Der kleine Bruder von Drogba

Von Interview: Alexis Menuge
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© Imago

München - Vor einem Jahr war er in der Versenkung verschwunden und nur noch traurig.

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Beim Hamburger SV bekam Boubacar Sanogo nie wirklich ein Bein auf den Boden. Der Wechsel zu Werder Bremen zu Beginn der Saison war genau die richtige Entscheidung, und machte aus dem Chancetod Bobbycar wieder den Knipser Sanogo.

Im Interview mit SPOX.com spricht der Ivorer über Werders Mini-Krise, gesunde Aggressivität, Tipps vom großen Drogba und den besten Stürmer der Bundesliga.

SPOX: Herr Sanogo, wie solle Sie Ihre Fans denn nun eigentlich nennen: Schmidts Katz, Jürgen oder Bobbycar. Wie lautet nun Ihr offizieller Spitzname?

Boubacar Sanogo: Die Meisten nennen mich "Bouba". Jürgen galt nur während meiner Jugendzeit mit meinen Kumpels in der Elfenbeinküste, als wir zusammen Fußball spielten.

Boubacar Sanogo im Steckbrief.

SPOX: In Bremen durfte man nach Toren hin und wieder Ihre Turneinlagen bewundern. Woher kommt dieses Talent? Üben Sie das im Training, damit es dann im Spiel nicht schief geht?

Sanogo: In der Elfenbeinküste habe ich diese Manöver ziemlich oft zusammen mit meinen Freunden gemacht. Es gab einen richtigen Wettbewerb zwischen uns. Im Training übe ich das nicht, sondern mache es im Spiel spontan. Allerdings nur, wenn ich mich wohl fühle.

SPOX: In der Liga läuft es derzeit nicht mehr rund für Werder. Der momentane Stand kann nicht der Anspruch eines Spitzenklubs sein, oder?

Sanogo: Es ist sehr schwer zu sagen, warum es bei uns derzeit so schlecht läuft. Ich habe das Gefühl, dass sich eigentlich jeder bei uns wohl fühlt -  wenn wir mal davon absehen, dass ich seit meiner Rückkehr vom Afrika-Cup schon zwei Mal krank war. Es ist komisch: Wir spielen im Großen und Ganzen einen guten Fußball, aber die Ergebnisse sind enttäuschend. Uns fehlt ein echtes Erfolgserlebnis, ein Spiel, in dem wir von der ersten bis zur letzten Minute überzeugen. Außerdem treffen nicht mehr genug.

SPOX: Fürchten Sie, dass Werder in der nächsten Saison nur im UEFA-Cup spielt?

Sanogo: Wir denken gar nicht daran, weil die Saison noch lang genug ist, um wieder ganz nach oben zu kommen. Es ist zwar alles sehr eng, aber wenn ich mir unser Restprogramm ansehe, dann haben wir bessere Chancen als unseren direkten Konkurrenten. Ich habe keine Angst und mache mir keine Sorgen.

SPOX: Ist Werder zu sehr abhängig von Diego?

Sanogo: Das denke ich nicht. Wir mussten bereits öfters ohne Diego spielen, und haben trotzdem gewonnen. Klar brauchen wir ihn langfristig. Aber unsere momentane sportliche Situation hat wenig mit ihm zu tun.

SPOX: Sollte Diego im Sommer Bremen verlassen, wäre es für Werder dramatisch?

Sanogo: Klaus Allofs hat gesagt, dass Diego auch in der nächsten Saison für Werder spielt. Also gehe ich davon aus, dass es so passiert.

SPOX: Trotz Ihrer schweren Zeit beim HSV haben Sie sich in Bremen schnell durchgesetzt. Ist es für Sie eine Art Revanche?

Sanogo: Ich bin stolz, so schnell wieder meine Top-Form erreicht zu haben. Aber Hamburg war eine Etappe in meiner Karriere. Ich habe dazu gelernt. Gewisse Personen haben einen Sündenbock gesucht, und das war eben dann vor allem mich. Aber von Revanche kann man da nicht sprechen. Ich mache meine Arbeit und hoffe, mich weiter zu entwickeln, um ganz nach oben zu kommen.

