"Ich hatte große Angst"

Von Interview: Roger Stilz
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© Getty

München - Nach dem dramatischen Aus im UEFA-Cup gegen Bayer Leverkusen geht es für den Hamburger SV nun am Samstag gegen Borussia Dortmund darum, wenigstens Platz drei in der Bundesliga zu verteidigen.

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Viel wird wie immer auf Spielmacher Rafael van der Vaart ankommen. Im Interview mit SPOX.com spricht der Niederländer über seine Zukunft, Verletzungen, sein schönstes Tor und einen ganz besonderen Menschen..

SPOX: In der Bundesliga liegt der HSV auf Rang drei. Was fehlt noch, um dauerhaft mit Bayern und Bremen mithalten zu können?

Van der Vaart: Den Vorsprung, den sich Bayern München über all die Jahre erarbeitet hat, kann man nicht in kurzer Zeit aufholen. Die Bayern verfügen noch über einen größeren Kader als der HSV. Aber in jüngster Vergangenheit haben wir gezeigt, dass wir uns im direkten Vergleich nicht verstecken müssen. Trotzdem ist uns Bayern dauerhaft noch ein Stück voraus, weil sie über die Jahre gewachsen sind, mehr Möglichkeiten haben. Auch Werder Bremen hat sich in den vergangenen Jahren konstant für die Champions League qualifizieren können. Diese Regelmäßigkeit sollte auch Ziel des HSV sein.

SPOX: Die Zeichen stehen auf Abschied im Sommer. Wie ist der aktuelle Stand?

Van der Vaart: Es gibt keinen neuen Stand. Ich habe immer gesagt, dass es mein Traum ist bei einem großen Verein zu spielen.

SPOX: Sie haben der vorzeitigen Vertragsverlängerung zu deutlich besseren Bezügen nicht zugestimmt und sagen offen, dass Sie gerne für einen größeren Verein spielen wollen. Was muss passieren, damit Sie doch beim HSV bleiben?

Van der Vaart: Meine Entscheidung hat nichts mit dem Angebot zu tun, das mir der HSV gemacht hat. Das war überragend. Es geht nur um meinen Traum.

SPOX: Sie haben oft betont, in Spanien spielen zu wollen, weil Ihre Mutter aus Spanien stammt. Was reizt Sie noch an Spanien?

Van der Vaart: Die spanische Liga hat mich schon als kleiner Junge fasziniert. Das Interesse daran ist in Holland immer da. Das liegt auch daran, dass Johann Cruyff und viele andere holländische Spieler da sehr erfolgreich waren.

SPOX: Sie haben im vergangenen Sommer die HSV-Fans mit ihrem Valencia-Flirt brüskiert. Trotzdem gab es kaum ein böses Wort. Warum haben Ihnen die Fans so schnell verziehen?

Van der Vaart: Die Aktion mit dem Trikot war blöd. Dafür habe ich mich auch entschuldigt. Ich denke, dass die Fans mir das geglaubt haben. Zudem war es ein unglaubliches Spiel nach dem Vorfall: Ein Tag nach der Aktion mit dem Trikot haben wir zu Hause gegen Leverkusen gespielt und ich habe in der zweiten Halbzeit den entscheidenden Elfmeter zum 1:0 verwandelt. Da konnten die Fans mir wohl nicht mehr böse sein. Aber glauben Sie mir: Ich hatte noch nie so große Angst vor einem Elfmeter.

SPOX: Sie und Ihre Frau fühlen sich in Hamburg sehr wohl. Das war in Amsterdam anders. Warum, denken Sie, ist es nach wie vor gut in Hamburg?

Van der Vaart: Meine Frau und ich haben uns hier vom ersten Tag an heimisch gefühlt. Wir haben eine tolle Wohnung in Eppendorf, mein Kind wurde hier geboren. Die Leute sind nett und die Stadt ist wunderschön. Ich fühle mich wohl im Verein. Besser kann es eigentlich nicht sein.

SPOX: Haben Sie sich durch die Geburt ihres Kindes verändert?

