Verunsicherung statt Vorfreude beim BVB

SID

Dortmund - Als die heimischen Fans lange vor dem Schlusspfiff in Scharen aus dem Stadion flüchteten, mussten sie die Schadenfreude des gegnerischen Anhangs ertragen. "Berlin, Berlin - was wollt ihr in Berlin?", schallte es von der Nordtribüne der ansonsten ungewohnt stillen Arena.

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Der abermals desaströse Auftritt ihres Teams beim 1:3 (0:2) gegen Hannover 96 und die hämischen Sprechchöre der Gäste nahmen den Zuschauern von Borussia Dortmund den letzten Rest Vorfreude auf das Pokalfinale. Stattdessen überwog die Angst vor einer peinlichen Blamage auf großer Bühne.

"Wir sind wie ein Boxer, der zwei Geraden mitten auf das Auge bekommen hat und nun am Boden liegt", bekannte Angreifer Alexander Frei.

Jenseits der Schmerzgrenze

Selten ist eine Mannschaft unter schlechteren Vorzeichen zum Endspiel nach Berlin gereist als die Borussia. Ausgerechnet vor ihrem wichtigsten Spiel seit Jahren wurde sie zum Gespött der Fußball-Nation.

Wie schon beim 0:5 gegen Finalgegner FC Bayern München bot das Team von Trainer Thomas Doll auch gegen Hannover eine Vorstellung jenseits der Schmerzgrenze.

Mit Scherzen, dass die Mannschaft besser im Frauen-Finale antreten solle, trösteten sich einige Fans über die bedenkliche Generalprobe hinweg. Doll hofft auf ein Ende der Leidenszeit: "Wir haben zweimal richtig auf die Mütze gekriegt, damit ist es nun genug."

Es fehlt ein Konzept

Ohne die Erfolgsstory im Pokalwettbewerb hätte sich der Frust der schwarz-gelben Fans nach den Gegentoren von Arnold Bruggink (37.), Frank Fahrenhorst (42.) und Szabolcs Huszti (78.) wohl in Protesten gegen Doll entladen.

Langsam aber sicher ist ihre Geduld aufgebraucht. Die allwöchentliche Neuordnung der Mannschaft erinnert mehr an eine Patchwork-Arbeit als an ein durchgängiges Konzept.

Zum sage und schreibe 19. Mal lief in dieser Saison eine veränderte Viererkette auf. Das mag ein Grund dafür sein, warum der BVB mit nunmehr 53 Gegentoren zur Schießbude der Liga avanciert ist.

Noch hält sich die Vereinsführung zurück mit kritischen Kommentaren über den Fußball-Lehrer, dessen Vertrag erst im Januar um zwei Jahre verlängert wurde.

Im Falle einer ähnlichen Vorstellung beim Showdown im Berliner Olympiastadion vor einem Millionenpublikum an den TV-Geräten könnte sich das schnell ändern.

Für die aufkommende Diskussion brachte der zurzeit ebenfalls formschwache Torjäger Mladen Petric jedoch nur wenig Verständnis auf.

Die Frage nach der Zukunft von Doll beantwortete er mit einer Gegenfrage: "Wie viele Trainer waren in den letzten Jahren hier? Geändert hat sich wenig."

Hungrig auf den Titel

Die Aussicht auf einen Titel soll den verunsicherten BVB-Profis zu mehr Durchsetzungsvermögen verhelfen. Der erst wenige Sekunden vor seinem Treffer eingewechselte Frei (65.) gelobte mit Blick auf die Partie gegen die übermächtig erscheinenden Bayern Besserung. "Jeder, der am Samstag das BVB-Trikot trägt, will Geschichte schreiben. Jeder ist hungrig auf einen Titel."

Angesichts der eher ungläubigen Blicke seiner Zuhörer erinnerte Frei an sein Bild vom angeschlagenen Boxer: "Entweder er bleibt liegen und wird ausgezählt, oder er steht wieder auf."

Hannover hat einen Lauf

Vom 9. Tabellenplatz der Gäste können die BVB-Profis derzeit nur träumen. Zur Freude von Hannovers Trainer Dieter Hecking überschritten die Norddeutschen nach dem zweiten Sieg in Folge die vielzitierte 40-Punkte-Marke. Der Fußball-Lehrer bescheinigte seiner Mannschaft ein perfektes Auswärtsspiel und verwies auf einen erfreulichen Trend: "In den letzten Jahren ging es in Hannover immer darum, möglichst schnell Punkte gegen den Abstieg zu holen. In dieser Saison hatten wir mit diesem Thema nie etwas zu tun."