Klinsmann heißt Druck

Von Interview: Daniel Martinez
Demichelis, Bayern, Martin
© Getty

München - Martin Demichelis ist endlich da angekommen, wo er nach seinem Selbstverständnis hingehört: Gesetzt im Abwehrzentrum des FC Bayern München.

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Im Interview mit SPOX.com lässt der 27-jährige Argentinier fünf mitunter schwierige Jahre beim deutschen Rekordmeister Revue passieren, spricht über seinen kongenialen Partner Lucio, den neuen Trainer Jürgen Klinsmann und seine Auseinandersetzung mit Ottmar Hitzfeld.

SPOX.com: Martin Demichelis, in Verbindung mit Ihrem Namen hört man viele Komplimente aus der Führungsetage des FC Bayern. Für Paul Breitner spielen Sie "die Saison ihres Lebens". Karl-Heinz Rummenigge hat vor kurzem ihre Leistung als "weltklasse" bezeichnet und letztes Wochenende, vor Millionen von Zuschauern im Fernsehen, behauptete Uli Hoeneß , dass sie der beste Abwehrspieler der Bundesliga sind. Wie fühlen Sie sich?

Martin Demichelis: Es ist immer schön, gelobt zu werden, schöner als in die Kritik zu geraten. Ich vermeide ganz bewusst, mich geschmeichelt zu fühlen, weil es sehr gefährlich sein kann. Natürlich weiß ich, dass diese Saison meine beste beim FC Bayern ist, aber am meisten bin ich stolz darüber, dass ich das Vertrauen bekommen habe, endlich mal als Innenverteidiger spielen zu dürfen. Ich habe mit viel Geduld fast fünf Jahre lang auf diese Chance gewartet, und mich diese Saison als Innenverteidiger zu behaupten macht mich glücklich.

SPOX: Mit Ihrem Partner Lucio bilden Sie die beste Innenverteidigung der Bundesliga. Was ist das Geheimnis ihres Erfolgs?

Demichelis: Ich glaube die Kommunikation zwischen uns. Es ist nicht nur, dass wir uns in der gleichen Sprache (Spanisch) verständigen, es hat auch damit zu tun, dass wir einen südamerikanischen Fußball praktizieren, der nach so vielen Jahren in Deutschland von der europäischen Mentalität geprägt ist. Wir reden ständig auf und außerhalb des Feldes miteinander, er ist ein großartiger Spieler, einer der besten in der Welt und ich habe viel von ihm gelernt.

SPOX: Aber wahrscheinlich werden Sie sich auf einen neuen Partner einstellen müssen, wenn Lucio im Sommer München verlässt, wie er es selbst schon angedeutet hat.

Demichelis: Ich hoffe, dass er bleibt. Unsere Partnerschaft ist ganz frisch, hat eine schöne Gegenwart und eine noch bessere Zukunft. Es gibt keinen Klub auf der Welt mit so einer eindrucksvollen Mischung in der Innenverteidigung: der Kapitän der Nationalmannschaft Brasiliens und ein Innenverteidiger der argentinischen Nationalmannschaft. Zusammen können wir noch viel zum Erfolg des FC Bayern beitragen.

SPOX: Auch wenn Lucio bleibt, werden Sie sich ab dem 1. Juli auf einige Veränderungen vorbereiten müssen, wenn der neue Trainer Jürgen Klinsmann den Posten übernimmt.

Demichelis: Das gilt nicht nur für mich, alle Spieler werden auf dem Prüfstand sein. Jürgen Klinsmann kennt schon einige Spieler persönlich, die anderen durch ihre Laufbahn, aber am Ende werden wir alle wieder bei Null anfangen müssen. So ein Druck, unabhängig von dem neuen Trainer, ist das tägliche Brot beim FC Bayern, die Verantwortung von jedem Spieler hier heißt, sich jeden Tag auf höchstem Niveau zu präsentieren. Ab dem 1. Juli muss ich wieder meinen Willen, mein Können und meine Erfahrung beweisen.

SPOX: Bereitet es Ihnen Sorgen, dass Sie bei Klinsmann als "Rebell" gelten könnten, nachdem Sie wegen Ihrer Verweigerung, im Mittelfeld zu spielen, vor dem Spiel gegen Cottbus suspendiert wurden?

Demichelis: Das war meine traumatischste Erfahrung beim FC Bayern. Ich bin nie ein Problemfall gewesen, ich hatte nie einen Konflikt mit einem Trainer oder einem Mitspieler. Dass mir dieses Image verpasst wurde, und das ich durch die Medien weltweit so wahrgenommen worden bin, ärgert mich heute noch. Das Problem wurde größer gemacht, als es tatsächlich war.