SPOX: Nach Ihrem tollen Beginn gab es zuletzt etwas Ärger. Erst der Ärger mit Carlos Alberto, dann das Trainingsfoul an Naldo. Woher kommt diese Aggressivität?

Sanogo: In diesem Beruf können solche Dinge schon mal passieren. Aber ich bin nicht nervöser als sonst, oder so. Unglücklicherweise ist es in einer Phase passiert, in der es für den Verein insgesamt nicht so rund läuft. Aber das Foul an Naldo war von mir ganz sicher keine Absicht. Die Konkurrenz ist groß, und die Zweikämpfe im Training sind entsprechend besonders hart. Aber diese Konkurrenz ist gesund und wir schlagen in der Regel auch nicht über die Stränge. Die Wunde von Naldo hat mich selbst sehr betroffen gemacht.

SPOX: Zuletzt waren sie in der Regel nur Ersatz. Wie sehr nagt das an Ihnen?

Sanogo: Für mich ist es ein Problem, kein Stammspieler mehr zu sein. Ich bin natürlich unzufrieden, wenn ich nur auf der Bank sitze. Aber ich war durch den Afrika-Cup wochenlang weg, nachdem ich zuvor regelmäßig von Anfang an spielen durfte. Aber ich gebe nicht auf und gebe alles, um mir meinen Platz zurück zu erkämpfen.

SPOX: Bedauern Sie am Afrika-Cup teilgenommen zu haben?

Sanogo: Auf keinen Fall. Ich war sehr froh, dabei zu sein. Es war eine sehr wichtige und schöne Erfahrung. Ich habe für mein Land gespielt und das ist mir extrem wichtig. Der Afrika-Cup ist etwas Besonderes für jeden afrikanischen Spieler.

SPOX: In der Nationalelf haben Sie mit Didier Drogba den direkten Vergleich. Wie weit sind Sie noch von internationalen Spitzenstürmern entfernt?

Sanogo: Es ist mir bewusst, dass ich mich noch entwickeln muss, um zu den Besten zu gehören. In allen Bereichen muss ich sicherlich noch zulegen. Ich schaue mir sehr viel von Didier Drogba ab, in Spielen von Chelsea oder beim Training mit der Nationalmannschaft. Und da wird schnell klar, dass ich hart arbeiten muss. Zum Beispiel ist Didier robuster und kräftiger als ich.

SPOX: Gibt es auch Tipps von Drogba?

Sanogo: Klar, immer wieder. Wir schätzen uns sehr. Ich habe großen Respekt vor ihm und seiner Entwicklung. Er respektiert mich auch. Für ihn bin ich wie sein kleiner Bruder.

SPOX: Ihr Nationaltrainer Uli Stielike musste vor dem Afrika-Cup aus privaten Gründen zurücktreten. Gibt es noch Kontakt zu ihm?

Sanogo: Ich habe ihn an diesem Mittwoch, am Rande unseres Länderspiels gegen Tunesien in Paris gesehen. Momentan wissen wir noch nicht, ob er wieder unser Trainer wird. Das soll der Verbandspräsident noch entscheiden. Persönlich würde ich mich freuen, wenn Stielike weiter machen würde. Ich mag ihn. Mit ihm ist es immer gut gelaufen. Er arbeitet sehr professionell. Für die Elfenbeinküste ist er ein sehr guter Trainer.

SPOX: Sie sind gerade mal 25 Jahre alt. Werder wird nicht Ihr letzter Klub bleiben. Welcher Verein, welches Land reizt Sie?

Sanogo: Für jeden Fußballer aus der Elfenbeinküste ist es etwas besonderes, einmal in Frankreich zu spielen, da alle Augen in meiner Heimat auf die Ligue1 gerichtet sind. Diese Liga würde mich irgendwann mal reizen. Seit ich klein bin, haben mir Klubs wie Olympique Marseille, Paris-Saint-Germain oder Olympique Lyon immer gefallen. Aber ein Verein wie Werder ist sehr gut strukturiert und geführt. Ich denke derzeit nicht an einen Wechsel.

SPOX: Wer ist derzeit der beste Stürmer der Bundesliga?

Sanogo: Mir gefällt besonders Mario Gomez. Ich schätze seine Spielweise sehr. Er hört ja gar nicht mehr auf, Tore zu schießen.

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