Die Zombies erwachen zum Leben

Von Stefan Moser
frankfurt, nürnberg, randale
© Imago

München/Frankfurt - Ein Schneckenrennen: So lautete in den vergangenen Wochen allenthalben das Bonmot zum Abstiegskampf der Bundesliga.

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Das war nicht ganz fair gegenüber den Schnecken, denn immerhin sind das doch ganz possierliche Tierchen, die zwar etwas langsam, aber doch zielstrebig durch die hiesigen Schrebergärten kriechen.

Von den Abstiegkandidaten konnte man das im Jahr 2008 nun beileibe nicht behaupten. Duisburg, Cottbus, Nürnberg und Bielefeld: Drei von diesen Vieren, das galt als abgemacht, würden am Saisonende das Klassenziel verfehlen.

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Und alle vier setzten sich nur äußerst sparsam gegen ihr Schicksal zur Wehr. In den ersten acht Spielen der Rückrunde machten sie zusammen nur schlappe 15 Punke. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum machte der VfL Wolfsburg alleine 17.

Blutleer, träge, willenlos

Für jeden einzelnen der vier Abstiegskandidaten war das zum Leben natürlich zu wenig. Weil sich aber auch keiner entscheidend absetzen konnte, war es, richtig: zum Sterben zu viel. Also blieben alle vier irgendwo dazwischen hängen und geisterten mithin als Untote durch den Tabellenkeller.

Zur Ehrenrettung der Schnecken bleibt also festzuhalten: Es war ein Zombie-Rennen. Blutleer, träge und willenlos irrten die Protagonisten umher - obwohl sie eigentlich um ihr Überleben kämpfen sollten.

Hier mal ein 0:0, dort mal ein 1:1, und dazu die immer gleichen Floskeln, von wegen: "Wir glauben noch an uns, wir können es schaffen, man kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen." Abgesehen davon: Eine Stimmung wie auf einem Friedhof. Selbst die neuen Trainer in Bielefeld und Nürnberg brachten kein Leben in die Bude.

Die Idee der Auferstehung

Doch dann kam das Osterfest und mit ihm die Idee der Auferstehung. Bielefeld holte einen Zähler gegen Bremen, auch Nürnberg und Duisburg holten Punkte.

Und eine Woche später, am 26. Spieltag: Der Club punktet gegen Bayern, der MSV schlägt Bremen, Cottbus gewinnt gegen Berlin und Bielefeld holt ein Remis in Hamburg.

Die Zombies erwachten zum Leben. Kratzen, Beißen, Grasfressen, Platzumpflügen - auf dem Friedhof verboten, im Abstiegskampf dagegen ausdrücklich erwünscht - all das gab es auch an diesem 27. Spieltag zu bewundern.

Und so kamen endlich auch die zuvor noch sieglosen Michael Frontzeck für Bielefeld und Thomas von Heesen für Nürnberg jeweils zu ihrem ersten Dreier.

Spielabbruch in Frankfurt

Hauptverantwortlich beim Club war dafür Zvjezdan Misimovic. Wer den farblosen Teint und die dunklen Ränder unter den Augen des 25-Jährigen sieht, mag zwar überrascht sein, aber auf dem Platz war Misimovic das blühende Leben. Mit einer überragenden Vorstellung führte er Nürnberg zu einem 3:1-Sieg in Frankfurt.

Ein ziemlich unerfreuliches Lebenszeichen zeigten leider auch die Anhänger der wiedererwachten Franken. Nach knapp 30 Minuten (Stand 1:1) beschlossen sie, die Unterstützung für ihre Mannschaft einzustellen und stattdessen munter Sylvester-Böller auf die Spielwiese zu werfen.

Die Ausschreitungen in Frankfurt in Bildern

Schiedsrichter Peter Gagelmann unterbrach die Partie und schickte den armen Michael A. Roth vor den Gästeblock, um die Meute zu beruhigen. Wie nicht anders zu erwarten wurde der Nürnberger Präsident gnadenlos in Grund und Boden gepfiffen - auch die Eintracht-Fans hatten daran ihren Spaß und pfiffen munter mit.

"Ich habe keinerlei Verständnis"

Weil sich Herr Roth auch noch als schlechter Pädagoge erwies und die Randalierer eher anheizte als beruhigte, stand das Spiel kurz vor dem Abbruch. Nach 20 Minuten aber beruhigte sich die Lage und Gagelmann ließ weiterspielen.

Sportlich werden die Vorfälle keine Auswirkungen haben, glaubte der sichtlich angefressene Roth nach Abpfiff, erwartete aber "eine Geldstrafe, die wir dann auch entsprechend akzeptieren werden."

Auch Misimovic schüttelte nur den Kopf über die seine vermeintlichen Fans: "Für so etwas habe ich keinerlei Verständnis", sagte er gegenüber SPOX.com, "es sind Eltern mit ihren Kindern da. Das ist gefährlich und hat im Stadion nichts verloren."

Außerdem, so der Spielmacher weiter, kam die "Unterbrechung zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Wir waren gerade gut in Fahrt und sind so aus dem Tritt gekommen." Kurz nach der Pause fand Nürnberg aber wieder ins Spiel und gewann nach Treffern von Robert Vittek und Misimovic verdient mit 3:1.

Duisburg der große Verlierer

Vor zwei Wochen noch hätte ein einziger Sieg gereicht, um im Zombie-Rennen gehörig Boden auf die Konkurrenz gut zu machen.

Doch an diesem 27. Spieltag sind auch Bielefeld und Cottbus zum Leben erwacht.

Für die Arminia feierte Frontzeck gegen den KSC endlich seinen ersten Dreier.

Und Cottbus gewann das vermeintliche Abstiegsendspiel gegen Duisburg, das damit den Überraschungs-Coup der Vorwoche gegen Bremen de facto zunichte machte und wieder auf den letzten Tabellenplatz herumspukt - zu leblos war die Vorstellung gegen Energie.

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