"Von mir aus auch der Yeti"

Von Interview: Oliver Wittenburg
Lotto, King, Karl, HSV, Stadion
© Getty

München/Hamburg - Pünktlich zum Nordgipfel gegen Werder Bremen (Mi., 20 Uhr im SPOX-TICKER) kommt in Hamburg offenbar endlich Bewegung in die Trainerfrage: Martin Jol soll es nun machen. 

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Noch ist die Sache nicht in trockenen Tüchern, aber vieles deutet derzeit auf den Niederländer hin. Nach fast einem halben Jahr der Suche wäre es auch höchste Zeit, einen Nachfolger für Huub Stevens vorzustellen, zumal der Druck auf die HSV-Verantwortlichen stetig wächst.

Im Interview mit SPOX.com spricht Lotto King Karl*, HSV-Edelfan, Stadionsprecher und Kult-Musiker ("Hamburg, meine Perle"), über seinen Favoriten auf den Trainerposten und zeigt van der Vaart den Weg zur Unsterblichkeit auf. 

SPOX.com: Lotto, die lange erfolglose Suche nach einem Nachfolger für Trainer Huub Stevens, der im November seinen Abschied zum Saisonende ankündigte, ist derzeit das beherrschende Thema beim HSV. In der Öffentlichkeit kommen die Verantwortlichen dabei nicht gut weg. Wie beurteilst Du die Lage?

Lotto King Karl: Der HSV hat im Grunde alles richtig gemacht, weil er es von sich aus gar nicht nötig hat, eine öffentliche Diskussion zu führen. Problematisch wird es in der Außendarstellung, weil das Fanherz hochschlägt - und das Fanherz ist heißblütig und will Träume haben. Die Presse steigt darauf natürlich ein und dann wird gleich über Mourinho geredet. Wenn ich Mourinho schreibe, habe ich natürlich mehr Auflage, als wenn ich schreibe, der Martens von BU (Peter Martens, Trainer vom Verbandsligisten HSV Barmbek-Uhlenhorst, Anm. d. Red.) hätte vielleicht auch noch mal Bock. Das Dilemma ist halt, dass es schon so lange dauert. Die Presse will lieber jetzt als gleich die Story haben, die die Auflage hochtreibt, wo der Redakteur sagt, 'den Artikel kann ich im Vollsuff schreiben, weil ich hab hier drei Fotos, wie Trainer X aus seinem Learjet oder von seinem Schubkarren runtersteigt. Das ist sensationell.'

SPOX: Du sagst Mourinho. Würde Dir ein Mann vom Schlag "Welt-Trainer" zusagen?

Lotto: Was nützt es uns denn unterm Strich, wenn irgendwer die Kohle aufreißt, um Mourinho zu bezahlen. Der kommt hier mit dem Hubschrauber und 27 Trainern angeflogen und verliert die ersten fünf Spiele. Und dann sagt der: 'Scheiße, das ist ja ne ganz andere Basis als bei Chelsea. Da hat ja der Platzwart mehr verdient als hier die ganze Mannschaft.' Ach?!

SPOX: Gut, Mourinho wäre es wohl sowieso nicht geworden. Gerard Houllier wird es wohl auch nicht. Im Moment deutet wohl alles auf Martin Jol hin. Trotzdem: In der öffentlichen Meinung steht vor allem Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer nicht gut da.

Lotto: Was sollte denn der HSV machen? Die müssen Leute anfragen, Risiken minimieren, durch welche Art von Scouting - Knochen schmeißen, Tierkadaver lesen -, spielt überhaupt keine Rolle. Die müssen das tun, weil das ihr Job ist und weil sie dafür bezahlt werden, damit sie am Ende sagen können: Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen entschieden.

SPOX: Warum kommt Beiersdorfer nicht gut weg?

Lotto: Beiersdorfer ist halt ein ruhiger Typ. Auf dem Platz war er ne Waffe, am Mikro ist es nicht ganz so. Die Außendarstellung wäre besser, wenn er seine Verdienste auch mal Trapattoni-, von Heesen- oder Doll-artig rausschreien würde. Aber dann würde es wieder heißen: Das ist ein Angeber.

