Keine Touristen aus Nippon

Von Andreas Lehner
Bayern, Leverkusen, Castro, Barnetta, Kießling
© Getty

München - Die Stadt München wirbt seit 2005 mit dem Slogan "München mag dich".

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Bei Bayer Leverkusen ist schnell klar, wieso. Seit 1989 hat die Werkself nicht mehr in der bayerischen Landeshauptstadt gewonnen.

Sobald die Spieler den Rasen im Olympiastadion oder in der Allianz-Arena betraten, schienen sie alles, was sie über das Fußballspielen gelernt hatten, für 90 Minuten vergessen zu haben. Wie japanische Touristen beim Glockenspiel am Marienplatz standen sie ehrfürchtig und bewundernd herum und ließen ihr Schicksal über sich ergehen.

Für die Bayer-Elf anno 2008 sollte das Warnung genug sein, aber auch gleichzeitig der Schlüssel zum Erfolg. Nur wenn Bayer sein Selbstvertrauen nicht an der Garderobe abgibt, sein offensives Spiel durchzieht und sich nicht versteckt, können sie den Bayern die erste Heimniederlage beibringen (Samstag 15.30 Uhr im SPOX-TICKER und bei Premiere).

Ohne Respekt und frech nach vorne

Die Bayern sind in dieser Saison zwar zuhause noch unbesiegt, aber sind sie auch wirklich unbezwingbar? Frankfurt, Duisburg und auch der HSV trotzten den Münchner mit einer akkuraten Igel-Taktik einen Punkt ab. Für einen Sieg taugte diese Ausrichtung aber nicht.

Leverkusen dagegen hat die nötigen Mittel, um Bayern defensiv in Bedrängnis zu bringen.

Schon im Hinspiel, das die Bayern dank Luca Toni mit 1:0 gewannen, erarbeitete sich Leverkusen mehrere hochkarätige Chancen, so viele wie sonst keine andere Mannschaft in dieser Saison gegen die Bayern.

Nur scheiterte Bayer immer wieder am damals glänzenden Michael Rensing. "Wir müssen wie im Hinspiel auftreten, ohne Respekt, frech nach vorne", sagt Michael Skibbe.

Überzahl im Mittelfeld

Mit dem schnellen, direkten Kurzpassspiel hatten die Münchner ihre Probleme. Auch im Rückspiel muss Bayer im 4-2-3-1-System mit den spielstarken Defensivleuten Arturo Vidal und Simon Rolfes im Mittelfeld Überzahl herstellen und das Spiel mit viel Ballbesitz kontrollieren.

Der HSV hat das perfekt vorgemacht und auch im Pokal gegen den TSV 1860 fand der Rekordmeister lange Zeit keine Lösung für das Problem.

Da Luca Toni nach seiner Gelbsperre im Pokal wieder zurückkehrt, ist nicht zu erwarten, dass Ottmar Hitzfeld von seinem klassischen 4-4-2 abrücken wird. Im Mittelfeld sehen sich die Münchener also immer einer numerischen Überzahl gegenüber.

Castro als Schlüsselspieler 

Da Christian Lell nach der 5. Gelben Karte gesperrt ist und Willy Sagnol verletzt ausfällt, wird wohl Phillip Lahm auf rechts und Marcell Jansen auf links verteidigen.

Unter dem Offensivdrang des Ex-Gladbachers leidet oft die Defensive. Da Franck Ribery ebenfalls nur wenig nach hinten arbeitet, liegen dort für Leverkusen mit dem offensivstarken Gonzalo Castro viele Möglichkeiten.

Barnetta, der Freigeist

Dazu kommt, dass Bayers Spiel auf vielen Positionswechseln beruht, mit denen sie für Unruhe sorgen und die Münchner Hintermannschaft ins Laufen bringen können. Gegen Mannschaften mit hoher Ballzirkulation hatten die Bayern in der Vergangenheit ihre Mühe.

Der herausragende Freigeist in diesem System ist Tranquillo Barnetta, der offensiv alle Freiheiten besitzt und mit seiner Schnelligkeit und seiner Stärke im Eins-gegen-Eins jede Abwehr vor Probleme stellen kann.

Da der Schweizer überall auf dem Platz herumwirbelt, ist er kaum zu greifen und somit schwer aus dem Spiel zu nehmen. Wie ein Franck Ribery in klein.

Gekas wie Makaay

Ganz anders verhält es sich bei Theofanis Gekas. Der Grieche nimmt - wie Roy Makaay zu seinen besten Zeiten - kaum am Spiel teil, hat die wenigsten Ballkontakte, die schlechteste Zweikampfbilanz - aber die meisten Tore auf dem Konto.

In München könnte seine Unauffälligkeit ein Problem werden. Gegen Bayern braucht es einen Mittelstürmer, der anspielbar ist und den Ball behaupten kann, damit die Mittelfeldspieler nachrücken können. Ansonsten wird der Druck auf die eigene Abwehr zu groß.

Die Balance muss stimmen

Generell muss Bayer aufpassen, bei aller Offensivstärke die richtige Balance zu finden und vor allem: unnötige Ballverluste vermeiden. Denn falls die Bayern Platz haben, verstehen sie es schnell umzuschalten und zielstrebig Richtung Tor zu spielen.

Dort steht bei Bayer mit Rene Adler der zurzeit beste deutsche Keeper zwischen den Pfosten. Auch von seiner Leistung hängt der Ertrag am Ende des Tages ab, das haben die bisherigen Spiele, in denen Bayern zuhause Punkte ließ, gezeigt.

Bayer fährt in jedem Fall voller Selbstvertrauen nach München. Auch die Schwäche der Vergangenheit scheint die junge Bayer-Elf nicht zu irritieren.

"Jede Serie reißt auch mal. Und jetzt wird es langsam Zeit", meint Simon Rolfes. Auch Stefan Kießling gibt sich ganz keck: "Wir haben Spaß und diesen Spaß wollen wir auch bei den Bayern haben."

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