Van der Vaart: Natürlich verändert man sich.

SPOX: Inwieweit?

Van der Vaart: Die Werte verändern sich. Man ist plötzlich verantwortlich für ein kleines Wesen, das ohne fremde Hilfe am Anfang nicht existieren könnte. Man wird dadurch verantwortungsbewusster anderen gegenüber und wenn du dann mit ihm spielst und es auf dem Arm hältst, vergisst du alles, was auf dem Platz war. Aber man lebt auch mehr in Sorge. Aber grundsätzlich ist es ein sehr gutes Gefühl, Vater zu sein.

SPOX: Ihre Kindheit im Wohnwagen ist oft thematisiert worden. Sie haben mal gesagt, es wäre die schönste Jugend gewesen, die man sich vorstellen kann. Warum?

Van der Vaart: Weil es einfach so war. Wir haben viel gespielt, in der Gruppe, waren draußen. Wir haben gekickt und hatten eine große Wohnwagenfamilie. Ich verspürte ein großes Gemeinschaftsgefühl, eine Zusammengehörigkeit.

SPOX: Sie gelten als verletzungsanfällig und haben schon eine schwere Knie- und eine schwere Knöchelverletzung hinter sich. Angst vor einer weiteren langwierigen Verletzung?

Van der Vaart: Eigentlich nicht. Wenn man Fußballprofi ist, dann weiß man, dass so etwas immer passieren kann. Natürlich ist es nicht schön, zuschauen zu müssen, während die Mitspieler spielen. Aber Angst habe ich keine. Ich bin bis jetzt jedes Mal wieder zurückgekommen. Mit Angst darf man nicht ins Spiel gehen.

SPOX: Sie haben als Lieblingssportler mal Pete Sampras angegeben. Was hat Sie an Pistol-Pete beeindruckt?

Van der Vaart: Die mentale Stärke. In Situationen, in denen es eng war, hat er sein bestes Tennis gespielt. Das hatte er den andern voraus. Seine Konstanz über die Jahre war unglaublich, bewundernswert. Er spielt immer noch gutes Tennis. Jüngst hat er euren Tommy Haas bei einem Showkampf in zwei Sätzen geschlagen (lacht).

SPOX: Welches war das wichtigste Tor ihrer Karriere?

Van der Vaart: (überlegt eine Weile) Ich glaube, dass der Elfmeter in Kopenhagen mein wichtigster war. Ich traf 2005 in der Nachspielzeit zum 1:0 und wir qualifizierten uns mit dem HSV durch diesen Treffer für die Gruppenphase des UEFA-Cups. Damals war das für den Verein ein wichtiger Schritt.

SPOX: Und welches war das Schönste?

Van der Vaart: Ich glaube das war gegen den FC Bayern. Beim 2:1-Sieg in München gelang mir im vergangenen Jahr das Siegtor aus etwa 20 Metern. Der Ball flog über Torwart Oliver Kahn ins linke obere Eck.

SPOX: Zur Europameisterschaft: Was macht Sie zuversichtlich, dass Holland eine gute EM spielen wird?

Van der Vaart: Wir haben wieder eine gute Mannschaft. Die Stimmung ist gut und wir funktionieren als Team. Früher wurde den holländischen Teams oft vorgeworfen, dass sie überragende Einzelspieler hätten und als Kollektiv nicht funktionieren würden. Ich denke, dass sich dies geändert hat. Und deshalb rechne ich mir Chancen aus. Das Niveau der teilnehmenden Teams liegt ziemlich dicht beisammen. Es ist kein Favorit auszumachen.

SPOX: Wie sehen Sie die Chancen der deutschen Nationalmannschaft?

Van der Vaart: Seit der WM 2006 befindet sich die deutsche Mannschaft im Aufschwung. Davor lief es ja auch lange Zeit nicht so gut. Jetzt haben sie sich souverän für die EM qualifiziert und wenn sie diese Form beim Turnier bestätigen, dann können sie es bis weit nach vorne schaffen.

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