Schizophren im Abstiegskampf

Von Stefan Rommel
Nürnberg, Blazek
© Imago

München - Thomas von Heesen stand der Schrecken immer noch ins Gesicht geschrieben, als er vor die Kameras trat. Oder besser: Treten musste.

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Was er die 90 Minuten zuvor im Stuttgarter Regen über sich ergehen lassen musste, hatte schwer an ihm genagt - und der Trainer des 1. FC Nürnberg machte sich entgegen seiner sonst sehr eloquenten Art gar keine Mühe, mit seiner Meinung hinterm Berg zu halten.

"Ich habe nicht geglaubt, dass wir noch einmal einen solchen Rückschlag erleiden und auf diese Ebene zurückkommen würden, weil ich davon ausgegangen bin, dass die Mannschaft stabiler ist."

Keine Tugenden, keine Punkte

Der Club reiste als Tabellenletzter ins Gottlieb-Daimler-Stadion, mit vier Punkten Rückstand auf Platz 15. Aber der Gewissheit im Gepäck, dass Stuttgart in den letzten Jahren immer ein gutes Pflaster war.

Bei der Rückreise spätnachts war der Club immer noch Letzter, nun aber mit fünf Punkten Rückstand auf das rettende Ufer und der Gewissheit im Gepäck, dass Stuttgart ab sofort kein gutes Pflaster mehr ist.

Sechs Spieltage vor Schluss zeigte der noch amtierende Pokalsieger wie schon gefühlte 1000 Mal in dieser Saison sein hässliches Gesicht. Und versteckte dafür Leidenschaft, Entschlossenheit, Kampfgeist und Konzentration.

Zu schizophren für den Abstiegskampf

"Wir haben geglaubt, mit diesen Aktionen über den Berg zu sein. Die Spieler machen Fehler, die man eigentlich in der E-Jugend macht", schimpfte von Heesen über das 0:1 nach drei Minuten, das Javier Pinola mit einem ebenso katastrophalen wie zu kurzen Rückpass per Kopf einleitete. Das Tor im SPOX-Replay

Pinola, ehemals Racing Club in Argentinien, ehemals Atletico Madrid, ehemals im Kader der argentinischen Nationalmannschaft, war die fast schon logische Fortsetzung des totalen Club-Horros in dieser Saison.

Jaromir Blazek gäbe es da noch: Über 20 Champions-League-Einsätze für Sparta Prag, tschechischer Nationalspieler. Hält mal einen Elfmeter, dann wieder wirft er sich einen Kullerball selbst ins Tor. Oder Jan Koller, oder Tomas Galasek, oder Angelos Charisteas.

Alle für sich hervorragende Einzelspieler, alle aber offenbar zu schizophren veranlagt für den Abstiegskampf der Bundesliga. Zeigen alle ihre Kehrseite, machen unbegreifliche Fehler - und werden so mit dem Club wohl absteigen. Nürnberg bringt einfach zu viele Zutaten mit, die ein Absteiger braucht.

Bald gibt's Montagabendspiele

Und dann sagt ein Charisteas, Europa- und Deutscher Meister, nach dem Spiel so etwas: "Das Spiel gegen Wolfsburg hat uns zurückgeworfen. Mit 26 Punkten auf dem Konto wären wir mit einem besseren Gefühl hierher gefahren."

Wer aber seinen Trainer dermaßen blank stehen lässt, dass der zur Halbzeit und bei einem 0:3-Rückstand einen Mittelfeldspieler für einen Angreifer bringen muss, um nicht vollends unter die Räder zu kommen, hat bei der derzeitigen Lage des Clubs aber offenbar seinen Beruf verfehlt.

Immerhin reift in einigen Spielern schon die düstere Erkenntnis, bald wohl auch Montagabends spielen zu müssen. "Man kann hier verlieren, aber nicht so. Wir müssen froh sein, dass wir nur 0:3 verloren haben. Wir müssen jetzt Gas geben, es gilt zu kämpfen, wir müssen gewinnen, sonst sieht's schlecht aus", sagte Verteidiger Andreas Wolf.

Und Charisteas legte sogar nach: "Die nächsten zwei Spiele müssen wir gewinnen, sonst haben wir keine Chance mehr!"

Hoffnungsschimer: Der Trainer

Bleibt als einziger Hoffnungsschimmer noch der Trainer. Mit Konzept und Perspektive war Thomas von Heesen im Februar angetreten. Ein hehres Ziel, für den Club 2007/08 aber leider völlig nutzlos.

Was jetzt her muss, ist von Heesens zweites Gesicht. Weg vom Konzeptfußball - so er denn je praktiziert wurde in Nürnberg - und hin zu harten, dreckigen Maßnahmen. Und einer ebensolchen Spielweise.

Das tut dann zwar weh, verspricht aber zumindest Erfolg.

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