SPOX: Sie haben sich aber geweigert, einer Traineranweisung zu folgen, das ist keine Kleinigkeit.

Demichelis: Wer mich kennt, weiß, das ich immer alles für die Mannschaft tue. Manchmal muss man an sich selbst denken, das habe ich getan und demzufolge habe ich eine Entscheidung getroffen: Ich bin ein Abwehrspieler, ein Abwehrspieler spielt in der Abwehr, nicht im Mittelfeld. Wenn ich mit dem Trainer über das Thema früher gesprochen hätte, hätte es kein Problem gegeben. Wir redeten miteinander nach der Suspendierung, wir haben alles geklärt, keiner ist nachtragend, wir arbeiten an verschiedenen Stellen für das gleiche Ziel und haben eine Lösung gefunden.

SPOX: Heißt diese: nie wieder im Mittelfeld?

Demichelis: Wenn die Mannschaft mich unter "besonderen Umständen" - in Anführungszeichen - braucht, und es keine andere Alternative gibt, werde ich im Mittelfeld spielen. Sonst bin ich ein Abwehrspieler, ich möchte das meine Position respektiert wird.

SPOX: Sie spielen beide Positionen: sowohl in der Innenverteidigung als auch im Mittelfeld. Ist das von Vorteil oder von Nachteil?

Demichelis: Ich kam nach München als Innenverteidiger, durfte aber die Position bis zu dieser Saison nicht besetzen. In meinem ersten Jahr habe ich oft in der heutigen Position von Ribery oder Altintop, links und rechts außen, gespielt. Unter Felix Magath wurde ich sogar einmal (gegen Schalke, 8. Spieltag, Saison 04/05, Anm. d. Red.) als Stürmer eingewechselt. Sonst spielte ich im Mittelfeld, weil ich spielen wollte, weil ich Spielpraxis brauchte. Ich habe aus dieser Zeit viel gelernt, aber ich bin ein Abwehrspieler.

SPOX: Und weil sie 2006 kein Abwehrspieler waren, wurde Ihr Name aus dem Kader der argentinischen Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft in Deutschland gestrichen.

Demichelis: Das war ein riesiger Schock. Ich war mir sicher, dass ich mitgenommen werde, da ich beide Aufgaben kannte. In Argentinien wusste man, dass ich beim FC Bayern keine Spielpraxis in der Innenverteidigung hatte und nur für das Mittelfeld haben sie mich nicht berücksichtigt. Nach der WM brauchte ich acht Monate, um mich von diesem emotionalen Tief zu erholen.

SPOX: Sie haben es geschafft, jetzt sind Sie nicht nur der Stamminnenverteidiger beim FC Bayern, sondern auch Mitglied der Nationalmannschaft Argentiniens. Sogar für die olympischen Spiele in Peking sind sie nominiert worden, was in München keinen begeistert.

Demichelis: Ich habe heute meinen Kopf nur beim FC Bayern, darüber denke ich nicht nach, nur so weit: ich bin stolz auf meine Nominierung und möchte nach Peking.

SPOX: Gegen den Willen des Vorstandes?

Demichelis: Wir werden zu gegebener Zeit darüber reden, es muss kein Konflikt daraus entstehen. Meiner Meinung nach sollte der FC Bayern auch stolz auf meine Nominierung sein. Wenn ich absage, werde ich von Gabriel Milito vom FC Barcelona ersetzt. An Stelle von Bayern würde ich sagen "lieber einer von uns, als einer vom FC Barcelona". Für mich persönlich bedeutet die Nominierung sehr viel, ich habe schon die WM verpasst und es ging mir nicht gut, wenn ich auch auf Olympia verzichten müsste, wäre das ein gewaltiger Schlag für meine Seele. Der Verein braucht mich nicht nur körperlich fit, sondern auch seelisch.

SPOX: Am Samstag spielen Sie das erste Finale der Saison in Berlin gegen Borussia Dortmund im Rahmen des DFB Pokal. Die Generalprobe lief hervorragend für den FC Bayern letzten Sonntag mit einem souveränen 5:0 Sieg. Ist der Titel schon in der Tasche?

Demichelis: Nein, es wäre schön, wenn wir so einen tollen Auftritt wiederholen könnten, aber so einfach wird es am kommenden Samstag nicht sein. Das Finale ist ein besonderes Spiel, es wird natürlich schwieriger sein. Dortmund ist in seiner Ehre verletzt und möcht sich sicherlich revanchieren, aber wir haben schon gezeigt, dass der FC Bayern die beste Manschaft der Bundesliga ist, in Berlin müssen wir es nur bestätigen.

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