SPOX: Gut, die laute Nummer würde wirklich nicht zu ihm passen.

Lotto: Man drängt Didi Beiersdorfer, weil sich das Ganze halt schon so lange hinzieht, in eine Position des Bittstellers und sagt: 'Ach, der kriegt das sowieso nicht hin.' Aber man muss auch mal sehen, was er für Leute hierher geholt hat. Mit Boulahrouz und van Buyten hat er ein Riesengeschäft gemacht. Und man sieht auch, dass die Karriere von Boulahrouz nicht eben steil bergauf gegangen ist, seit er vom HSV weg ist. Van Buyten gewinnt jetzt wenigstens ein paar Titel, aber die große Nummer ist er nicht. Im Prinzip müsste er sich eigentlich sagen: 'Ach. wär ich doch der Lell.' Und als er zu den Bayern gegangen ist, da hat er gesagt: 'Wer ist Lell?' Hier geht schon was in Hamburg, und der Didi macht richtig gute Arbeit. Das zeigen auch die jungen Talente, die hierher kommen. Von den guten jungen Leuten in Europa mit Entwicklungspotenzial, da sind schon so einige beim HSV: Boateng, Odjidja-Ofoe, Choupo-Moting, Kompany. Auch ein Guerrero hat seinen Zenit noch nicht erreicht. Auch Mathijsen nicht, der sieht nur älter aus als er ist.

SPOX: Fakt ist dennoch: Seit einem halben Jahr ist bekannt, dass Stevens im Sommer weggeht und ein Nachfolger war lange nicht in Sicht.

Lotto: Erfolg muss von der Relativität los. Der HSV war mal ganz dicht an den Bayern dran, ist jetzt nur noch Fünfter und dann gibt's bizarre Theorien, ob man den Trainer vielleicht jetzt schon wechseln müsste und was nicht alles. Das passiert halt, wenn du eine Presse hast, die nicht weiß, was sie schreiben soll, aber muss und wenn du Fans hast, die in solchen Massen ins Stadion kommen. Da bist du gleich in Erklärungsnot. Man muss halt mal anfangen, sich auch das halbvolle Glas schmecken zu lassen und nicht immer davon ausgehen, dass alles auch viel besser sein müsste.

SPOX: Wo soll's denn mit dem HSV hingehen? Die Ergebnisse der Rückrunde waren eher dürftig.

Lotto: Hier wollen alle, dass der HSV Erfolg hat, dass der Aufbau des Kaders, der trotz der Trainerwechsel gut klappt, weitergeht. Zuletzt hing die Mannschaft ein bisschen durch, aber da sind halt auch 20-, 21-, 23-jährige Jungs auf dem Platz. Lass die mal ein, zwei Jahre älter werden und vor allem zusammen älter werden und dann noch mal nachsehen, wo sie dann stehen. Die sind halt noch nicht so gut, wie sie manchmal in der Presse gemacht werden.

SPOX: Lass uns mal mit ein paar Trainernamen jonglieren. Mirko Slomka etwa hatte sich beim HSV ins Gespräch gebracht?

