger Abendblatt" spekuliert darüber, ob Jol bereits nach dem Nord-Derby gegen Bremen vorgestellt wird. Die Unterschrift stehe "kurz bevor".

Hamburgs Zwistigkeiten

Martin Jol also.

Endlich ein gemeinsamer Nenner, auf den sich die beiden HSV-Granden einigen konnten, möchte man meinen. Hoffmann schwebte die letzten Monate eine große Lösung im Stile eines Gerald Houllier vor. Beiersdorfer wiederum betrieb Lobbyarbeit für Bruno Labbadia. Auch Jürgen Klopp stand lange im Raum. Junge, talentierte Trainer aus Deutschland.

Doch keiner der Kandidaten zeigte großes Interesse, angesichts der Uneinigkeit in der Vereinsspitze nicht weiter verwunderlich.

Anders offenbar die Gemütslage von Jol - obwohl er sich nach Monaten der umtriebigen wie erfolglosen Hamburger Trainersuche als die zweite, dritte, vierte oder fünfte Wahl fühlen könnte. Aber nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit, wer weiß?

Erfolgreichste Premier-League-Ära

In den letzten Monaten wurde er mit allerlei Vereinen in Verbindung gebracht. Von Eindhoven bis Amsterdam, von Newcastle bis West Ham. Doch verpflichtet wurden schließlich andere. Einerseits, weil er eine Zeitlang wegen des Streits mit Ex-Klub Tottenham Hotspur um die Abfindung nicht mit anderen Teams verhandeln durfte. Andererseits aber auch, weil sein Ruf seit letztem Sommer gelitten hat.

Nach sechs überaus erfolgreichen Jahren beim RKC Waalwijk als Trainer-Übertalent gefeiert, wechselte er 2004 zunächst als Co-Trainer nach Tottenham. Nach der Entlassung von Jacques Santini wurde er im Herbst zum Chef befördert, führte die Spurs mit einem neunten und zwei fünften Plätzen in die erfolgreichste Premier-League-Ära des Vereins - und wurde von den Fans wegen seiner Schlagfertigkeit und seines Humors geliebt.

Die Band "Jay, Az, Roxy and the infamous Hurricane Romaner" textete etwa den 70er-Jahre-Klassiker "I love Rock'n'Roll" von Joan Jett einfach in "I love Martin Jol" (Hier geht's zum Video!) um und wurden damit zu einer kleinen Internet-Bekanntheit.

Harter Stevens, weicher Jol

In der aktuellen Saison aber der Bruch. Nach einem Fehlstart mit lediglich einem Sieg aus zehn Spielen galt sein zuvor so gerühmter Führungsstil plötzlich als zu weich, zu soft. Die Entlassung folgte Ende Oktober 2007 - trotz aller Popularität bei den Spurs-Fans. Zum Beispiel widmete ihm eine attraktive Blondine namens Zoe nach der Demission ein siebenminütiges Video-Tribut.

"Ich wurde unglaublich unterstützt. Ich möchte jedem Fan danke sagen. Ich werde sie nie vergessen", sagte Jol.

Aber bei aller Beliebtheit: Jols Image unter Fußball-Experten ist nicht mehr über alle Zweifel erhaben. Ausgerechnet Stevens, den Jol womöglich beerbt, plädierte bereits vor geraumer Zeit für Fred Rutten als sein Nachfolger. Befragt auf Jol, sagte Stevens: "Ich weiß, dass er mein Nachfolger bei Kerkrade war, aber das nicht sehr erfolgreich." Und der Pokalsieg 1997? "Ja, aber im Jahr darauf wurde er entlassen."

Tottenhams Zwistigkeiten

Die Kritikpunkte an Jol lassen sich so zusammenfassen: Er könne zwar gut mit Talenten, sei aber zu fürsorglich mit seinen Spielern, würde zuviel durchgehen lassen und: Er lasse nicht hart genug trainieren.

Das zumindest warf ihn ein Fitnesstrainer vor, der von Tottenhams neuem Coach Juande Ramos zu den Spurs mitgebracht worden war. "Das ist völliger Schwachsinn. Keine Ahnung, wie der zu so einem Urteil kommen konnte, nachdem er erst wenige Tage mit dem Team trainiert hatte", so Jol.

Und sowieso sei er bei den Spurs eher Opfer der Umstände gewesen. Seit letztem Sommer tobt in der Chefetage ein Machtkampf zwischen Vorstandschef Daniel Levy und Sportdirektor Damien Comolli. Jol: "Nicht einmal Jose Mourinho hätte mit der Ausgangslage bessere Resultate erzielt."

Machtkampf? Vorstandschef? Sportdirektor? Das gab und gibt es in Hamburg auch. Mourinho wäre für den HSV also auch nicht der Richtige...

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