Die Lehren des Andreas B.

Von Florian Bogner
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© Imago

München - Andreas Brehme hat mal gesagt: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß." Ein schöner Satz. Wer ihn nicht versteht, der hat nie Fußball gespielt.

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Im Fußball gibt es Situationen, da gibt man sein Bestes - und trotzdem geht alles den Bach runter. Das hatte Brehme damals gemeint.

Nun, im Torwartleben von Manuel Neuer lief in den vergangenen Wochen bei weitem nicht alles perfekt. Und da passt es ins Bild, dass er sich im Schlüsselduell um Platz drei fünf Minuten vor Schluss einen Ball aus gut und gerne 40 Metern einfängt, der irgendwie unhaltbar ist, ihn aber auch irgendwie ganz dumm aussehen lässt.

Der Schütze, ein nassforscher Innenverteidiger namens Manuel Friedrich, sagt später dann so Sachen wie: "Vielleicht hab ich mal in der F-Jugend bei SG Guldental so ein Tor geschossen", und Neuer selbst muss Sätze a la: "Ich hab alles versucht, hab mich so lang gemacht wie ich konnte" oder "Der Ball hatte eine ganz doofe Flugbahn", zu Protokoll geben.

Diego verliert die Nerven

Und während der 21-jährige Keeper dem "blöden Ball" von Friedrich in Leverkusen hinterher blinzelte und die Meisterschaftschancen des FC Schalke endgültig den Bach runter gehen sah, saß ein paar hundert Kilometer südöstlich in Frankfurt ein Mann namens Diego Ribas da Cunha ganz still in der Kabine und verfolgte vor dem Fernseher, wie sich seine Bremer Kollegen im Auslassen von Großchancen übertrafen. Am Ende stand wie bei Neuer ein 0:1.

Die letzten Wochen waren auch für Diego eine Qual gewesen, er musste von einer Schambeinentzündung geplagt ins Spiel gehen und sich binnen vierzig Minuten fünfmal rüde von den Beinen holen lassen - bis es ihm zu bunt wurde und er seinen hünenhaften Gegenspieler Sotirios Kyrgiakos umstubbte. Rot war die gerechte Strafe, Bremen war seines Genies beraubt und Andreas Brehme dürfte sich bestätigt in seinem Fernsehsessel zurückgelehnt haben.

Läuft mal wieder für die Bayern

Friedrich, Neuer und Diego dienen so fantastisch als Sinnbilder für die Lage ihrer Teams. Während der Bayer-Elf momentan alles gelingt, stehen auf der anderen Seite die Schalker, die zwischen den Champions-League-Spielen gegen den FC Porto höllisch aufpassen müssen, dass sie in der Liga nicht außer Reichweite von Platz drei geraten.

Und natürlich die verletzungsgeplagten Bremer, die mitunter zwar ein 1:1 aus München mitnehmen, dann aber Spiele gegen Bochum und Frankfurt verlieren.

Sollte der FC Bayern am Sonntag nun den Hamburger SV schlagen, wäre Bremen sechs Punkte von Platz eins entfernt, Schalke sogar elf. Und Leverkusen findet sich plötzlich auf Platz drei wieder, in Schlagdistanz zu Werder.

Slomka schimpft, Schaaf bockt

Offiziell formuliert man bei Bayer noch keine Ziele jenseits der UEFA-Cup-Qualifikation, doch Friedrich war nach seinem Tor wohl derart im Überschwang der Gefühle, dass er nach Spielschluss bei der in Leverkusen üblichen "Uffda" mit den Fans die musikalisch leicht schiefe Zeile: "Wir holen den U-U-EFA-Cup und wir qualifizieren uns für die Champions League" ins Megaphon schrie.

Schalke-Coach Mirko Slomka stand zur selben Zeit konsterniert vorm Premiere-Mikrofon und sagte Dinge wie: "Es gibt jetzt nichts mehr zu beschönigen - wir müssen uns jetzt ganz deutlich von der Meisterschaft verabschieden", während sich Werder-Trainer Thomas Schaaf in Frankfurt in Durchhalteparolen flüchtete.

Diegos zu erwartende lange Sperre sei halb so wild, meinte der Werder-Coach: "Wir hatten auch schon Spiele, in denen Diego nicht dabei war und andere gefordert waren, und wir haben trotzdem guten Fußball angeboten. Wir werden jetzt nicht durcheinander kommen, weil ein Spieler eine Weile fehlen wird." Man spricht sich noch mal nach Ablauf der Sperre.

Immer mehr Respekt für Skibbe 

Dass Leverkusen und Bremen 44 bzw. 39 Stunden vor Anpfiff noch auf europäischer Bühne unterwegs waren, wurde interessanterweise nur von den Schalkern aufgegriffen. Laut Slomka müsse man sich selbst vorwerfen, "dass wir die Möglichkeit mit zwei Tagen mehr Pause und mehr Qualität auf dem Platz nicht genutzt haben". 

Während sich Schaaf in Frankfurt vor sein Team stellte ("Wir haben auch mit zehn Mann gut nach vorne gespielt"), tadelte Slomka seine Mannen ungewohnt deutlich.

"Nach vorne hin haben wir fußballerisch viel zu wenig angeboten: Kaum Doppelpässe, kein steil gehen, kein Bälle verteilen." Der Ton auf Schalke wird rauer, der Trainer wird wohl auch die vereinzelten "Slomka raus!"-Rufe aus der Fankurve vernommen haben.

Auf der Gegenseite wird Michael Skibbe bestimmt nie der Liebling der Bayer-Fans werden. Der meist etwas spröde wirkende Ex-Bundestrainer ist jedoch dabei, sich mit seiner Arbeit immer mehr Respekt zu verschaffen. Den gibt der 42-Jährige gerne an sein Team weiter: "Ich bin beeindruckt von meiner Mannschaft, sie hat sich die drei Punkte mit Haut und Haaren verdient."

Das letzte Wort soll jedoch Manuel Friedrich gehören. War das denn jetzt wirklich Absicht? Das fragte sich wahrscheinlich nicht nur Neuer. "Natürlich war es Absicht. Ich habe gesehen, dass er zu weit vorm Tor steht, täusche eine Flanke an und hau den Ball dann lang rein." So wie es Andy Brehme zu seiner Zeit auch manchmal gemacht hat.

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