Lotto: Slomka find ich unheimlich sympathisch. Der war der Einzige neben Uli Hoeneß, der sich beim Gastspiel bei mir vorgestellt hat. Bei Uli Hoeneß war das sehr erstaunlich. Er hat Carsten Pape gelobt für "Hamburg meine Perle" und wir haben gesagt: 'Mensch, Herr Hoeneß, Sie wissen schon, dass Sie nicht so gut wegkommen bei dem Stück?' Und Slomka braucht natürlich jetzt genauso einen Verein wie den HSV, um die Schalker Scharte auszuwetzen. Und er braucht Erfolg - damit ist er eigentlich ein idealer Trainer für jeden Verein. Beim HSV hätte er die realistische Chance, in der nächsten Saison vor Schalke zu landen. Die Struktur der Mannschaft ist meiner Meinung nach besser als auf Schalke, weil dort die Leistungsträger so allmählich in die Jahre kommen. Es gibt da ein kleines Aber: Wie würde Frank Rost mit seinem Ex-Trainer als neuem Chef umgehen? Rost ist der wichtigste Mann beim HSV, ich bin ein extremer Fan vom ihm. Er ist einer der besten Torhüter der letzten zehn Jahre in Deutschland. Es heißt zwar, zwischen ihm und Slomka wäre alles wieder in Ordnung, aber wenn Rost sagen würde: "Ich gehe, wenn Slomka kommt", dann würde sich die ganze Mannschaftsstruktur zum Negativen verändern, und Slomka hätte gleich ein riesen Problem, nämlich den Großteil der Fans gegen sich und schlechte Presse vom ersten Tag an. Wenn alles friedlich abläuft, wäre es wunderbar. Slomka braucht einen Klub, der Gewichtsklasse HSV  und der HSV einen Trainer, der etwas zu beweisen hat und erfolgshungrig ist. Dabei kann es dem HSV aber eigentlich schnuppe sein, ob das der Slomka ist, oder der Yeti.

SPOX: Wünscht sich der HSV-Fan nicht auch mal Bremer Verhältnisse, wo man zwei Namen wissen muss, um im Prinzip die Trainer des letzten Vierteljahrhunderts zu kennen? Kontinuität?

Lotto: Natürlich.

SPOX: Und wäre es dann nicht wunderbar, wenn dieser Trainer dann auch noch einer aus den eigenen Reihen wäre? Was ist eigentlich mit Karsten Bäron?

Lotto: Eine absolute Kultfigur. Ich fände auch Kevin Keegan mit Horst Hrubesch, Manni Kaltz und Andi Brehme auf der Bank toll. Andi Brehme, weil der nie beim HSV gespielt hat und ich einen Song gemacht hab - 'Gospel für Andi Brehme, Teil 1 und Teil 2' -, in dem ich singe: 'Andi, komm zum HSV und wir holen den UEFA-Cup.' Das wär natürlich super, aber was machst du, wenn sowas in die Binsen geht? Es kann gefährlich sein, nur aus den eigenen Reihen zu schöpfen. Irgendwann kriegt man das Problem, dass man sich den eigenen Unterbau kaputt macht.

SPOX: Wer fällt Dir sonst noch ein?

Lotto: Augenthaler.

SPOX: Augenthaler?

Lotto: Wenn man vom harten Hund ausgeht, der aber auch mal lachen kann - ich erinnere da an die Sache mit Hape Kerkeling und Graz -, also wenn er die Haare ein wenig anders machen würde, hätte ich schon den Eindruck, dass ein Klaus Augenthaler so ein Typ wie Stevens sein könnte. Problem ist, dass er in Deutschland als Trainer noch nicht den Erfolg hatte. Aber wenn's darum geht, sind wir schnell bei Udo Lattek und dann nehmen wir doch lieber den Yeti. Aber was ich eigentlich sagen will: Wenn du nach einem erfolgreichen deutschen Trainer suchst, da ist die Auswahl nicht sehr groß. Ich finde Augenthaler ist einer, der näher an Stevens als an Klinsmann ist, das sag ich ganz wertfrei. Bei dem könnte ich mir vorstellen, dass auch mal die eine oder andere Liegestütze mehr gemacht wird, bevor wieder einer erzählt, wo er gerne spielen möchte.

SPOX: Das nehmen wir mal als Überleitung zum zweiten großen HSV-Thema: Rafael van der Vaart. Er hat mit Valencia geflirtet. Er hat mit Juventus Turin geflirtet. Jetzt ist offenbar England bei ihm ganz groß angesagt.

*Die aktuelle CD von Lotto King Karl und den Barmbek Dream Boys heißt "Seitenwechsel". Sie ist jetzt überall im Handel und bei den großen Download-Portalen erhältlich.

Was Lotto von van der Vaart hält und was er ihm rät...